Waffen gegen Minen

In Sierra Leone kämpfen auf beiden Seiten Söldnerfirmen mit - und verdienen nicht schlecht dabei

Die Hauptstadt des westafrikanischen Kleinstaates Sierra Leone, Freetown, ist wieder frei. So interpretieren zumindest Statschef Ahmad Tejan Kabbah und seine nigerianischen Verbündeten die Vertreibung der Rebellen der Revolutionary United Front (Ruf) aus der Hauptstadt ins Hinterland, wo, wenn auch stark abgeschwächt, die Kämpfe, bis heute anhalten.

Schließlich geht es nicht nur um die politische Macht, sondern um die Förderung von Rohstoffen, an der Berufskrieger und Kriegsfinanziers aus aller Welt beteiligt sind. Sierra Leone hat große Diamantvorkommen, verfügt über den zur Aluminiumgewinnung wichtigen Rohstoff Bauxit und war vor dem Bürgerkrieg der weltweit zweitgrößte Lieferant von Rutil, einem Mineral, in dem Titandioxid enthalten ist und das zur Stahlerzeugung verwendet wird.

Besonders die Diamanten haben seit Jahren ausländische Investoren angezogen. Doch bei den Investoren blieb es nicht: Bereits in den fünfziger Jahren engagierte der südafrikanische Diamantenkonzern De Beers in Sierra Leone Söldner, die einen Kleinkrieg anzettelten, bis der Edelsteinhandel unter Kontrolle des De-facto-Monopolisten war.

Seit dem Beginn des Bürgerkrieges 1991 wurden Diamanten überwiegend illegal abgebaut. Damit stieg die Staatsverschuldung, da der Regierung jährlich 220 Millionen Dollar an Devisen verloren gingen. Besonders umkämpft ist immer wieder der Bezirk Kono, mit der Diamantenhauptstadt Koidu, im Osten des Landes. Der Rebellenchef Foday Sankoh ließ, wenn dieses Gebiet wieder einmal von seinen Truppen erobert worden war, dort Diamanten fördern, die in Guinea gegen Waffen eingetauscht wurden. Zudem sollen die Diamanten Sankoh ein stattliches Vermögen auf internationalen Bankkonten eingebracht haben.

Auch um Rutil geht es in Sierra Leone. Die größte Rutilmine der Welt gehört Sierra Rutile Ltd. Die Firma war bis 1995 der größte private Arbeitgeber der Region und erwirtschaftete die Hälfte der staatlichen Exporterlöse, bevor die Ruf im Januar 1995 in das Gebiet vorrückte. Sierra Rutile reagierte: Durch Vermittlung des britischen Waffenhändlers J&S Franklin wurde unmittelbar die Londoner Söldnerfirma Gurkha Security Guards engagiert.

Nach schweren Niederlagen gegen die Ruf folgte auch die Regierung dieser Strategie: Im Mai 1995 wurde der südafrikanische Söldnerkonzern Executive Outcomes (EO) unter Vertrag genommen. EO war nach dem Ende des Apartheidsregimes von ehemaligen Angehörigen der südafrikanischen Armee-Eliteeinheiten gegründet worden. Als Chef fungierte Eeben Barlow, der vorher in London die Auslandsabteilung des ANC bekämpft hatte. Vermittelt wurde der Kontakt von Tony Buckingham, einem ehemaligen Offizier des britischen Special Air Service (SAS). Seine Firma Branch Energy hatte bereits 1993 in Angola mit EO zusammengearbeitet, um Öl- und Diamantengebiete von der Unita zurückzuerobern.

Die südafrikanischen Söldner verlangten 1,2 Millionen Dollar im Monat, die Regierung in Sierra Leone konnte die Summe jedoch nicht ohne weiteres aufbringen. Nach Gerüchten und Zeitungsberichten soll De Beers einen Teil der Gesamtrechnung übernommen haben, um den Schwarzmarkt für Diamanten möglichst klein halten zu können. Ein überraschendes IWF-Umschuldungsprogramm trug ebenfalls zur Finanzierung bei. Vermutlich hat auch Sierra Rutile internationale Kredite aufgenommen, um EO bezahlen zu können.

Hinzu kam noch Branch Energy. Der Firma wurde von der Regierung eine 25-Jahres-Lizenz für Diamantenabbau bei Koidu sowie Schürfrechte für weitere Gold- und Diamantenvorkommen zugesichert: Man gründete einfach 1995 zusammen das Unternehmen Branch Mining, bei dem die Regierung von Sierra Leone 30, Branch Energy 60 Prozent der Anteile hält. Zudem wurde noch EO mit 40 Prozent an Branch Energy beteiligt.

