Die Interfilm in Berlin

Kalte Platte

In siebzehn Jahren zum 14. Mal mit 32 Filmen aus 25 Ländern an nur sechs Tagen in vier Kinos - die Interfilm, Berlins Internationales Kurzfilmfestival mit zehn Wettbewerbsgruppen für 90 Wettbewerbsbeiträge und drei Videoprogramme, fünf Länderprogrammen, vier historischen Kurzfilmprogrammen, zwei Dokumentarfilmprogrammen, zwei Sonderprogrammen, einem Spielfilm sowie zwei Seminaren und einer langen Nacht des abwegigen Films. Motto: "Sex und Wahnsinn".

Ein übergeordnetes Thema mußte her und Sex geht uns alle an. Wahnsinn irgendwie auch, und irgendwie gehört ja auch beides zusammen. Festivalleiter Heinz Hermanns rudert mit den Armen und ist mächtig stolz. Die Interfilm sei renommiert in Stadt und Land, international von bestem Ruf, nur aus Berlin komme nicht die rechte Anerkennung. Schlimmer noch: An Geld fehle es hinten wie vorn und an Unterstützung sowieso. Er macht seinem Unmut Luft und schießt Bedenkenträgern schon mal präventiv eins vor den Bug.

Es reicht ein Nebensatz, um Mitbewerbern, anderen Kurzfilm-Foren und dem Panorama der Berlinale die Kompetenz abzusprechen. Die staunenden Medienvertreter werden ermahnt, angemessen Bericht zu erstatten. Während sie noch die Pressekonferenz-Schnittchen kauen, schiebt Hermanns die Musterfilme in den Recorder, und los geht's.

In "A Death in The Life Of A Pornostar" fällt einem vögelnden Knetgummipärchen die Lichtanlage in die Wanne, in "Phil Touches Flo" läuft ein Hundebesitzer Amol, in "Adrian" ist ein Junge auf den Liebhaber der Mutter eifersüchtig, in "Big Boobles" schauen kleine Jungen der Sportlehrerin beim Duschen zu. Keines der Beispiele haut im Patentamt die Klöße aus der Suppe.

Nur soviel nimmt man aus der Vorführung mit: Kurzfilme sind aufwendig oder nicht, witzig oder nicht, animiert oder nicht, langweilig oder nicht. Sie sind also alle irgendwie anders und in jedem Fall immer zu kurz. Das hat seinen Vorteil. Sollte ein Film Bedeutsamkeit anvisieren, dann ist er schnell vorbei. Sollte er gefallen, aber auch. Der Vorteil des Kurzfilms ist sein Nachteil.

Ein weiterer Nachteil: Niemand will Kurzfilme zeigen. Das Fernsehen nicht, das Kino vor dem Hauptfilm auch nicht. Kurzfilmfestivals sind etwas für Überzeugungstäter. Sie sind die Sieben Zwerge der Lumières. Jungkreative schnappen sich gern eine Kamera und drehen schnell mal einen. Andere schreiben jahrelang an einem Skript für einen Film von zehn Minuten. Kurzfilme sind das Après-Ski für Feuilleton-Redakteure und Kurzfilmfestivals die Kalte Platte der Kulturförderung. Die Interfilm - dieses Jahr wieder bunt und repräsentativ, dekorativ und abwechslungsreich.

Vom 3. bis 13. Dezember in den Kinos Balazs, Central, Hackesche Höfe und Collosseum; "Eject - Lange Nacht des abwegigen Films" am 11. Dezember im Meinblau ( hinter dem Pfefferberg).