Castros Euro-Insel

Kubas Außenhandel soll auf die europäische Währung umgestellt werden

Eine riesige Euro-Banknote präsentierte der kubanische Staatschef Fidel Castro Anfang Januar freudestrahlend dem kubanischen Fernsehen. Daß die Einführung der neuen Währung ausgerechnet in Kuba gefeiert wird, mag hierzulande Verwunderung hervorrufen.

Für Dr. Omar Everleny, Vizedirektor des Studienzentrums der kubanischen Wirtschaft, liegt das jedoch klar auf der Hand: "Wir können große Teile unseres Handels jetzt auf den Euro umstellen. Dadurch bleiben uns beträchtliche Wechselkursverluste erspart. Wegen der US-Blockade können wir unseren Handel eben nicht auf US-Dollar-Basis abwickeln. Und nun gibt es mit dem Euro endlich eine Alternative", sagt der Sozialwissenschaftler.

Allein 1998 haben die kubanischen Unternehmen nach Angaben des obersten Verantwortlichen der Regierung für die Wirtschaft, Carlos Lage, rund 260 Millionen US-Dollar durch Wechselkursverluste eingebüßt. Geld, das nun nach und nach eingespart werden soll. In einem ersten Schritt sollen sämtliche im Außenhandel tätigen Unternehmen bis zum 1. Juli ihre Geschäfte mit den Maastricht-Staaten auf Euro-Basis erledigen.

Wenn der Euro dann auch an den Rohwarenbörsen Einzug gehalten hat, sollen auch die wichtigsten kubanischen Exportprodukte - Zucker, Nickel und Zitrusfrüchte; sowie die Importe, allen voran Erdöl - in Euro gehandelt werden. Für den Präsidenten der Zentralbank Kubas, Francisco Sober-n Valdés, ein Hoffnungsschimmer, da Europa sich zum größten Markt für die kubanische Wirtschaft entwickelt hat und der Euro langfristig dem US-Dollar seine führende Position als Welthandelswährung streitig machen könnte.

Ein Hoffnungsschimmer zur rechten Zeit, denn die kubanische Wirtschaft steht nach wie vor auf wackeligen Beinen. Mit 1,2 Prozent Wachstum setze sich der Trend zur Erholung zwar fort, wie Carlos Lage in seiner Rede vor dem Nationalparlament resümierte. Aber diese Quote blieb weit hinter der Prognose von 3,5 Prozent vom Jahresbeginn 1998 zurück. Verantwortlich dafür ist wieder einmal die Zuckerindustrie, deren Ausstoß auf einen historischen Tiefstand absackte. Gerade einmal 3,2 Millionen Tonnen Rohrzucker wurden produziert - knapp ein Viertel weniger als im Vorjahr. 250 Millionen Dollar fehlen gegenüber dem eingeplanten Exporterlös. Damit ist das Produktionsniveau zu Anfang des Jahrhunderts erreicht.

Noch bis zu Beginn der neunziger Jahre waren Ernteerträge um die sieben Millionen Tonnen des süßen Gutes Standard. Seither rutschen die Erträge und damit auch die Einnahmen aus dem Export des klassischen Devisenbringers in den Keller. Everleny sieht dafür unterschiedliche Ursachen: Fehlende Kredite für den Import von Düngemitteln, Pestiziden, Ersatzteilen und Ausrüstungen, aber auch eine Dürre und sintflutartige Regenfälle in einigen Provinzen im vergangenen Jahr. Für ihn ist es außerdem an der Zeit, den gesamten Bereich zu reorganisieren. "Ohne schmerzliche Einschnitte wird dies nicht ablaufen. Viele der Zuckermühlen arbeiten ineffizient, sind veraltet und müßten eigentlich geschlossen werden. Das ist aber nicht so einfach. Damit sind Entlassungen verbunden, und alternative Arbeitsplätze fehlen", sagt der 38jährige. Ein weiteres Problem sei die fehlende Arbeitsmotivation der Landarbeiter. "Die Löhne, die in Kuba gezahlt werden, haben jede Relation zu den Preisen, die auf dem Markt bezahlt werden müssen, verloren", umschreibt Everleny das Dilemma.

