Mit leeren Händen zum Verhandeln

Bogotás Unterhändler Ricardo soll die Gespräche mit der Guerilla wieder ankurbeln

Wiederbelebungsversuche sind angesagt. Seit dem 20. Januar liegen die Friedensverhandlungen zwischen der Farc (Revolutionäre Bewaffnete Streitkräfte Kolumbiens) und der kolumbianischen Regierung auf Eis. Nun hat Präsident Andrés Pastrana seinen Friedensbeauftragten Victor R. Ricardo nach San Vicente del Caguán geschickt, um Schönwetter zu machen.

Am 7. April will sich Ricardo mit drei Sprechern der Farc treffen. Ricardo soll zum einen die Farc davon überzeugen, die Verhandlungen mit der Regierung wieder aufzunehmen, zum anderen ein Vorzeige-Projekt in der entmilitarisierten Zone auf den Weg bringen: die Substituierung des Koka-Anbaus. Keine leichte Mission für Ricardo, denn er muß mit leeren Händen vor die Farc-Sprecher treten. Erfolge bei der Bekämpfung der Paramilitärs, wie von der Farc für die Wiederaufnahme der Verhandlungen gefordert, hat Ricardo nämlich nicht vorzuweisen.

Abzulesen ist das mangelnde Interesse der Regierung, gegen die Paramilitärs vorzugehen, die schon nach offiziellen Angaben zwischen dem 8. Dezember und dem 28. Februar 165 Morde an Zivilisten begangen haben, an den Informationsbulletins der Armee. Demzufolge sind den kolumbianischen Streitkräften (FAC) seit Jahresbeginn bei ihren Offensiven 23 der sogenannten Autodefensas ins Netz gegangen - vier weitere wurden im Laufe der Auseinandersetzungen erschossen. Ganz anders sieht die Bilanz der Guerilla-Verfolgung aus. So wurden seither nicht weniger als 83 Farc-Guerilleros und 31 von der ELN (Nationales Befreiungsheer) gefangengenommen und weitere 230 bis 300 Kämpfer der beiden größten Guerillaorganisationen des Landes in den Offensiven der Armee getötet.

Größere Aktionen, wie die beiden Offensiven "Eclipse Negro" und "Leopardo" gegen die Guerilla, hat die FAC gegen die Paramilitärs nicht durchgeführt - trotz der Massaker, die diese Anfang Januar zum Auftakt der Friedensverhandlungen in mehreren Regionen des Landes veranstalteten. Zwar bestreitet Teniente-Corporal Paulino Coronado G‡mez, verantwortlich für die neu eröffnete Nachrichtenagentur der Armee, daß die FAC auf einem Auge blind ist; andererseits kann er wenig präsentieren, das diesen Eindruck widerlegt. Allgemein ist bekannt, wo sich die Zentrale der Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) befindet, deren Chef Carlos Castaño stellt sich gerne Journalisten zum Interview. Und so kann Coronado nicht erklären, weshalb weder Armee noch Polizei den Verantwortlichen für zahlreiche Massaker verhaften zu können.

"Auch Manuel Marulanda - den historischen Chef der Farc - haben wir noch nicht festnehmen können", versucht Coronado abzuwiegeln und legt damit nahe, daß für ihn Guerilla und Paras ohnehin gleichzusetzen sind, "da sie das Gewaltmonopol des Staates torpedieren". Daß die Armee einiges zum Entstehen der Paramilitärs beigetragen hat und noch in jüngster Zeit mit ihnen paktiert hat, wie im amnesty international-Bericht von 1998 ebenso nachzulesen ist wie in den Berichten von Human Rights Watch, hört er gar nicht gern.

Sein Job ist es schließlich, das Image der Streitkräfte aufzupolieren. Und das läßt sich die Armee einiges kosten: nagelneue Büroräume, Personal im Überfluß, modernes Equipment und "rund 200 Korrespondenten landesweit - in den Kasernen".

Nahezu täglich werden die Journalisten in der Hauptstadt mit Informationen aus der FAC-Zentrale bombardiert, und vieles wird unkommentiert abgedruckt. Allzu selten werden die Meldungen, wie im Falle der jüngsten Ente der FAC, überprüft. Nach Angaben des Hauses Coronado, so hieß es kürzlich, habe die Zahl der Schüler in der entmilitarisierten Zone um durchschnittlich 40 Prozent abgenommen, da die Farc Jugendliche rekrutiere bzw. in ihre Organisation zwinge. Allerdings stellte sich durch Nachfrage des Espectador bei den zuständigen Behörden heraus, daß die Zahl der Schüler von 1998 bis 1999 um rund 800 gestiegen ist.

Doch im großen und ganzen funktioniert die Medienoffensive der Armee erschreckend gut. Dazu haben nicht nur die militärischen Erfolge beigetragen, die ihr nach den Niederlagen gegen die Farc in Las Delicias und Patascoy kaum mehr jemand zugetraut hatte, sondern auch die Ermordung von drei US-amerikanischen Indigena-Unterstützern durch die Farc.

Seitdem befindet sich die Farc in der Defensive. Sie hat insbesondere auf internationaler Ebene an Image eingebüßt. Maßgeblich daran beteiligt sind die USA, die auf die Auslieferung der Mörder ihrer Staatsangehörigen drängen und denen Kolumbien insoweit entgegenkommt, daß mittlerweile ein Haftbefehl gegen Germán Briceño Suárez, alias Comandante Grannobles, vorliegt. Der Oberbefehlshaber dreier Frentes und Bruder des zweiten Mannes der Farc soll den Befehl für die Ermordung der US-Amerikaner gegeben haben - doch Beweise gegen ihn außer Tonbandaufzeichnungen der Gespräche zwischen ihm und dem lokalen Comandante Gildardo gibt es dafür nicht, und derartige Aufnahmen sind auch zu manipulieren.

Weniger stark unter Druck befindet sich die wesentlich kleinere ELN. Nachdem ihre Gespräche mit der Regierung gescheitert schienen, hat sie Mitte März der Verlagerung der Gespräche ins Ausland zugestimmt. Zahlreiche europäische Staaten, u.a. Deutschland, Holland und die Schweiz, aber auch Venezuela hatten sich als Verhandlungsort angeboten.

Sollte es zur Wiederaufnahme der Verhandlungen vor dem 20. April kommen, wäre dies ein Erfolg der Regierung Pastrana, die, ohne der Farc in Sachen Paramilitärs entgegengekommen zu sein, in die nächste Runde der Gespräche einziehen würde. Das wäre ganz nach dem Geschmack der kolumbianischen Geschäftswelt. Die hatte in einer Meinungsumfrage im Februar zu verstehen gegeben, daß sie den Frieden zwar wünsche, daß er aber nichts kosten dürfe.