Travail, Famille, Patrie!

Die neue französiche Rechtspartei La Droite bereitet die Ehe zwischen extremer und bürgerlicher Rechter vor

Es war ein gespenstisches Wochenende in Paris: Zwei Tage lang fand der Gründungskongreß der neuen Rechtsformation von Charles Millon, La Droite, statt. Und am Samstagmittag marschierten auch noch die Rechtskatholiken zu Zehntausenden durch Paris. Die protestierten gegen das derzeit im französischen Parlament debattierte Projekt des "Pacte civil de solidarité" (PACS), der homosexuellen und anderen unverheirateten Paaren eine bestimmte Anzahl von materiellen Vorteilen (gemeinsamen Güterbesitz, Erbmöglichkeiten Ö) ermöglichen soll, die bislang Verheirateten vorbehalten waren.

Die katholischen Ultras ebenso wie die Rechtsaußenparteien sehen darin einen Angriff auf traditionelle Werte, auf die geheiligte Institution der Familie. Beide Ereignisse zeugen von einer zunehmenden Annäherung verschiedener Teile der derzeit zersplitterten französischen Rechten, unter Einschluß ihrer neofaschistischen Komponente.

Das Wochenende begann am Samstag um 10 Uhr mit der Eröffnung der Gründungsversammlung für die neue Formation La Droite ("Die Rechte") in den Messehallen an der Pariser Porte de Versailles. Die schlecht beheizte Halle war mit dem wenig originellen Emblem von La Droite geschmückt - aufgehende gelbe Sonne vor blauem Hintergrund. Und im Saal herrschte eine Stimmung wie auf einem Konvent amerikanischer Prägung: viel Getröte, ein Riesenspektakel, zahllose Schilder mit der Aufschrift "Millon, Courage". Am Samstag erschienen zur Statutendiskussion nur rund 1 300 Mitglieder, am Sonntag strömten schon über 9 000 Anhänger zur politischen Kundgebung mit Charles Millon.

Millon, ehemals Verteidigungsminister der früheren konservativen Regierung (bis 1997), ist der Gründer und Übervater von La Droite. Im März sorgte er für Schlagzeilen, als er sich erneut zum Lyoner Regionalpräsidenten wählen ließ - diesmal mit den Stimmen der Neofaschisten des Front National (FN). Mit diesem innenpolitischen "Tabubruch" zog er den Zorn der bürgerlichen Parteiführungen auf sich, sein Ausschluß aus dem konservativ-liberalen Parteienbündnis UDF folgte auf dem Fuß. Seither trommelt er die Enttäuschten der bürgerlich-konservativen Parteien unter der Fahne von La Droite zusammen.

Schon vor der Eröffnung seines Kongresses hatte Millon den Ton vorgegeben. In der Samstagsausgabe von Le Monde führte er in einem Interview aus: "Die Rechte als solche war seit langem nicht an der Regierung. Es war eine Rechte, die das Bestehende verwaltete, keine Rechte mit Überzeugung." Auf die Frage, ob dies seit 1958 - also seit Gründung der Fünften Republik durch De Gaulle - der Fall gewesen sei, antwortete der Ex-Minister: "Ich setze im Jahr 1945 an. Ich denke, daß es seit 1945 ein Problem gibt, weil das herrschende Einheitsdenken einige Ideen als abscheulich hinstellt und verhindert, daß sie verbreitet werden. Allein, weil bestimmte Worte von Personen, die während des Krieges Irrtümer begangen haben, benutzt worden sind, ist es hernach unmöglich geworden, diese Worte oder diese Ideen zu gebrauchen. Ich habe die erste Bewegung seit 1789 lanciert, die sich 'Rechte' zu nennen wagt."

Damit hat Millon das Ziel vorgegeben: die Neugestaltung der Ideenlandschaft seit der Befreiung 1944/45, ja seit der bürgerlichen Revolution von 1789. Man wundert sich nicht darüber, wenn man seine - lange Zeit verkannte - ideologische Herkunft kennt. Millon gehörte in den sechziger und siebziger Jahren in Lyon einer katholisch-fundamentalistischen und monarchistischen Gruppierung an, dem "Universitären Zirkel Charles-Péguy". Seine Ehefrau Chantal Delsol zählt bis heute zu den Ideologinnen der ultra-katholischen Strömung und der Lebensschützermilieus, deren "nationalen Aktionstag für das Leben" sie im Jahr 1991 als Präsidentin vorstand. Charles Millon war diskreter. Lange Zeit hatte er die Ideen seines Herkunftsmilieus zugunsten seiner politischen Karriere hintangestellt. Aber das ist Vergangenheit.

