Die Bundeswehr wird grün

Frieden schaffen mit Angriffswaffen

Ein heimlicher Aufmarsch war es nicht: Das "Prunkstück des Heeres" (taz), der Kampfpanzer Leopard II, wird in dreißigfacher Ausführung im Kosovo aufgefahren. Die erste Beteiligung der Bundeswehr an einer Militärintervention, die der Bundeswehr-Experte Johannes Gertz als "echten, möglicherweise blutigen Kriegseinsatz" bezeichnet hat, läuft dabei so aalglatt an, daß der ehemalige Verteidigungsminister Volker Rühe vor Ärger in der schleswig-holsteinischen Etappe ein Stündchen Strafexerzieren angeordnet haben dürfte. Von einer antimilitaristischen Opposition, die diesen Namen verdient hätte, ist nicht zuletzt dank der Partei des Pazifismus unter den aktuellen Bedingungen nichts mehr zu sehen. Frieden schaffen mit Angriffswaffen, heißt die allseits anerkannte Order der rund dreitausend Bundeswehrsoldaten, die demnächst über den Balkan marschieren sollen.

Bei Joseph Fischer und Antje Vollmer im humanitären Gefechtsstand streitet man höchstens noch über Nuancen. Interveniert die Nato ohne Mandat der Vereinten Nationen, handelt es sich bei dem Einsatz der deutschen Armee nach Ansicht der Verteidigungspolitischen Sprecherin Angelika Beer um einen Teil eines "völkerrechtlich nicht abgesicherten Angriffskrieges". Erteilt die UNO indes der militärischen Drohgebärde ihren Segen, dann paßt, so kündigt die ehemalige Antimilitaristin Beer an, zwischen sie und Verteidigungsminister Scharping "kein Haar mehr". Es sei, so gab die dem linken Flügel zugerechnete Beer unlängst zu Protokoll, "zu einfach, zu sagen: Militär ist blöd, damit will ich nichts zu tun haben". Und Antje Vollmer ist sowieso längst überzeugt, "daß der Friedensprozeß eine gewisse Drohkulisse braucht".

Ihren Parteifreund Joseph Fischer, den Mann, der keine grüne, sondern deutsche Außenpolitik machen will, schert die Frage nach einem Mandat der Uno herzlich wenig: Er befürwortet einen Aufmarsch der deutschen Friedenspanzer notfalls auch ohne völkerrechtliche Grundlage. Den Einsatz von militärischer Gewalt auf dem Territorium anderer Staaten rechtfertigte der ehemalige Straßenkämpfer gegenüber dem TV-Sender Phoenix: "Wir können nicht dasitzen und warten, daß die Gewalt eskaliert." Man dürfe "Bedenken nicht erst nach einer humanitären Katastrophe hintanstellen".

An der Regierung angekommen, werfen die Grünen auch den letzten, nunmehr als überflüssig erkannten ideologischen Ballast ab. Noch vor wenigen Monaten schwadronierten Fischer und Freunde von einer Stärkung internationaler Institutionen, die im Krisenfall regulierend eingreifen sollten. Heute darf die Nato mit der Zustimmung der Grünen, deren sie ohnehin nicht bedürfte, notfalls eigenmächtig intervenieren.

Der Opportunismus ist durchaus begründet: Wer wie Fischer aus der EU "einen starken und durchsetzungsfähigen global player" machen und deren "wachsendes Gewicht auf der Weltbühne zur Geltung bringen" will, der muß sich zunächst dem Prinzip des Mitmachens um jeden Preis verschreiben, um in die Position zu kommen, ähnliches zur Not auch ohne Zustimmung aus Washington in die Wege zu leiten.

"Dabeisein ist alles" gilt also auch im Kosovo. So offensichtlich die Motivation der Linken von gestern ist, so lächerlich ist ihre Behauptung, die Verhältnisse in Jugoslawien ließen keine anderen Lösungsversuche zu. Eindeutige Lagebeurteilungen bundesdeutscher Stellen gibt es zuhauf - und je nach ihrer Zweckbestimmung unterscheiden sie sich diametral. Während am Samstag in Rambouillet das weitere Schicksal des Kosovo verhandelt wurde, urteilte der Verwaltungsgerichtshof Hessen, daß Flüchtlinge aus der Provinz keinen generellen Anspruch auf Asyl in Deutschland haben. Die Lage im Kosovo, so die Richter, habe sich "seit Herbst stabilisiert". Wegen der "mangelnden Verfolgungsdichte" müßten abgeschobene Albaner nicht mit Verfolgung rechnen. Das auf Abwehr von gewaltsamen Abspaltungsbestrebungen der Untergrundorganisation UCK gerichtete Vorgehen der serbischen Sicherheitskräfte sei "dem Grunde nach legitim".

Einem deutschen Gericht zu trauen, würde indes den Tatbestand der groben Fahrlässigkeit erfüllen. Aber vielleicht handelt es sich ja um zwei Seiten derselben Medaille - und die Bundeswehr ist Schilys BGS-Vorhut bei Pristina?