Lob und Tadel

Martin Walser ist nach Ansicht Marcel Reich-Ranickis nicht für die Inhalte seiner "Friedens"-Rede zu kritisieren, sondern hat vor allem "als Rhetoriker versagt". Reich-Ranicki, dem mit Ausnahme des "Fliehenden Pferdes" die Walser-Bücher nicht gefallen, nahm den diesjährigen Friedenspreisträger ausdrücklich in Schutz und unterstellte ihm nur die allerbesten Absichten. Walser habe sich im Ton vergriffen und nicht deutlich gemacht, was er genau unter einer "Instrumentalisierung von Auschwitz zu gegenwärtigen Zwekken" verstanden wissen will. Zugunsten Walsers nimmt Reich-Ranicki an, dieser habe als "empfindlicher Schriftsteller" unter der Kritik an seinem neuen Roman "Ein springender Brunnen" sehr gelitten, insbesondere der Vorhalt, Walser spare Auschwitz bewußt aus, habe diesen sehr verletzt. Warum der Empfindsame in seiner Rede noch weiter ging und er das "Wegschauen" rechtfertigte, konnte Reich-Ranicki freilich nicht schlüssig erklären. Walser habe, interpretierte Reich-Ranicki die Rede, nicht anderen das "Wegschauen" empfohlen, sondern nur sich selbst gemeint.