Neue Runde im Amtsenthebungsverfahren

Clintons Jahreshoroskop

Am 1. Januar kam die Wahrheit um 5 Uhr 14 über den Ticker: William Clinton ist weiterhin das unangefochtene Alpha-Männchen in den Augen der US-Bevölkerung. Zumindest nach einer Umfrage von USA Today. Und Clinton steht auf der US-Bewunderungsskala sogar noch vor dem Papst - trotz des Verfahrens, mit dem er wegen Sex und Lügen über Sex aus dem Präsidentensessel entfernt werden soll. Tags zuvor, an Silvester, hatte der peruanische Schamane Juan Osco bei der traditionellen Jahresend-Zeremonie auf einem Hügel über Lima ein bewußtseinserweiterndes Gebräu aus Dschungelkräutern über den Fotografien von Clinton und seiner Ex-Gespielin Monica Lewinsky ausgespuckt und dann prophezeit: "Clinton wird es überstehen ..." Das vermeldete AP.

Beide Nachrichten haben den heuchelnden Puritanern, die sich zur "moral majority" stilisieren, wohl den Rest gegeben. In deren politischer Organisation, der Republikanischen Partei, kam es zum Zoff über das weitere Vorgehen zwecks Clinton-Sturz. Henry Hyde, der Republikaner mit dem schönen Titel "Vorsitzender des Justizausschusses im Repräsentantenhaus", besteht auf einem umfassenden Prozeß gegen Clinton vor dem Senat. Er will den Präsidentenschlingel noch einmal so richtig vorführen, ihm die Instrumente zeigen und wochen- oder besser monatelang die akribisch gesammelten Beweise und die Zeugen präsentieren - am besten live auf allen TV-Kanälen, per Real-Audio und -Video im Internet, mit Schlagzeilen in der ganzen Welt.

Hingegen hatte der republikanische Fraktionsführer im Senat, Trent Lott, schon mit seinem demokratischen Gegenstück Tom Daschle gekungelt. Ihr ausgehandelter Vorschlag, so hieß es aus Senatskreisen: Dreitägiges Kurzverfahren, dann Testabstimmung, um die Lage zu sondieren. Und weil die Republikaner im Senat kaum eine Chance auf die Zweidrittelmehrheit haben, die zum Absägen des Präsidenten benötigt wird, könnte man dann zum letzten Akt des Dramas übergehen: der genauen Planung, präzisen Ausarbeitung und überaus gerechten Erteilung eines Rüffels.

Eine Rüge in einem möglichst kurzen Verfahren - das ist das Ziel Clintons und der Demokraten. Denn daß ein Prozeß unumgänglich ist, steht seit dem 19. Dezember, dem dritten Tag der Irak-Bombardierung, fest. Da billigte das von den Republikanern dominierte Repräsentantenhaus zwei Anklagepunkte gegen Clinton: Meineid und Behinderung der Justiz. Und damit erhielt der Senat den Auftrag zu einem Prozeß gegen den Präsidenten.

Der sprach sich auf einer Neujahrs-party erst einmal für einen neuen politischen Stil in Washington - Sachfragen statt Persönliches - aus. Und schon am folgenden Tag wurde klar, was das bedeutet. Da kündigte Clinton in seiner wöchentlichen Rundfunkansprache eine drastische Erhöhung des Militärbudgets um 110 Milliarden Dollar ab dem Haushaltsjahr 2000 an, verteilt über sechs Jahre.

"Wir müssen diese Anstrengung heute unternehmen, damit unsere Nation auch morgen stark und sicher bleibt", sagte Clinton. Und von seiten der Republikaner und des Militärs wurde der Finanzplan Clintons noch als unzureichend kritisiert.

Das kommt davon, wenn Präsidenten Handlungsfähigkeit und Kompetenz in Sachfragen beweisen wollen, statt sich auf die Bewunderung der Untertanen und die Weisheit der Schamanen zu verlassen.