Making a Difference

Die New York Yankees stehen zu Beginn der Baseball-Saison in den USA wieder ganz vorne

Einer der wenigen gelungenen Versuche, die Bedeutung, die der Baseball in den USA hat, auf hiesige Verhältnisse zu übertragen, gelang dem taz-Journalisten Thomas Winkler, als er die Relevanz des Rekordes von 70 Home-Runs in einer Saison, den im letzten Jahr Mark McGwire von den St. Louis Cardinals aufstellte, so beschrieb: "Gerd Müller. 1971/72. 40. Was sagt uns das?"

Alle anderen Versuche funktionieren nicht, wie es überhaupt im deutschen Kulturraum kaum jemand geschafft hat, den Sport als das darzustellen, was er ist. Wenn beispielsweise Herbert Grönemeyer singt, der VfL Bochum mache mit seinem Doppelpaß "alle Gegner naß", dann reimt sich das zwar, die Phrase "jemanden naßmachen" ist jedoch eine etwas veraltete Sportsprache. Und mit der Spielweise des VfL Bochum hat das Ganze überhaupt nichts zu tun - dem Fußball wird Grönemeyer damit nicht gerecht. Das gilt auch, wenn jemand dichtete: "Wo bist du gewesen, Max Schmeling? Eine Nation richtet ihre einsamen Augen auf dich", eine solche Liedzeile würde zu Recht ungehört verhallen.

Anders ist es aber, wenn es heißt: "Where have you gone, Joe DiMaggio? / A nation turns its lonely eyes to you / What's that you say Mrs. Robinson / Joltin' Joe has left and gone away." Diese Zeilen sind aus dem Song "Mrs. Robinson" von Simon and Garfunkel. Paul Simon war es auch, der auf der Kommentarseite der New York Times den Nachruf auf den am 8. März 1999 verstorbenen Joe DiMaggio schreiben durfte. Im Sportteil der Zeitungen erschienen aus diesem Anlaß sieben Beiträge über das Leben des Sporthelden. Sie waren u.a. übertitelt mit: "His Privacy, Pride, Ego and Dignity", "DiMaggio Left a Mark in the Sands", "DiMaggio's 56: A Streak for the Ages", "Contemporaries Remember Him as the Best Baseball Had to Offer" und "Coast Friends Recall DiMaggio as a Loner".

In seinem Nachruf schreibt Paul Simon, man habe ihm erzählt, DiMaggio sei über seinen Song verärgert. In einem Restaurant trafen sich die beiden später einmal zufällig: "Ich ging hin und stellte mich als der Komponist vor. Ich hätte nicht beunruhigt sein müssen. Er war sehr freundlich und lud mich ein, mich zu ihm zu setzen, worauf wir uns sofort über das einzige Thema unterhielten, das wir beide gemeinsam haben. 'Was ich nicht verstehe', sagte er, 'ist, warum Sie damals fragten, wo ich hingegangen sei. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt einen Werbevertrag mit einer Kaffeefirma, ich bin weiterhin der Sprecher der Bowery Savings Bank - ich war also nirgendwo hingegangen.' Ich antwortete, die Zeilen seien nicht wörtlich gemeint, ich sähe ihn als einen American Hero an; echte Helden seien halt selten. Er akzeptierte diese Erklärung und dankte mir. Wir gaben uns die Hände und wünschten uns gegenseitig einen schönen Abend."

Die New York Yankees, das Team von Joe DiMaggio, des Ex-Ehemanns von Marilyn Monroe, mit dem er berühmt wurde und dem er seinen Spitznamen "The Yankee Clipper" verdankt, wurde wenige Monate vor seinem Tod noch Gewinner der World Series. Mit dem, wie die Fachpresse schrieb, besten Team der Baseball-Geschichte. Der Besitzer der Yankees, der egozentrische Millionär George Steinbrenner, erklärte damals, der Titel sei auch für den schon damals im Krankenhaus liegenden DiMaggio herausgespielt worden. "Wir wollten für Joe und Darryl siegen", erklärte Steinbrenner, und verwies auch auf den an Dickdarmkrebs erkrankten Außenfeldspieler Darryl Strawberry, "das ist das Motto der Yankee-Familie: einer für alle, alle für einen".

Dieser Darryl Strawberry wurde in der vergangenen Woche wegen Drogenbesitzes und Anstiftung zur Prostitution verhaftet. Die Krebserkrankung hatte er überwunden, und mit der Unterstützung von George Steinbrenner blieb er auch im Team. Während vor wenigen Wochen die neue Saison begann, holte Darryl Strawberry im Minor-League-Camp der Yankees in Tampa, Florida, seinen Trainingsrückstand auf. Dort sprach er eine Undercover-Agentin der Polizei an und bot ihr 50 Dollar für Sex, bei einer Untersuchung wurden 0,3 Gramm Kokain, eingewickelt in einen 20-Dollar-Schein, gefunden. Wenn der 37jährige Strawberry Pech hat, könnte diese Aktion das Ende seiner Karriere bedeuten, aber noch hält George Steinbrenner zu ihm.

