Bananen, Boeings, Handelskriege

Weil die Asienkrise der US-Wirtschaft zu schaffen macht, wird die WTO zum Schlachtfeld der Handelsriesen

Die Banane, halboffizielles Nahrungsmittel zur deutschen Wiedervereinigung vor zehn Jahren, wird auch 1999 Karriere machen: Der seit sechs Jahren andauernde Streit zwischen der Europäischen Union und den USA über die Staudenfrüchte steht kurz davor, zu einem echten Handelskrieg zwischen den Supermächten der Weltwirtschaft zu eskalieren. Die USA werfen der EU vor, den europäischen Markt gegen von Chiquita und Dole produzierte Dollarbananen abzuschotten, und haben deshalb mehrmals erfolgreich vor den Schiedsgerichten der Welthandelsorganisation WTO geklagt.

Auch das neue, seit dem Neujahrstag gültige Reglement der EU für den Import von Bananen befriedigt nicht ausreichend die US-Interessen auf dem weltweit größten Bananenmarkt. Es bevorzugt weiterhin Bananenimporte aus den früheren europäischen Kolonien im asiatisch-pazifischen Raum (AKP-Staaten). Die US-Handelsbeauftragte Charline Barshefski wirft der EU vor, sich nicht an die Vorgaben der WTO zu halten, und droht jetzt brachialer: Wenn es nicht bald zu einer Einigung komme, werde man europäische Exporte in die USA mit Strafzöllen belegen.

Die US-Preise der betroffenen Produkte im Wert von geschätzten 500 Millionen Euro - z.B. Kaschmirpullover, Kekse, Badesalze, Papier, Kaffeemaschinen, Deckenlampen und Bettwäsche - würden sich dann verdoppeln. Die fälligen Umsatzeinbußen würden vor allem zu Lasten britischer, italienischer und französischer Firmen gehen.

Die EU - vertreten durch den Kommissionsvizepräsidenten Sir Leon Brittan - findet das alles "sehr bedauerlich" und läßt sich auf den Machtpoker ein. Die USA sollten sich an die gemeinsam vereinbarten Spielregeln halten und den Bananenstreit vor dem WTO-Schiedsgericht austragen.

Über dessen Statuten ist man sich allerdings uneins. Noch nie in der zweijährigen Geschichte der WTO-Streitschlichtung ist es vorgekommen, daß ein Kläger die Umsetzung eines Schuldspruches durch den Verurteilten anzweifelte - wie im Fall des EU-Bananen-Reglements.

Die USA sehen sich zu einseitigen Sanktionen ermächtigt. Die EU hingegen glaubt, daß nur die WTO selbst entscheiden kann, ob das neue Lizenzverfahren für Bananenimporteure ihren Prinzipien entspricht. Mit der Bevorzugung der von Familienbetrieben hergestellten Bananen aus den AKP-Staaten erfüllt die EU Verpflichtungen aus dem Lomé-Abkommen. Diese entwicklungspolitische Unterstützung könnte auch vor der WTO bestehen, womit vor allem britischen und französischen Fruchtimporteuren gedient wäre.

Klar ist zumindest, daß die Genfer Vereinbarungen zur Deregulierung des weltweiten Waren- und Dienstleistungsverkehrs weder gegen die USA noch gegen die EU erzwungen werden können. Am 12. Januar treffen sich noch einmal die Anwälte unter Aufsicht der WTO. Kommt es nicht zu einem Kompromiß, sollen die US-Strafzölle spätestens am 3. März in Kraft treten. Und über die künftigen Rahmenbedingungen für die Weltwirtschaft darf dann unter völlig neuen Voraussetzungen spekuliert werden.

Auf der WTO-Ministerkonferenz Ende dieses Jahres soll eigentlich eine neue Verhandlungsrunde eingeläutet werden, um weitere Bereiche wie Landwirtschaft, Textilindustrie, Investitionen und Wettbewerbspolitik nach marktwirtschaftlichen Prinzipien zu deregulieren. Auch die Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialpolitik in den Verträgen, die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen und die Aufnahme neuer Mitglieder (vor allem China und Rußland) stehen angeblich auf dem Wunschzettel der Staatschefs. Im Rahmen der Transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft (TEP) wollen sich die Regierungen der EU und der USA - unterstützt von hochrangigen Industrievertretern von beiden Seiten des Ozeans - auf ein gemeinsames Verhandlungskonzept festlegen und damit eine Vorentscheidung über den Inhalt neuer WTO-Vereinbarungen treffen. Angesichts der zahlreichen Streitfälle zwischen den Verhandlungspartnern wird der transatlantische Schulterschluß für ein neues Grundgesetz der Weltwirtschaft vorerst noch ausbleiben.

Die US-Behörden machen sich im Moment nicht nur für Bananenhändler stark. Zu ihren derzeitigen Kunden gehört auch der Flugzeughersteller Boeing. Das Unternehmen mit Absatzschwierigkeiten in Asien fürchtet sich vor der Umwandlung des europäischen Hauptkonkurrenten Airbus in eine Aktiengesellschaft. Die europäischen Eigner könnten die Gelegenheit nutzen, Airbus massenhaft Schulden zu erlassen und damit für den Konkurrenzkampf mit Boeing zu stärken.

Auch für die US-Fleischindustrie erreichten William Clintons Handelsdiplomaten ein WTO-Urteil. Die EU habe keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür erbracht, daß der Verzehr von mit Wachstumshormonen behandelten Tieren gesundheitsschädlich sei. Wenn ihr das nicht bald gelingt, müssen Europas Kühlregale für US-amerikanische Beefsteaks aus Massenproduktion geöffnet werden - oder es wird zu einem weiteren Handelskrieg kommen.

Die Detroit News berichtete am 9. Januar, daß die Schwierigkeiten von US-Unternehmen beim Zugang zum europäischen Binnenmarkt sowie durch Billigprodukte aus Asien und Rußland inzwischen zu einem handfesten Streit im Washingtoner Kabinett geführt haben. Handelsminister William Daley verlangt von Clinton, den Forderungen von Industrie und Gewerkschaften nachzugeben. Unter dem Slogan "Stand up for Steel!" fordert beispielsweise die mächtige Stahlarbeiter-Gewerkschaft Hilfe gegen Billigimporte aus Rußland und Asien. In der Branche wurden im vergangenen Jahr etwa 10 000 Arbeitsplätze abgebaut, die Einfuhren aus Japan stiegen um über 400 Prozent. Da das Angebot einer Steuersenkung für die Stahlunternehmer von den Gewerkschaften abgelehnt wurde, drohte Clinton Japan jetzt mit "spürbaren Maßnahmen", falls es nicht zu einem Rückgang der Stahlimporte kommt.

Clinton hofft, sich so die Unterstützung der Gewerkschaften zu sichern. Seine Rolle als Unterstützer und Reformierer der WTO müßte er dafür allerdings aufgeben. Zölle gegen Stahl aus dem WTO-Mitgliedsland Japan wären ein klarer Verstoß gegen die Genfer Verträge.

Finanzminister Robert Rubin findet, daß die Drohung mit Handelsbarrieren gegen die von der asiatischen Finanzkrise gebeutelten Länder das falsche Signal sei. Neben dem Erhalt US-amerikanischer Arbeitsplätze sei es doch auch ein Ziel der Regierung Clinton, diesen Ländern aus der Patsche zu helfen.

Handelsminister Daley hingegen sieht nicht ein, warum die USA die Rechnung zahlen sollen: "Wir wollen nicht zur Müllhalde für die Produkte der Krisenländer werden."