Gegendarstellung

In der Jungle World vom 3. März 1999 verbreiten Sie auf Seite 30 unter der Überschrift "Die Unterhose als Mantel" über die Tageszeitung junge Welt, den Verlag 8. Mai und mich unzutreffende Tatsachen.

1. Sie behaupten, daß die Aboauflage der jungen Welt laut Eigenangaben bei 14 000 liegen würde und daß die junge Welt bereits 1997 diese Aboauflage gehabt hätte und daß diese Zahl schon damals als existenzgefährdend bezeichnet wurde. Sie behaupten weiterhin, daß "nach anderen Angaben" die Auflage unter 8 000 liegen würde.

Diese Behauptungen sind unwahr. Die junge Welt hat heute eine verkaufte Auflage in Höhe von 14 000 Exemplaren. 1997 lag die Abozahl deutlich darunter. Als existenzgefährdend wurde im Mai 1997 nicht die Auflagenhöhe bezeichnet, sondern der damals ungebremste Verfall des Abobestandes, mit dem noch für das Jahr 1997 das Ende der jungen Welt vorprogrammiert gewesen wäre.

2. Sie zitieren mich in dem Artikel folgendermaßen: "Daß sich die Honorierung dabei nicht an irgendwelchen Tarifen orientiere, sei eine Selbstverständlichkeit, so Koschmieder ..." Diese mir unterstellte Aussage ist frei erfunden. Vielmehr gilt im Verlag 8. Mai GmbH ein Haustarifvertrag, der gemeinsam mit der IG Medien erarbeitet wurde. Er ist verbindliche Grundlage für die Kölner Woche wie für die junge Welt.

3. Sie behaupten weiter: "... Koschmieder, der seinen Berliner Betrieb immer schon mit prekären Beschäftigungsverhältnissen organisiert hat ..." Dies entspricht nicht den Tatsachen. Wahr ist vielmehr, daß im Verlag 8. Mai alle arbeitnehmer- und arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnisse geregelt sind und dem Haustarifvertrag entsprechen. Mit einer Ausnahme: das der Reinigungskraft.

4. Unwahr ist auch die Behauptung, der Verlag 8. Mai GmbH sei "mein Betrieb". Wahr ist vielmehr, daß er mehrheitlich der Genossenschaft LPG junge Welt e. G. gehört.

5. Sie behaupten weiterhin, daß ich die Redaktion im Sommer 1997 brachial von 20 Redaktionsmitgliedern gesäubert hätte, um die Zeitung auf Linie zu bringen. An anderer Stelle sprechen Sie davon, daß ich die Redaktion durch Massenentlassungen auf Linie gebracht hätte. Diese Behauptungen sind unwahr.

Der Streit im Mai/Juni 1997 endete nicht mit Massenentlassungen, sondern mit einer Einigung, die die IG-Medien-Rechtsstelle vermittelte. Sie beinhaltete eine einvernehmliche Lösung für fast alle Beteiligten. Ursache des Konflikts war kein Linienstreit, sondern die Weigerung von Chefredakteur Behnken und anderen, eine von der Mehrheit der Belegschaft gewünschte Veränderung bei den Stellvertretern des Chefredakteurs zu akzeptieren.

6. Sie behaupten außerdem, daß noch heute ehemalige junge Welt-Redakteure vor dem Arbeitsgericht gegen ihren früheren Arbeitgeber prozessieren müßten, damit ausstehende Gehälter gezahlt werden. Diese Behauptung ist unwahr.

Tatsächlich klagen noch die Journalisten Behnken und Dietl gegen den Verlag 8. Mai GmbH, die auf Fixumbasis für die junge Welt gearbeitet haben. Sie klagen allerdings auf nachträgliche Festanstellung und auf ungekündigte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Der Verlag 8. Mai GmbH hat seinerseits Widerklage erhoben und Schadensersatzansprüche geltend gemacht.

7. Sie behaupten in Ihrem Artikel, der "latente Antisemitismus" der jungen Welt hätte "in der Vergangenheit mehrfach zu Protesten jüdischer Organisationen und Einzelpersonen geführt". Diese Behauptungen sind unwahr. Weder ist die junge Welt latent antisemitisch, noch haben uns in der Vergangenheit mehrfach jüdische Organisationen und Einzelpersonen dies unterstellt.

Berlin, den 12. März 1999

Dietmar Koschmieder
Geschäftsführung

Verlag 8. Mai GmbH
Tageszeitung junge Welt

Und Anmerkungen

Nach § 10 des Landespressegesetzes von Berlin sind wir verpflichtet, daß auch andere Medien von "angeblich 14 000 verkauften Exemplaren" (Berliner Zeitung, 11. März 1999) sprechen.