Direkt nach der Ankunft von EO im Mai 1995 wurde die Rückeroberung der Rohstoffgebiete gestartet. Sprecher des südafrikanischen Söldnerkonzerns beteuerten zwar, nur für die Ausbildung der Regierungsstreitkräfte zuständig zu sein. Augenzeugen und Mitarbeiter von EO berichteten hingegen, daß die Söldner direkt an Kämpfen beteiligt waren. Die Firma verfügt über russische Transport- und Kampfhubschrauber, einige kleinere Kampfflugzeuge sowie leichte Schützenpanzer. Die Wartungsarbeiten wurden von russischen und ukrainischen Technikern übernommen.

Nach schweren Niederlagen gegen die Südafrikaner im März 1996 stimmte die Ruf einem Waffenstillstand zu. Die folgenden Friedensgespräche scheiterten allerdings, da die Ruf den Rückzug von EO zur Bedingung für ihre Demobilisierung machte. Nach internationalem Druck gaben die Rebellen diese Forderung zunächst auf, sie wurde dennoch Bestandteil des Friedensabkommens vom November 1995. Erst im Februar 1997 verließ die EO tatsächlich das Land - zumindest offiziell. Doch ein großer Teil der Söldner blieb und fungiert seitdem als "Sicherheitsdienst" für Sierra Rutile, die für diese Aufgabe die EO-Tochter Lifeguard engagierte.

Zum Glück für die damalige Regierung: Nach einem Putsch im Mai 1997 fand der größte Teil von Kabbahs Kabinett in den Baracken von Lifeguard Unterschlupf. Auch als Ecomog-Truppen zur Wiedereinsetzung Kabbahs im März 1998 in Sierra Leone intervenierten, waren Söldner und internationale Finanziers mit von der Partie und beteiligten sich an den Kampfhandlungen.

Branch Energy hatte 1996 mit dem Bergbau-Unternehmer Robert Friedland einen neuen Eigentümer erhalten und war in Diamond Works umbenannt worden. Als neuer Direktor fungierte fortan Michael Grunenberg, vordem Finanzchef der britischen Söldnerfirma Sandline International. Grunenberg hatte bereits 1995 in Sierra Leone den Vertrag zwischen EO und der damaligen Junta ausgehandelt. Auch der Chef von Sandline, der ehemalige britische Oberstleutnant Timothy Spicer, war schon 1997 mit EO-Söldnern in Papua-Neuguinea im Einsatz gewesen.

Obwohl seit Oktober 1997 ein UN-Waffenembargo gegen Sierra Leone bestand, lieferte Sandline 35 Tonnen bulgarische Waffen an die Ecomog und die Regierungstruppen - zumindest Teile der britischen Regierung müssen davon gewußt haben. Wartungsarbeiten an Hubschraubern, mit denen Sandline den Ecomog-Einsatz in Freetown unterstützte, wurden auf britischen Marineschiffen vor der Küste durchgeführt. Die Kosten von 10 Millionen Dollar für den Sandline-Deal übernahm der indische Bankier Rakesh Saxena, der im Gegenzug von Kabbah Diamanten-Schürfrechte im Wert von 150 Millionen Dollar erhielt.

Auch die Ruf hat immer wieder auf internationale Hilfe zurückgegriffen. Portugiesische Söldner sollen Anfang 1997 die Truppen der Ruf und abtrünnige Soldaten aus Guinea trainiert haben, um die Diamantengebiete im Nordosten zurückzuerobern. Zur Zeit wird die Ruf nicht nur von Liberia, sondern auch von Söldnern aus der Ukraine, Mauretanien und Italien unterstützt.

Bedeutender sind jedoch die großen Kriegsdienstleister wie Sandline und EO. Auch in den USA, Frankreich und Israel gibt es ähnliche Firmen, die bei Staaten mit großen Rohstoffvorkommen und geringen Einnahmen immer gefragt sind.

Obwohl internationale Konventionen den Einsatz von Söldnern verbieten, wird mittlerweile auch in westlichen Militärkreisen verstärkt über deren Nutzen nachgedacht. Bei einem Afrika-Symposium, das 1997 vom Pentagon veranstaltet wurde, trafen sich Söldner und potentielle Auftraggeber. Neben Eeben Barlow und Timothy Spicer war auch der Chef der amerikanischen Military Professional Resources Inc. (MPRI) anwesend. Als potentielle Kunden traten Vertreter von Texaco, Exxon, Sierra Rutile sowie Militärattachés mehrerer afrikanischer Staaten auf.

Ob diese Einbindungsstrategie funktioniert, wird sich zeigen. Executive Outcomes haben ihre Firmentätigkeit zum Jahreswechsel eingestellt. Nach Informationen aus Südafrika entziehen sich die Eigentümer auf diesem Weg der politischen Kontrolle - aktiv bleiben sie dennoch.