Es verwundert daher nicht, daß die zum Umfeld des Opus Dei zählende christdemokratische Abgeordnete Christine Boutin, Mitglied der UDF-Fraktion und Oberhaupt der parlamentarischen Lebensschützerlobby, zu den Stargästen des La Droite-Gründungskongresses zählte. Mitte Oktober hatte Madame Boutin in der Nationalversammlung die Bibel gegen den PACS geschwenkt. Seither zog sie in den Parlamentsdebatten um den PACS die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Mitte vergangener Woche redete sie fünfeinhalb Stunden am Stück gegen den zivilen Solidaritätspakt, dem sie beispielsweise vorwarf, "die erlaubte und die verbotene Sexualität zu vermischen". Im Anschluß an ihre Rede, zu später Abendstunde, kam es zu einer Prügelei im Parlament.

Die katholische Familien-Lobby ist bei La Droite überaus gut vertreten. Bei der Debatte um die Statuten der neuen Formation entfaltete sich eine eigenartige Kontroverse. Ein Delegierter erzürnte sich über den Passus, wonach kein Delegierter bei Kongressen das Stimmrecht für eine abwesende Person ausüben darf; er wolle für seine Frau und seine Kinder mitstimmen und daher zwei oder drei Stimmen abgeben. Ein anderer sprach sich gar dafür aus, daß "die Vertreter von Familien für all ihre Kinder und lebenden Vorfahren abstimmen dürfen". Schließlich wurde in den Statuten das Recht verankert, für abwesende Familienmitglieder über bis zu zwei zusätzliche Stimmen zu verfügen. Ansonsten aber gibt sich La Droite liberal, vor allem in sozialer Hinsicht. Denn "jeder ist für sein Schicksal verantwortlich, allein verantwortlich", tönt der Chefredakteur des internen Mitteilungsblatts von La Droite, Jean Bothorel.

Um Ultra-Katholizismus und Wirtschaftsliberalismus miteinander zu vereinbaren, haben die Gründer der neuen Organisation sich eigens einen neuen Begriff ausgedacht: den des "Personalismus". La Droite, so führte Millon in seiner Abschlußrede aus, sei "personalistisch", was so viel bedeutet wie: für den wirtschaftlichen und sozialen Individualismus (für die Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme, für private Rentenfonds, gegen den alles verschlingenden Wohlfahrtsstaat). Die Besonderheit dabei ist, daß das Individuum, um in Millons Sinne zur "Person" zu werden, "an die Zugehörigkeit zu Gemeinschaften gebunden ist, während das Individuum bindungslos ist". Zu solchen, vermeintlich natürlichen Gemeinschaften zählt an die Familie, danach die Region, die Nation und schließlich Europa.

Derzeit gibt La Droite ihre Mitgliederzahl mit 22 500 an; die Richtigkeit dieser Zahl, so wird beständig wiederholt, werde durch notarielle Prüfung aller Beitritte kontrolliert. Wegen der Möglichkeit von Doppelmitgliedschaften bei La Droite (die als Verein und nicht als Partei organisiert ist) und anderen politischen Organisationen befinden sich zweifellos zahlreiche enttäuschte Mitglieder des konservativen Lagers darunter.

In der Demonstration gegen den PACS durfte La Droite nicht fehlen. Der Erfolg der Mobilisierung wurde von einem der Führungsmitglieder am Samstagabend triumphierend von der Bühne herab verkündet. Mit 60 000 gaben die Veranstalter - eine Reihe rechtskatholischer Familienverbände - die Teilnehmerzahl an, mit 7 200 die Polizei.

Und es waren tatsächlich viele, sehr viele, die am Samstagmittag am Pariser Montparnasse-Bahnhof vorbeizogen, darunter auch eine beachtliche Anzahl von Jugendlichen - ersichtlich aus den beaux quartiers, den wohlhabenden Vierteln. Ein etwa 50jähriger Homosexueller versuchte am Rande des Umzugs verzweifelt, mit den Demonstranten zu diskutieren. "Pfui, ich kann das nicht hören", zischte eine ältere Dame und zog ihren Ehemann von dannen. Unter dem Slogan "Die französischen Familien zuerst!" marschierte der FN am Ende der Demonstration "Satan hat davon geträumt, Jospin hat's gemacht", stand auf einem anderen Transparent.