Neue Ecstasy-Studie

Abschreckung statt Aufklärung

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"Die Party ist vorbei", betitelte Die Woche jüngst einen Beitrag über neueste Studien, die die Schädlichkeit der Techno-Pille Ecstasy beweisen sollten. Doch außer Verweisen auf bekannte Forschungen in Tierversuchen ist lediglich von einer neuen Studie die Rede: Forscher aus Baltimore (USA) haben mit einem radiologischen Scanner Langzeitkonsumenten, die allesamt über 200 Pillen geschluckt hatten, untersucht. Ergebnis: Ecstasy befördert Defekte an den Nervenzellen. Ob die Schäden irreversibel, also bleibend sind, konnte allerdings nicht festgestellt werden, auch fehlen Hinweise darauf, welche Auswirkungen diese Schädigungen überhaupt haben.

Daß Ecstasy gesund ist, wird niemand behaupten, und vielleicht wird ja wirklich eines Tages die Neurotoxizität dieser Droge nachgewiesen werden. Solange aber nicht plausibel dargelegt werden kann, daß der Konsum gefährlicher als z.B. der von Tabak oder Alkohol ist, wird sich kein Mensch von solchen Studien die Party verderben lassen. Die Hirnschäden durch Alkohol sind mit Sicherheit nicht weniger harmlos - aber das Oktoberfest geht weiter.

Hatten sich die Medien bei Ecstasy lange zurückgehalten, so wird nun auch hier derselbe Fehler gemacht wie bei vielen anderen Drogen in der Vergangenheit auch. Studien, die sich auf Vermutungen oder dubiose Tierversuche stützen, führen lediglich dazu, daß die Mahner in den Augen der Konsumenten unglaubwürdig werden. Jede sinnvolle und notwendige Aufklärung wird dadurch erschwert. Wenn die Frankfurter Rundschau schreibt: "Ecstasy läßt Pickel sprießen", reagieren erfahrene User mit einer Abwehrhaltung. Das müßte man schließlich wissen! Die Stuttgarter Zeitung forderte im Oktober unter der Überschrift "Hände weg! Ecstasy äußerst gefährlich", auch ungesicherte Untersuchungen zu veröffentlichen, um die Konsumenten abzuschrecken.

Doch Abschreckung hat bei Drogen noch nie funktioniert. Sie ist das Gegenteil von Aufklärung. Wie kann eine Gesellschaft glaubwürdig sein, die - obwohl zahlreiche Todesfälle bekannt sind - Viagra vom Arzt verschreiben läßt, Cannabis aber verbietet? Aufklärung - auch über tatsächliche Gefahren von Partydrogen - kann nur von glaubwürdigen Menschen vermittelt werden. Und das sind in der Regel selbst Gebraucher, sie haben die meiste Erfahrung. Nur die Entkriminalisierung ermöglicht einen vorurteilsfreien Diskurs. Solange die Gesellschaft - völlig erfolglos übrigens - Ecstasy verbietet, haftet ihr der Makel an, Eigeninteressen am Nachweis möglicher Schäden zu haben.

Doch eine Trendwende ist nicht in Sicht. Die neue Bundesregierung hat nicht den geringsten Schritt zu einer Entkriminalisierung der Partyszene gewagt. Auch setzt sich die Repression ungehemmt fort. Neulich wurde in Berlin ein mittelständischer Ecstasy- und Speed-Händler zu zwölf Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Und vor ein paar Wochen stürmte ebenfalls in Berlin die Polizei eine Wohnung, um vier Zuchtlampen für Cannabis-Pflanzen zu beschlagnahmen - mit gezogenen Waffen. Einem Bewohner der WG wurde sogar eine Pistole an die Stirn gehalten. Nur wenige Tage zuvor hatte der Petitionsausschuß des Bundestages geschlossen dafür votiert, Cannabis als Medizin zuzulassen.