Namensstreit um den FN

Plötzlich heißen alle Front

Auch die zweite Runde im Streit um den Namen "Front National" geht an Bruno Mégret, der gegen Jean-Marie Le Pen erneut mit "Unentschieden" gewinnt. Am Mittwoch vergangener Woche mußte ein Pariser Gericht in zweiter Instanz darüber entscheiden, welche der beiden Parteien, die derzeit um die Führungsposition im französischen Neofaschismus ringen, künftig das Recht hat, den bisher gemeinsamen Parteinamen zu führen. Die Antwort darauf lautet: beide.

Vorläufig jedenfalls. Die Klage des Rumpf-FN unter Le Pen, die darauf zielte, den Mégret-Anhängern auf dem Weg einer einstweiligen Verfügung die Benutzung des Parteinamens zu verbieten, ist auch im zweiten Anlauf gescheitert. Damit hat das Mégret-Lager im Streit um die Legitimität des "wahren" FN zumindest wertvolle Zeit gewonnen, die es ihm erlaubt, als eigenständige politische Strömung unabhängig von der Person Le Pens Fuß zu fassen.

Bereits am 12. Januar hatte das Pariser Zivilgericht eine Eilklage abgewiesen und erklärt, es sei dem Kläger zuzumuten, den Ausgang eines normalen Gerichtsverfahrens abzuwarten. Das aber kann mehrere Monate in Anspruch nehmen, eine erste Anhörung ist für Ende März angesetzt. Im übrigen habe sich die Justiz nicht in innere Parteiangelegenheiten "offenkundig politischer Natur" einzumischen.

Der Rechtsstreit droht kompliziert zu werden, da mittlerweile verschiedene Gruppierungen Ansprüche auf den Namen "Front National" geltend machen wollen: 1985 hatte Le Pen den Parteititel auf seinen Namen eintragen lassen, es jedoch versäumt, die nach zehn Jahren fällige Erneuerung seines Anspruchs beim Nationalen Institut für Patente und Autorenrechte (INPI) anzumelden. Für die Mégret-Anhänger hat Serge Martinez den Titel "FN" am 10. Dezember 1998 beim INPI eintragen lassen. Nur acht Tage nach der Eintragung durch die Mégret-Anhänger - aber bevor die Eintragung am 15. Januar offiziell bekannt wurde - hat die linke Wochen- und Satirezeitung Charlie Hebdo am 18. Dezember 1998 ihrerseits den Namen "Front National" anmelden lassen. Und zwar mit dem Ziel, ihn "der Résistance zurückzugeben".

Hintergrund ist, daß die französische KP im Jahr 1941 eine Résistance-Sammlungsbewegung lanciert hat, der sie den Namen "Front National" (Abkürzung für: Nationale Front für die französische Unabhängigkeit) verlieh, um an den Patriotismus der Arbeiter zu appellieren und ihn gegen die deutschen Besatzer zu richten. Charlie Hebdo hat inzwischen Überlebende aus dieser Résistance-Bewegung ausfindig gemacht, die ihrerseits einen Prozeß anstrengen, um zu beweisen, daß sie den Namen als erste geführt haben. Auf diese Weise soll beiden neofaschistischen Lagern der Titel entzogen werden. Nach dem Vorstoß von Charlie Hebdo mobilisieren die Überlebenden aus dem Widerstand gegen die Nazis, und auch die Zeitung der französischen KP, L'Humanité, hat sich mittlerweile eingeschaltet.

Noch älter allerdings ist die Verwendung des Namens "Nationale Front" durch die reaktionäre Rechte. Unter diesem Titel sammelten sich in den Jahren 1935/36 diverse Parteien gegen die Volksfront, den Front populaire. Damit argumentieren Le Pen und die Rechtsabteilung "seines" FN, um die Ansprüche der Widerstandskämpfer abzuwehren - womit die Rechtsextremen sich zugleich zu ihren profaschistischen Vorläuferbewegungen bekennen, mit denen sie in der Öffentlichkeit bisher nicht in Verbindung gebracht werden wollten.