Gerichtsentscheid gegen Grundstücksrückgabe

Anständige Preise

In Teltow-Seehof fand, so stellte es das Potsdamer Verwaltungsgericht schon im Dezember 1996 fest, zwischen 1934 und 1936 ein ganz normaler Grundstücksverkauf statt. 1934 wurde ein Preis von 2,50 bis drei Reichsmark pro Quadratmeter ausgehandelt, damit ein ehemaliges Gut den Besitzer wechseln konnte. Dieser Rechtsauffassung hat sich am Mittwoch letzter Woche das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) teilweise angeschlossen. Daß die Besitzer, die ihr in mehrere Grundstücke aufgeteiltes Gut verkauft hatten, Juden waren, belege noch keine "Arisierung". So zumindest sieht es die deutsche Rechtsprechung. Schließlich sei der Preis anständig gewesen und der Verkauf "nicht aus rassischen Gründen zwangsweise erfolgt".

Schon seit 1991 mühen sich die zuständigen Behörden und Gerichte um eine Aufklärung der Angelegenheit. Dabei wäre der Vorgang gar keiner, gäbe es nicht die Erben der jüdischen Familie Sabersky, die einen Antrag auf Rückübereignung gestellt hatten, der vom zuständigen Amt zur Regelung offener Vermögensfragen jedoch abgelehnt worden war.

Ein Teil der rund 900 zur Diskussion stehenden Grundstücke wird nun endgültig nicht zurückgegeben. Das BVerwG beschäftigte sich bislang nur mit dem "öffentlichen Straßenland", wo im Zuge der Parzellierung eine Straße gebaut und die Kanalisation verlegt worden war. Daß die Parzellierung bereits eine Folge des Verkaufes war, hat für die Richter keine Bedeutung. Auch nicht, daß die Veräußerung nach dem "Reichserbhofgesetz" von 1933 zustande kam, das es Juden verbot, Landwirtschaft zu treiben.

Im Februar 1999 wird nun über die Baugrundstücke des 850 000 Quadratmeter großen Areals entschieden. Seit den dreißiger Jahren waren dort Häuser gebaut worden, in denen heute Menschen wie Traudel Herrmann wohnen. Frau Herrmann, PDS-Mitglied und Vorsitzende der örtlichen Bürgerinitiative, hatte schon 1996 herausgefunden, daß "die Saberskys nie ein Gut betreiben (wollten), sondern nur an den Grundstücken am Rande Berlins verdienen". Ihre Bürgerinitiative sei es gewesen, "die nachweisen konnte, daß es sich um eine völlig normale geschäftliche Transaktion gehandelt habe".

Im übrigen seien die Saberskys völlig legal 1939 nach Paris ausgereist, wußte Herrmanns Gruppe, mit "zirka 60 Koffern und keineswegs ärmlich". Außerdem habe ein Familienmitglied bis 1945 in Deutschland leben können. Im Spiegel wiederholte sie jetzt: "Nur wenigen Juden ist es vergönnt gewesen, daß sie das Land auf so saubere Weise verlassen konnten." Und folgert: "Also können sie doch nicht so ernsten Dingen ausgesetzt gewesen sein." Hier offenbart sich Geschichtsbewußtsein in ganz eigener deutscher Form: Traudel Herrmann und ihre Mitstreiter sollen nun ausbaden, daß ihre Vorfahren nicht ganze Arbeit geleistet haben.

Obwohl das Urteil eine weitere juristische Niederlage darstellt, bleiben die Erben der ehemaligen Besitzer des Brandenburger Gutes optimistisch. Positiv sei doch immerhin, daß noch einmal ausdrücklich festgestellt wurde, so die Anwälte der Familie nach dem Urteil, daß in der Frage des Baulands andere Kriterien gälten. Frau Herrmann und dem organisierten Mob von Teltow-Seehof wäre eine Niederlage zu gönnen. Nicht nur, weil die Sabersky-Erben den heutigen Besitzern schon vor dem Prozeß ein Angebot gemacht haben: Mit fünf Mark pro Quadratmeter - als Anerkennung dafür, daß man von der Vertreibung der Saberskys profitiert hat - sollten sie sich mit den Erben vergleichen. Nur siebzig Bewohner nahmen das Angebot bisher an.