Bodentruppen für das Kosovo

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Der Luftkrieg gegen Jugoslawien entwickelt sich auch in der letzten Woche prächtig. Beinahe jeden Tag meldete das Nato-Hauptquartier in Brüssel, die Angriffe der vergangenen Nacht seien jeweils die "schwersten Luftschläge seit Beginn des Krieges gewesen".

Das westliche Verteidigungsbündnis scheint sich nun vor allem darauf zu konzentrieren, die Treibstofflager des Landes in die Luft zu jagen. Damit hoffen die Militärstrategen, der jugoslawischen Armee ernsthafte Mobilitätsprobleme zu bereiten. Doch diese Strategie ist mit einigen Fehlern behaftet: Selbst der Nato liegen Informationen vor, wonach die Treibstoffvorräte der jugoslawischen Armee sich in unterirdischen Depots befinden. Außerdem scheint der Angriff auf die Raffinerien eher ein Armutszeugnis für die Entschlossenheit des Bündnisses zu sein: Unter allen Umständen möchte man verhindern, daß etwa die vielgelobten Apache-Hubschrauber direkt im Kosovo jugoslawische Einheiten angreifen und eventuell selbst in Gefahr geraten.

Nicht ganz passend zur noblen Zurückhaltung der Nato sind die Hinweise auf die Aufstellung einer Bodentruppe für den Kosovo-Einsatz: In den USA wurden 33 000 Reservisten einberufen und medizinisch auf ihre Kriegstauglichkeit untersucht. Die jugoslawische Regierung hat inzwischen den US-Amerikanern vorgeworfen, neben Bomben auch Flugblätter abzuwerfen, auf denen die Bevölkerung vor dem Einsatz von Bodentruppen gewarnt wird.

Selbst Nato-Generalsekretär Javier Solana meinte letzte Woche, derzeit wolle man die militärische Strategie nicht ändern, aber zum gegebenen Zeitpunkt sei auch der Einsatz von Bodentruppen nicht ausgeschlossen. Wenn der Einsatz nötig sei, sagte Solana gegenüber der britischen BBC, sei er "sicher, daß alle Nato-Mitglieder bereit wären, es zu tun".

Auch der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hielt sich in einem Interview mit dem US-Nachrichtenmagazin Newsweek die Zustimmung zu dem Landkrieg offen: "Die Nato muß diesen militärischen Konflikt gewinnen. Wir dürfen es Milosevic nicht erlauben zu gewinnen." Er wies dabei auch die Ansicht zurück, daß der SPD-Parteitag "strikt die Entsendung von Bodentruppen verboten hat".

Wie der britische Observer berichtete, sind die Vorbereitungen für einen entsprechenden Einsatz schon weit gediehen. 80 000 Nato-Soldaten seien für die Offensive vorgesehen, die Ende Mai beginnen könnte. Geplant sei ein Vorstoß in das Zentrum des Kosovo mit Panzern und Artillerie. US-Soldaten trainierten in Colorado bereits für den Einmarsch, schreibt die Zeitung.

In Albanien werden inzwischen Truppen konzentriert - angeblich wegen humanitären Hilfe für die Flüchtlinge. Damit wird auch Albanien immer mehr in den Krieg involviert: Um die zunehmenden Angriffe der UCK von albanischem Gebiet zu unterbinden, besetzte die jugoslawische Armee in der Vorwoche den Grenzposten von Kamenice.

Während die Nato immer wieder betonte, wie wichtig die Vermeidung ziviler Opfer sei, passierten in der vergangenen Woche zwei folgenschwere Irrtümer bei der Zielauswahl der Bomben: In Novi Sad wurde eine Brücke bombardiert, auf der sich zu dem Zeitpunkt ein internationaler Zug nach Griechenland befand. Nach jugoslawischen Angaben wurden bei dem Angriff zehn Menschen getötet und mehrere Dutzend verletzt. Zwar bedauerte die Nato den Zwischenfall und meinte, dies sei ein Irrtum gewesen, weil der Pilot zu spät den Zug auf der Brücke gesehen habe. Doch es gibt Zweifel an dieser Version: Der britische Nachrichtensender Sky News behauptete, der Pilot habe trotz Identifizierung des Zuges die Bombe abgeworfen.

Folgenschwer war auch die Bombardierung eines Flüchtlingstrecks durch die Nato. Zwei Tage lang weigerte sich das Militärbündnis, diese Bombardierung zuzugeben und beschuldigte Jugoslawien.

Beide Zwischenfälle haben die Diskussion um den Sinn der Nato-Luftangriffe angeheizt. Inzwischen wendet sich auch die handlungsunfähige Uno gegen die Luftangriffe. Der UN-Beauftragte für Menschenrechte auf dem Balkan, Jiri Dienstbier, forderte eine sofortige Einstellung der Angriffe, weil diese die humanitäre Katastrophe noch verschärfen würden. Bald aber könnte die humanitäre Katastrophe ein vorläufiges Ende finden: Zwei Drittel der Kosovo-Albaner sind bereits aus der serbischen Provinz geflohen.