Viele Kubaner sind deshalb darauf angewiesen, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen, falls sie nicht Geldsendungen, die sogenannten remesas, von Verwandten aus den USA erhalten. Zwischen 800 Millionen und einer Milliarde US-Dollar pro Jahr fließen nach internationalen Schätzungen auf diesem Wege nach Kuba. Geld, mit dem sich viele Familien über Wasser halten können und das der kubanische Staat über Angebote in den staatlichen Dollarläden abschöpft. Rund 900 Millionen Dollar wurden so im vergangenen Jahr erwirtschaftet.

Damit sind die remesas gleich hinter dem Tourismus zur wichtigsten Devisenquelle geworden. Der brachte im vergangenen Jahr etwas mehr als 1,8 Milliarden US-Dollar in die Kassen. In die Tourismusindustrie drängen denn auch hochqualifizierte Arbeitskräfte. Dort können sie oftmals allein mit dem Trinkgeld eines Tages - in Dollars - mehr verdienen als einen kubanischen Monatslohn.

Für ein "Unding" hält das Everleny, da in vielen Bereichen bereits qualifiziertes Fachpersonal fehlt. Für Ququito, einen 40jährigen Privatlehrer, ist das eine Konsequenz der wirtschaftlichen Situation. "Warum soll ich für 300 Pesos im Monat Englischkurse an der Universität geben, wenn ich diese 300 Pesos mit Privatunterricht in zwei oder drei Tagen verdienen kann?" fragt er.

Angesichts dieser Realitäten geht die kubanische Regierung vermehrt dazu über, Löhne zu erhöhen, zusätzliche Arbeitsanreize in Form von Kleidung, Einkaufsgutscheinen oder, in seltenen Fällen, auch Dollarprämien zu schaffen, um Facharbeiter in Schlüsselindustrien wie der Nickel- oder Tabakindustrie, aber auch in Kraftwerken oder beim Warenumschlag in den wichtigsten Häfen der Insel, bei der Stange zu halten. Doch diese Lohnpolitik kann sich die Regierung keineswegs in allen Branchen leisten - zumal die Weltmarktpreise für Zucker und Nickel im Laufe des vergangenen Jahres drastisch gefallen sind, was zusätzliche Einnahmeausfälle verursachte.

Ein Beispiel für die chronische Unterbezahlung ist Ricardo. Bis vor kurzem arbeitete er noch in einer Spielwarenfabrik und verdiente 148 Pesos monatlich, was hinten und vorne nicht reichte. Nun will er sich als Türsteher in einem Jazzclub versuchen. "Ich hoffe, daß ich die Englischprüfung bestehe. Die ist Voraussetzung, um in einer Einrichtung für Touristen zu arbeiten", sagt der 27jährige. "Dann kann ich legal ein paar Dollars verdienen, ohne die hier nichts läuft."

Für einen US-Dollar muß man in den staatlichen Wechselstuben 21 Pesos bezahlen. Mit den Dollars kann man sich die Mangelprodukte wie Speiseöl, Seife, Zahnpasta oder Kleidung kaufen, die es für Pesos selten oder nur zu überhöhten Preisen gibt. Für Ronaldo eine Tatsache, an die er sich gewöhnt hat. Die Hoffnung auf die Lohnsteigerung, die aus einem wirtschaftlichen Wachstum resultieren könnte, hat er längst begraben. Er will sich selbständig machen, hat aber wenig Lust, sich offiziell als Unternehmer anzumelden. "Dann kommt das Finanzamt und kassiert bis zur Hälfte meines Gewinns, ohe daß etwas für mich getan wird", stöhnt er. Hinzu kommt die abschreckende Wirkung der Steuererhöhungen vom vergangenen Juli, die die Diskussionen, ob der kleine Privatsektor noch lange Bestand haben wird, weiter angeheizt haben.

Viele fahren deshalb zweigleisig, weiß Raœl, ein privater Zimmervermieter: "Ich weiß doch nicht, ob ich in zwei Jahren noch Zimmer an Touristen vermieten kann. Also bleibe ich Staatsangestellter, obwohl ich mein Geld mit der Vermietung verdiene - allerdings auf den Namen meiner Mutter", sagt er achselzuckend. Die Hoffnung auf Verbesserung der wirtschaftlichen Situation hat er längst aufgegeben. Für ihn sind die Appelle der Regierung, effizienter zu arbeiten und die Revolution zu verteidigen, nur gebetsmühlenartige Wiederholungen. Und daran wird auch der Euro nichts ändern.