1. Im Mai 1997 hatte die junge Welt exakt 14 026 AbonnentInnen - so Koschmieders Anwälte in einem Schriftsatz vom 27. Mai 1998 an das Arbeitsgericht Berlin. Wenn die junge Welt heute eine verkaufte Auflage von 14 000 angibt, lag die AbonnentInnenzahl 1997 deutlich über der heutigen Zahl, da die verkaufte Auflage immer höher ist als die Abo-Auflage.

Über die tatsächliche Höhe der verkauften Auflage gibt es keine sicheren Zahlen, da die junge Welt diese nicht durch die IVW prüfen läßt. Die Eigenangaben der jW gelten als so wenig verläßlich, Gegendarstellungen unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt abzudrucken.

2. Auf der Pressekonferenz in Köln am 24. Februar hat jW-Geschäftsführer Koschmieder die Frage eines Journalisten, ob nach Regeltarif entlohnt würde, verneint und wörtlich gesagt: "Das wäre auch wirtschaftlich gar nicht verkraftbar." Selbst der junge Welt-Autor Gerhard Klas stellt im Freitag vom 5. März 1999 fest: "Tarifliche Löhne oder Honorare zahlt der Verlag allerdings nicht".

3. Im Mai 1997 hatten von 26 Redaktionsmitgliedern lediglich acht einen Anstellungsvertrag. Seit 1998 existiert beim Verlag 8. Mai GmbH ein "Haustarifvertrag", mit dem die Beschäftigungsverhältnisse untertariflich geregelt sind.

4. Im Februar 1998 hat Koschmieder die Mehrheit an der 8. Mai GmbH an die Linke Presse Verlags- Förderungs- und Beteiligungsgenossenschaft junge Welt e. G. verkauft. Er ist jedoch weiterhin Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter.

5. Um Klagen der Entlassenen zur Feststellung ihres arbeitsrechtlichen Status abzuwehren, hat die junge Welt den Betroffenen 1997 eine einmalige Zahlung von 2 000 Mark angeboten, mit der diese auf alle weiteren Ansprüche gegenüber der jW verzichten mußten. Die meisten Entlassenen nahmen dieses Angebot schließlich an, nachdem sie keine Chance mehr sahen, die gegen die große Mehrheit der Redaktion durchgesetzten inhaltlichen und personellen Veränderungen rückgängig zu machen. Als prekär Beschäftigte besaßen sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, und Koschmieder hatte sein Angebot mit der Drohung auf Schadensersatz verbunden. Unter diesen Umständen kann von einer "Einigung" nicht die Rede sein.

Ursache des Konflikts waren sehr wohl die Forderungen des jW-Geschäftsführers nach einer deutlicheren Orientierung der jungen Welt auf ihre Vergangenheit, auch wenn sich die gewünschte Kurskorrektur hinter einer scheinbar marginalen Personalie verbarg. Im übrigen hat nicht die Mehrheit der Belegschaft von Redaktion und Verlag eine Veränderung in der Chefredaktion gewünscht, sondern, wie eine nachträglich von Koschmieder veranstaltete Abstimmung bewies, 13 von 41 Stimmberechtigten.

6. Die Behauptung Koschmieders, der frühere Chefredakteur und der Leiter des Ressorts Innenpolitik der jungen Welt seien nur "auf Fixumbasis" bei der Zeitung beschäftigt gewesen, ist bereits vom Arbeitsgericht bezweifelt worden. Nachdem Koschmieder einen vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich nicht angenommen hat, fällt eine arbeitsrechtliche Entscheidung im April dieses Jahres. Tatsächlich klagen die beiden Redakteure auch auf die Zahlung ihrer immer noch ausstehenden Gehälter für den Monat Mai 1997.

7. Nach einer "Satire" in der jungen Welt vom 17. Dezember 1998 zu Walser und Bubis mußte die junge Welt, um den Schaden in der Öffentlichkeit zu begrenzen, einen Beitrag der Sprecherin des Jüdischen Kulturvereins Berlin e.V., Irene Runge, abdrucken, in dem es ausdrücklich heißt, daß "Holocaust-Überlebende" den Jüdischen Kulturverein aufgefordert hätten, "gegen einen Beitrag in der Tageszeitung junge Welt zu protestieren, der ihnen nach Tonfall und Wortwahl antisemitisch erschien".

Auch zuvor schon hat die junge Welt den Vorsitzenden des Zentralrats der deutschen Juden, Ignatz Bubis, immer wieder attackiert. Am 22. August 1997 titelte sie beispielsweise: "Ignatz Bubis - Helfer der Degussa?" Die darin enthaltene Unterstellung, ein Opfer des Holocaust habe an der Shoah verdient, ist antisemitisch.