Trübe Aussichten für EU-Konjunktur

Ex und Hopp

Wie eine Rakete zischte der Euro zu seinem Beginn an den Börsenhimmel. Alle waren höchst zufrieden. Regierungssprecher, Analysten und selbst die Dänen lobten den tollen Start und versprachen dem Euro eine prima Perspektive. Doch mitten in der Jubelfeier ging noch eine andere Bombe hoch: Die Krise der Weltwirtschaft hat Europa eingeholt.

In ihrem neuesten Konjunkturbericht sagte das regierungsnahe Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin für 1999 ein Wachstum von gerade mal 1,4 Prozent voraus - im Herbst prognostizierten die führenden Institute noch 2,3 Prozent. Und nicht nur in Deutschland soll der dezente Aufschwung der letzten Jahre ein jähes Ende haben. Auch in Großbritannien, Frankreich und Italien zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab. "Seit mehreren Monaten sind die wirtschaftlichen Erwartungen im EWU-Raum rückläufig", stellt das DIW dazu trocken fest.

Den Grund dafür sieht das Institut vor allem darin, daß die konjunkturelle Erholung seit 1994 in Deutschland fast ausschließlich vom Export getragen wurde. Jetzt bekommt auch die EU die Einbrüche auf dem Weltmarkt zu spüren: Japan durchläuft die schwerste Rezession seiner Nachkriegsgeschichte, Lateinamerika ist ebenfalls geschwächt, von Rußland ganz zu schweigen. Zwar machen die Ausfuhren des Euro-Raumes in die Krisenregionen nur etwa zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Doch die indirekten Effekte wiegen schwerer. Neben der sinkenden Nachfrage aus Asien, Lateinamerika und Rußland bedeutet dies auch einen schwindenden Absatz in den anderen Industrieländern, wie beispielsweise den USA, deren BIP infolge der schlechteren Exportaussichten nur noch langsam wächst.

Hinzu kommt, daß alle Länder auf eine Forcierung der Exporte setzen, um die Krise zu überwinden. Wenn aber alle sowohl mehr exportieren als auch die Einfuhren drosseln wollen, gibt das zusammen ein Problem: Wer soll die Waren dann noch kaufen?

Das wäre nur möglich, wenn die Binnennachfrage in den Industrieländern kräftig expandieren würde, um die höheren Ausfuhren in der Weltwirtschaft zu absorbieren. Das DIW empfiehlt daher der Bundesregierung eine expansive Geld-, Fiskal- und Lohnpolitik - als Vorbild für eine EU-Konjunkturpolitik.

Aber gerade hier setzt die EU enge Grenzen. Mit dem Stabilitätspakt ist eine Erhöhung der Staatsquote ausgeschlossen - Schulden machen ist also für Lafontaine und seine französischen oder italienischen Kollegen strikt verboten. Erst vor wenigen Tagen hat der deutsche Finanzminister dies bestätigt; der "gefährlichste Mann Europas" (Sun) erklärte brav, daß er sich akribisch an die Vorgaben von Maastricht halten wolle.

Auch eine Zinssenkung ist nicht ohne weiteres möglich - darüber wacht der Chef der Europäischen Zentralbank, Wim Duisenberg, dem zur vollendeten Pflichterfüllung nur noch die Augenbrauen von Waigel fehlen.

Bleiben noch die höheren Löhne. Dafür gibt es zwar gute Gründe; in Deutschland hat der Anteil der Arbeitseinkommen am BIP im vergangenen Jahr den niedrigsten Stand der Nachkriegsgeschichte erreicht. Die Unternehmer dürfte das jedoch wenig scheren. Mit dem gemeinsamen Währungsraum stehen die Euro-Länder in direkter Konkurrenz zueinander, eine Senkung der Lohnstückkosten hat daher für die Betriebe klare Priorität.

Die sozialdemokratischen Regierungen sitzen in der Klemme. Mit den schlechten Konjunkturaussichten wird sich nicht nur der akute Streit um die EU-Ausgleichszahlungen weiter zuspitzen, auch das ehrgeizige Ziel, mit einem Beschäftigungspakt die Arbeitslosigkeit in der EU zu senken, steht damit auf dem Spiel.

Mit dem geringen Wachstum ist dieses Versprechen kaum zu erfüllen. In Deutschland wurde vergangene Woche die Vier-Millionen Marke wieder überschritten. Nur ein saisonbedingter Rückschlag, wie es hieß. Die 20 Millionen europäischen Arbeitslosen wird das kaum beruhigen.