Kompromiß beim Staatsbürgerrecht

Doppelleben, 23 Jahre lang

Die in den USA hingerichteten Brüder Karl und Walter La Grand könnten, wenn sie noch könnten, ein Lied davon singen, welch immense Nachteile so eine doppelte Staatsbürgerschaft haben kann: Wären die zwei deutschen Bankräuber, denen ein Mord angelastet wurde, schlicht und einfach Deutsche geblieben, ohne gleichzeitig US-Amerikaner zu sein - sie könnten sich womöglich noch heute, irgendwo im vergleichsweise zivilisierten Europa, auf einer Parkbank mit einem Gläschen Sekt auf ihren vom deutschen Konsulat vermittelten und bezahlten Staranwalt anstoßend, an ihren Arizona Dream erinnern. Ein Alptraum zwar, aber wenigstens kein tödlicher.

Damit den in Deutschland lebenden Türken und Kurden im Fall eines Falles Öcalans wahrscheinliches Schicksal - die Todesstrafe in der Türkei - erspart bleibt, hat die gelbrotgrüne Koalition jetzt die Kernpunkte des neuen Staatsbürgerschaftsrechts ausgekungelt. Mit 23 Jahren fängt künftig der Ernst des Lebens für in Deutschland geborene Ausländer an: Willst du Deutscher oder Gastarbeiter sein, Wahlbürger oder unfreiwiliger Nichtwähler, Bouletten- oder Kebabesser? So fragen die Stempler der Ausländerbehörde.

Doch an die Freude, an der deutschen Tafel Platz nehmen zu dürfen, haben die Herren in diesem Lande einige Bedingungen geknüpft; schließlich darf niemand das, was die einen qua Geburt sind, ohne Anstrengung und Arbeit werden: Deutscher. Wer nicht "über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" verfügt, hieß es bereits in Schilys Gesetzentwurf vom 3. März, der ist nicht würdig, einen Plastikausweis aus der Bundesdruckerei zu bekommen. Dies würde sogar die bisherige Einbürgerungsregelung verschärfen, nach der sich die Einbürgerungswilligen nur auf deutsch "verständigen" können mußten. In Schilys Entwurf fand sich noch eine weitere Verschärfung der derzeitigen Einbürgerungsmodalitäten: Deutscher sollte nur werden dürfen, wer keine Sozial- oder Arbeitslosenhilfe bezieht.

So weit ist es nun nicht gekommen. Allerdings wird von denjenigen, die nun mit 23 Jahren oder nach acht Jahren Aufenthalt den deutschen Paß beantragen, verlangt, daß sie sich zum Grundgesetz bekennen und keine Straftaten begangen haben.

Wie nicht anders zu erwarten war, haben sich sowohl die SPD als auch die Grünen von der FDP über den Tisch ziehen lassen. Von deren Zustimmung innerhalb der rheinland-pfälzischen Landesregierung hängt ab, ob das Gesetz durch den Bundesrat kommt. Die dauerhafte Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft ist passé, das Optionsmodell durchgesetzt. Das Denken dahinter: Niemand könne gleichzeitig Diener zweier Herren sein - der Bürger als Knecht des Staates.

Nun soll das Gesetz, das das deutsche Blutsrecht nicht abschafft, sondern lediglich durch Elemente des Bodenrechts ergänzt, bis zur Europawahl im Juni durch Bundestag und Bundesrat gebracht werden. Und dann: Schwamm drüber. Daß mit dem Einknicken der Grünen - der SPD war das Thema ohnehin ziemlich egal - der CDU der Wind aus den Segeln für ihre widerliche Unterschriftensammlung genommen wird, darf getrost bezweifelt werden, weil die ihr Ziel mehr als erreicht hat.

Dennoch liegt das Problem für die Grünen tiefer, als es die parteitaktischen Ränkespiele der vergangenen Wochen erscheinen lassen: So wie Schröder nicht gegen das Kapital, wollen die Grünen nicht gegen das Volk regieren - und sei es noch so nationalistisch.