Lauschangriff in Bagdad

Armer Ritter

Scott Ritter hätte es wissen müssen: Nach erfolgreicher Mission werden Agenten oft zum Abschuß freigegeben. Nun, da es ganz offiziell ist, daß der frühere Nachrichtenoffizier der US-Marine in der Uniform eines UN-Waffenkontrolleurs Abhöreinrichtungen im Irak installierte, um dessen Militär und Sicherheitsdienst zu belauschen, will ihn niemand beauftragt haben. Die US-Regierung nicht, denn die unternimmt ja bekanntlich keine politischen Alleingänge. Und der oberste Waffeninspekteur Richard Butler auch nicht, denn der achtet stets darauf, "daß kein Teil der Unscom-Operationen unter der Kontrolle der USA oder eines anderen unterstützendes Landes steht", wie er sagt.

Und trotzdem kam es irgendwie, daß der im September 1991 von der US-Marine zur Unscom gewechselte Ritter seine Wanzen deponierte, Telefongespräche von irakischem Militär und der Leibwache des Präsidenten Saddam Hussein von den US-Behörden mitgeschnitten wurden und eine Auswertung bei der Unscom landete. Und zwar längst nicht nur bei dem Agenten Ritter - denn der hatte im August den Irak verlassen, weil die Regierung in Bagdad ihn ständig beschuldigte, CIA-Agent zu sein, und die Unscom sich seiner Ansicht nach ständig von Hussein und seinen Gefolgsleuten verarschen ließ -, sondern bei Leuten wie Butler.

Auch Frankreich, Rußland und China, die sich in der Vergangenheit immer sehr um die irakische Souveränität und ihre geschäftlichen und strategischen Verbindungen mit Bagdad sorgten, waren eingeweiht. Im Gegensatz zu Butler gaben sie sich aber keine Mühe, dies zu bestreiten. Frankreich ging gleich in die diplomatische Offensive: Die Überwachung von Waffenfabriken solle demnach künftig nur noch durch Videokameras realisiert werden - alles andere sei für die Regierung in Bagdad sowieso nicht mehr akzeptabel.

Nach Ansicht der USA und Großbritanniens sind die Waffenkontrollen vielleicht ja sogar bald ganz überflüssig, wenn es das Regime von Hussein nicht mehr geben sollte. Aber solange der 61 Jahre alte Hussein in Bagdad das Sagen hat, "handeln wir auf der Basis dessen, was Saddam tut", wie es General Anthony Zinni, Befehlshaber der US-Truppen am Persischen Golf, ausdrückt. Und das bedeutet im Zweifelsfall ein neues Bombardement. Die irakischen Flugplätze seien fällig, wenn der Irak seine Provokationen in den Flugverbotszonen im Norden und Süden des Landes nicht beende. Wie immer ganz ohne zivile Opfer - oder nur mit einigen - oder wenigstens mit nicht ganz so vielen wie im Vietnamkrieg. Neue Waffensysteme machen das möglich, bis jemand das Gegenteil beweist. Zinni jedenfalls ist zuversichtlich: "Wir wissen genau, wer das Machtzentrum stützt und wo wir diese Leute finden."

Wichtige Berater und über 1 600 Soldaten der Hussein-treuen Republikanischen Garde seien bei dem Bombardement Mitte Dezember umgekommen, heißt es zufrieden in Washington. Obwohl die Kongreßabgeordneten vergangenen Donnerstag schon etwas genauer von CIA-Chef George J. Tenet hören wollten, ob die Angriffe Hussein denn nun gestärkt hätten oder nicht.

Arabische Staaten brauchen zur Beantwortung dieser Frage wohl keinen Geheimdienst. Kuwait und Saudi-Arabien setzten sich am Wochenende für den Irak ein - nicht weil, sondern obwohl sie aus Bagdad bedroht worden sind, wie sie betonten. Beide Staaten sind nach einem Beschluß des irakischen Parlaments "feindliche Staaten", weil sie britische und US-amerikanische Soldaten unterbringen. In einer zweiseitigen Resolution der 250 Abgeordneten werden von diesen Ländern sogar Reparationszahlungen gefordert.

Und schon entdeckte der kuwaitische Premierminister Scheich Saad al-Abdullah al-Sabah die Notwendigkeit eines "gemeinsamen arabischen Handelns". Saudi-Arabien will sich im Rat der Golfstaaten und bei den Vereinten Nationen plötzlich für eine Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak einsetzen. In die Waffeninspektoren der Unscom kann die arabische Welt ja auch kein Vertrauen mehr setzen, seitdem sie sich von den USA benutzen ließen.

Den USA bleibt nur noch die Berufung auf "Gerechtigkeit" und "Menschenrechte": Nach den zahlreichen Hinrichtungen von Oppositionellen im November und Dezember berichtete Zinni nun von weiteren Hinrichtungen - insbesondere im Süden Iraks. Und zwar "auch von Zivilisten".