Schallplatten, die keiner bestellt hat

Total tierlieb

Tierlieb-Sein ist wichtig. Gerade jetzt, wo Krieg ist. Als es damit losging, sagte der Direktor des Belgrader Zoos noch, daß man alle gefährlichen Tiere erschießen müsse, wenn die Nato die jugoslawische Hauptstadt angreift, damit sie nicht wie wild in der Stadt herumrennen (wie in der Eingangssequenz zu Emir Kusturicas "Underground"). Inzwischen hat man sich allerdings an das Gebombe gewöhnt. Vermutlich auch deshalb wird auf dem Balkan ein falscher Krieg geführt.

Aber so etwas interessiert natürlich Mr. Oizo nicht. Er macht mit niedlichen Tierpuppen für sich Werbung. Oder andersrum: Die Firma macht mit seiner Musik und den niedlichen Tierpuppen für sich Werbung, und zwar für Jeanshosen und das ganze Zubehör. Bei dem Video "Flat Beat", das wir jetzt täglich auf MTV sehen können, sieht es allerdings eher danach aus, als ob Knuddeltier Eric - eine Mischung aus Tigerente und Grobi - die Leitung des Unternehmens längst selbst übernommen hätte: Er räkelt sich am Schreibtisch, bedient eine extrem komplizierte Telefonanlage, fummelt am Computer herum und unterschreibt alle Dokumente, die seine Sekretärin ihm bringt, mit verschiedenen Namen.

Ganz am Rande geht es hier aber auch um Musik. Eric versucht ununterbrochen, sie seinen Telefonpartnern schmackhaft zu machen: Telefonhörer an die Bürolautsprecher und Wipp-Wipp zum Groove der Textilindustrie. Dabei ist das, was man hört, eigentlich völlig stumpf: langgezogene, übersteuerte Bässe, die man hierzulande vermutlich als "extrem phatt" einordnen würde, und darum herum noch ein wenig Gewusel, von dem man meint, daß es dazugehören müsse.

Aber das nur nebenbei, eigentlich geht es hier um Marketing. Wenn selbst eine popelige westdeutsche Provinzband mit dem kruden Namen Bananafishbones sich via C&A-Sponsering als Chartbreaker etablieren konnte, warum nicht auch der französische Untergrund? Eine blöde Frage. Trotzdem wirkt die Musik von Mr. Oizo eher sperrig als verkaufsanregend. Das Bindeglied zwischen Kultur und Kommerz macht in diesem Fall das Schmusetier. Und Eric tut wirklich sein Bestes, um CD und Hose an den Käufer zu bringen. Im Werbespot läßt er sich sogar minutenlang von der Polizei jagen, nur um dem freundlichen Beamten kurze Zeit später einen Kofferraum voller frisch gebügelter Levi's-Produkte zu präsentieren.

Wenn nicht auch in meinem Bett ein Kuscheltier sein Unwesen treiben würde, ich würde stutzig werden. Aber man kennt das ja: Scheinbar arglos liegt es neben einem und hat doch längst ganz andere Pläne im Kopf. Meine Robbe zum Beispiel ist morgens nie da, wo sie abends losgerobbt ist. Hat sie zwischendurch Verhandlungen mit Oberbekleidungsherstellern geführt? Spielt sie nebenbei in Pop-Videos mit? Plant sie eine Solidaritätsdemonstration vor dem Belgrader Zoo? - Sie wird es mir vermutlich nie erzählen.

Eric genießt es derweil, in seinem Chefsessel zu sitzen. Er dankt seinem Schöpfer Jim Henson, fühlt sich im von Quentin Dupieux hergestellten Klangumfeld pudelwohl und entfaltet heimlich sein Eigenleben. Was er als nächstes tun würde? Eine Verbindung zum Belgrader Zoo-Chef herstellen und das Überleben der Pandabären fordern. Zum Ausgleich würde er die Marschmusik von Mariah Carey bei den US-Marines ("I Still Believe") und die Gospel-Exzesse von Blur ("Tender") anbieten.

Es ist allerdings nicht zu erwarten, daß das Belgrader Schlächter-Regime seinen Vorschlag annimmt.

Mr. Oizo: "Flat Beat", Pias Recordings