Regierung im Streik

Um den Friedensprozeß im Baskenland voranzubringen, formiert sich eine nationalistische Front gegen die spanische Regierung

Vermummt, mit einer Baskenmütze auf dem Kopf, auf der Jacke ein Abzeichen der Eta und im Hintergrund eine baskische Flagge. So präsentierten sich zwei Mitglieder der bewaffneten Separatistengruppe Eta in einem TV-Programm. Einem baskischen natürlich: Der öffentliche baskische Fernsehsender Euskal Telebista (ETB) strahlte am Montag vergangener Woche das Interview der beiden Maskierten aus.

Und die hatten den rund 200 000 Zuschauern, die sich die mediale Inszenierung der Baskentruppe anschauten, vor allem eines mitzuteilen: Daß es die Eta noch gibt. Und daß sie potentiell einsatzbereit ist. So oder so. "Gleich morgen", erzählten die beiden Vermummten dem interessierten baskischen Publikum, werde die militante Organisation sich mit der spanischen Regierung an einen Tisch setzen, um über den zukünftigen politischen Status des Baskenlandes zu diskutieren. Eine "ausgestreckte Hand" der Eta erwarte den konservativen spanischen Ministerpräsidenten José Mar'a Aznar. Aber wenn der Regierungschef nicht wolle, können die beiden Vermummten auch anders - verbal zumindest: "Gewalt ist eine zulässige Methode des baskischen Widerstandes", und deswegen werde die Eta sich diese Option offen halten, bis eine Lösung für den "baskischen Konflikt" gefunden sei.

Ihren unbefristeten und einseitigen Waffenstillstand - gültig seit dem 16. September des vergangenen Jahres - will die Eta jedoch zunächst aufrecht erhalten. Dabei gesteht mittlerweile selbst das solidarische Umfeld der baskischen Nationalisten, das sich gewöhnlich in der propagandistischen Demonstration eigener Stärke gefällt, offen die Schwäche des bewaffneten Separatismus ein. Im Euskal Herria Journal wird beispielsweise beklagt, die spanische und die französische Regierung würden die Separatistengruppen erledigen. Allein im März sind durch Anti-Eta-Aktionen in beiden Staaten 20 Personen festgenommen worden, darunter insbesondere mutmaßliche Mitglieder des "comando Donosti", das als gefährlichstes und eines der wenigen noch schlagkräftigen Kommandos der Eta gilt.

Bewaffnete Aktionen sind aber weder die Stärke noch das aktuelle Programm der "Linksnationalisten". Denn im Vordergrund steht derzeit der nationale Schulterschluß mit all jenen, die sich für die Unabhängigkeit der Region von der spanischen Zentralverwaltung einsetzen. Und das sind nicht wenige. Selbst die baskische Regierung, eine Minderheitskoalition aus der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) und der Baskischen Solidaritätspartei (EA), gehört dazu.

Prinzipiell sind sich die Regierung ohne Staat und die Armee ohne Staat in ihrer Forderung nach nationaler Souveränität zwar durchaus einig, aber Verstimmungen gibt es doch. Josu Jon Imaz, der baskische Regierungssprechers zeigte sich in der vergangenen Woche auch nicht besonders begeistert über den telegenen Auftritt der beiden Eta-Männer. Als "ungenügend" bezeichnete er ihre Ausführungen zum Gewaltverzicht. Denn seit der Waffenstillstandserklärung hat es zwar keine Erschießungsaktionen gegen spanische Politiker, Polizisten, Richter oder Staatsanwälte mehr gegeben, die sogenannte "kale borroka" - Straßenschlachten und kleinere Anschläge - hat aber hingegen kein Ende gefunden. Molotow-Cocktails und leichte Sprengsätze werden nach wie vor Woche für Woche aus dem Baskenland gemeldet - am vergangenen Mittwoch traf es beispielsweise einen spanischen Radiosender in Vitoria, der Hauptstadt der baskischen Region.

Auf die "kale borroka", so beteuerten die beiden Eta-Mitglieder im ETB-Interview zwar, habe die Organisation keinerlei Einfluß, für Imaz ist dies aber unglaubwürdig und unakzeptabel. Aber in der spanischen Presse berichtete man, in diesem Punkte könnte zwischen den bewaffneten und den parlamentarischen Separatisten bald eine Einigung erfolgen. Die "linkspatriotische" und der Eta nahe stehende Herri Batasuna, so meldete vergangene Woche die Tageszeitung Diario 16, hätte in Gesprächen mit PNV und EA einen solchen absoluten Gewaltverzicht bereits angekündigt. Und die in Barcelona erscheinende konservative La Vanguardia behauptete, Eta würde den Nationalfeiertag Aberri Eguna (Tag des baskischen Vaterlandes) am vergangenen Sonntag dafür nutzen.

Angeboten hätte sich das in der Tat, präsentierte sich die Regierungsparteien und die Wahlkoalition Euskal Herritarrok (EH) - an der unter anderem HB beteiligt ist - einig wie nie zuvor und veranstalteten gemeinsam eine Reihe von Feierlichkeiten. Am kommenden Wochenende soll diese Zusammenarbeit des nationalistischen Spektrums von konservativ bis "linkspatriotisch" sogleich wiederholt werden. Für Samstag mobilisiert man gemeinsam zu einer Demonstration gegen die Regierung in Madrid. Denn das Kabinett Aznar, so ist man sich im Baskenland einig, habe auf die Vorschläge zur friedlichen Lösung des Konfliktes nach dem Vorbild Nordirlands bisher nicht reagiert. Weder nach der "Erklärung von Estella", in der sich nationalistische Parteien und Organisationen sowie die Vereinigten Linken auf die Notwendigkeit eines diplomatischen Weges zur baskischen Eigenständigkeit verständigten (Jungle World, Nr. 39/98), noch nach dem Waffenstillstand der Eta habe sich die Regierung um einen Dialog bemüht.

Der gemeinsamen Demonstration soll deswegen am kommenden Montag ein eintägiger Generalstreik folgen. Für den EH-Sprecher Arnaldo Otegi ist das die "effektivste und überzeugendste Antwort" auf "die Agression, die unser Land erleidet". Die Regierung in Madrid findet es hinbgegen "skandalös", daß die baskischen Regierungsparteien mit dem "linkspatriotischen" Eta-Umfeld gegen Aznar und seine Minister mobilisieren. Als "kleine baskische Männchen, die mit Terroristen spielen" und mit ihnen "Händchen halten" bezeichnete daher Carmelo Barrio, Generalsekretär der konservativen Aznar-Partei Partido Popular, die Politiker der PNV.

Mit Vorwürfen spart man allerdings auch in Vitoria nicht. In ihrer Erklärung zum Nationalfeiertag Aberri Eguna bemängelt die PNV, in Spanien "degeneriert der Rechtsstaat Tag für Tag zunehmend". Die Exekutive dominiere die anderen Gewalten - "vor allem die Judikative". Die baskische Situation wird in dem 14seitigen Dokument außerdem verglichen mit der "Tragödie des Kosovo oder von Kurdistan".

Und deswegen appelliert man im Baskenland an die "Weltgemeinschaft". Mit den Stimmen von PNV, EA und EH forderte das baskische Parlament bereits eine Entsendung von UN-Beobachtern, die den Friedensprozeß und die Menschenrechtssituation überwachen sollen.

Die Nato scheidet als "Gerechtigkeitsgarant" für die unterdrückten Basken jedoch aus. Schließlich ist Spanien Mitgliedsland des Militärpaktes.