Darryl Strawberrys Bedeutung ist mit der eines Joe DiMaggio nicht zu vergleichen. Aber Strawberry gehörte, zumindest zu Beginn der Saison, zu dem Team der New York Yankees, das 1998 mit 125 Siegen die World Series geholt hatte, das Team, das ohne die ganz großen Stars den besten denkbaren Baseball bot. Und das sich durchsetzte gegen Stars wie St. Louis' Mark McGwire mit seinem sagenhaften Home-Run-Rekord, dicht gefolgt von Sammy Sosa von den Chicago Cubs, der die Saison mit 66 Home-Runs abschloß. Gegen diese sensationellen Könner setzten sich die Yankees als Kollektiv durch. Das war von Joe Torre, dem Chefcoach, der zu Beginn dieser Saison an Prostatakrebs erkrankte und seither aussetzen muß, zusammengestellt worden. Ersetzt wird der Trainer übergangsweise durch Don Zimmer, von dem die Washington Post vermutet, er habe in seiner 51. Baseball-Saison vielleicht schon zu viele Dekaden bei Clubs verbracht, in denen er gezwungen war, die Yankees zu hassen.

Bislang ist der Club jedoch gut in die Saison gestartet, man führt in der American League, Eastern Division, die Tabelle an. Ein Heimspiel im legendären Yankee-Stadion aber verlor das Team mit 7:9 gegen die Baltimore Orioles. Diese wiederum sind eigentlich in einer tiefen sportlichen Krise. Millionen wurden in den Verein gepumpt, aber bislang kamen auf einen Sieg zwei Niederlagen. Die Washington Post prognostiziert, daß "dieses Team, so groß die Gehaltsliste an Spielern auch sein mag, keine realistische Chance für die World Series hat". Gegen exakt diese Orioles verloren die Yankees also, und diese Niederlage hat einen besonders schmerzlichen Aspekt.

Die Orioles waren im März dieses Jahres das erste US-Profi-Baseballteam, das in Havanna gegen die kubanische Nationalmannschaft antrat. Und die Orioles gewannen dieses symbolträchtige Spiel, bei dem alle Spieler von Fidel Castro persönlich begrüßt wurden, mit 3:2.

In einem theoretischen Quervergleich verloren die Yankees in ihrem legendären Stadion in der New Yorker Bronx also gegen die Kuba-Bezwinger. Doch eine solche Bedeutung will man dem in New York genausowenig beimessen wie die US-Regierung. Daß es eine neue Phase der Beziehungen zwischen Kuba und den USA einleiten wird, glauben lediglich die kubanische Regierung und die überwiegend in Miami lebenden Exil-Kubaner. Letztere zogen im Miami Herald Vergleiche zur Ping-Pong-Politik, die die USA 1971 betrieben, als sie ein Tischtennis-Team in die Volksrepublik China entsandten, um so diplomatische Kontakte vorzubereiten. 1975 gab es ähnliche Pläne vom damaligen Außenminister Henry Kissinger, mit Baseball "das Eis in den Beziehungen mit Kuba zu brechen". Dazu kam es damals nicht, und heute wollen die Exil-Kubaner so etwas auch verhindern.

Ganz andere Erinnerungen offenbarte hingegen Fidel Castro bei dem Gastspiel der Orioles. "Er erzählte mir, daß Havanna schon immer eine gute Baseball-Stadt war", berichtete Orioles-Chefcoach Ray Miller über seine Unterredung mit Castro. Der wiederum hat damit, vielleicht unfreiwillig, an eine andere Tradition der Major League Baseball erinnert, eine, die viel mit Joe DiMaggio und dem Kult um den großen Baseball der frühen Jahre zu tun hat.

In Hemingways "Der alte Mann und das Meer" berichtet der alte Mann dem Jungen, der bei ihm das Fischen lernt, von den Winterquartieren, die die Baseballprofis aus Kuba abhielten, um sich ein paar Dollar mehr zu verdienen. Kuba war damals selbst im Sport faktisch eine Kolonie der Vereinigten Staaten. Im Puff von Miami wurde auch Baseball gespielt, und wie groß die Begeisterung war, beschreibt Hemingway: "'Erzähl mir vom Baseball', fragte ihn der Junge. 'In der American League sind das die Yankees, wie ich schon mal sagte', erzählte der alte Mann glücklich. 'Sie haben heute verloren', sagte der Junge. 'Das hat nichts zu bedeuten. Der große DiMaggio ist wieder der alte.' 'Sie haben noch andere Spieler im Team.' 'Natürlich. But he makes the difference.'"