Streit um steuerfreie Rücklagen der Atomkonzerne

Viel Spaß für Warmduscher

"Wenn ich keinen Atomstrom hätte, könnte ich morgens nicht heiß duschen", murmelt Olaf unausgeschlafen am Frühstückstisch. "Du Warmduscher", meckert seine Freundin Yvonne. Olaf sagt: "Auch dein Toastbrot würde nicht knusprig ohne den Strom." "Aber der kommt doch aus der Steckdose", ruft Meike, das vorlaute Gör. "Was ist nur aus unserem guten alten Heimatkundeunterricht geworden", grübelt Olaf und denkt an Rheinsberg, den sichersten Atommeiler der DDR.

Den haben sie abgeschaltet, damit aus dem Städtchen nördlich von Berlin wieder ein schicker Touri-Ort werden kann. Und wären da nicht die vielen Nazis, deren Anblick dem Berliner Bildungsbürgertum nicht gefällt - es wäre schon fast etwas daraus geworden. So aber trauern so einige dem Atomkraftwerk hinterher - wegen der verlorenen Arbeitsplätze und so. Damit dieses schlimme Ostschicksal den Westen nicht so bald ereilt - dafür hat der Schröder den Müller kommissarisch auf den Stuhl des Finanzministers gesetzt, nachdem der Lafontaine wegen Carl-Maurice, Krieg und Kröten das Weite gesucht hatte.

Werner Müller hat, bevor er nun vom ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel abgelöst wurde, ganze Arbeit geleistet. Auf etwa 13 Milliarden Mark hat er die Summe gedrückt, die den Stromkonzernen durch die steuerliche Einbeziehung ihrer Rücklagen, die sie zur Finanzierung der Lagerung der abgebrannten Brennstäbe sowie des Abrisses der Atomkraftwerke bilden, in den kommenden zehn Jahren entstehen sollen. Im Steuerkonzept Oskar Lafontaines wären dies insgesamt noch etwa 21 Milliarden gewesen - das empfanden Anfang März sowohl Bundeskanzler Gerhard Schröder als auch die Strombosse als viel zu viel.

Müllers Trick: Die steuerlich entscheidende Stillegung eines Atomkraftwerkes kann zu höchst unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt werden. Entweder gilt der Tag, an dem der Meiler abgerissen, oder der, und das kann einige Jahre früher sein, an dem er vom Netz genommen wird. Je eher die Stillegung anerkannt wird, desto weniger Rückstellungen brauchen die Stromkonzerne zu bilden, was wiederum deren Steuerlast senkt.

Für letztere Variante hatte sich der ehemalige Veba-Manager Müller stark gemacht und dafür einiges Lob seiner Ex-Kollegen erhalten, obwohl diese eigentlich die Gesetze so gestaltet wissen wollen, daß ihnen höchstens eine Belastung von zehn Milliarden Mark entsteht - nachdem sie jahrzehntelang von dem fast einmaligen Privileg der steuerfreien Rückstellungen profitiert hatten. Rücklagen, die regelmäßig dazu verwandt wurden, mit der so prall gefüllten Kriegskasse auf Einkaufstour in anderen Branchen zu gehen.

Jetzt aber kam es zu einem mittleren Eklat. Das für Freitag vergangener Woche anberaumte Gespräch zwischen Müller und den Strombossen ist völlig überraschend verschoben worden. Das Wirtschaftsministerium teilte lapidar mit, einige steuerrechtliche Fragen seien noch mit dem Finanzministerium zu klären. Hintergrund ist offenbar, daß Eichel, der ja auch auf die Einnahmen seines Ministeriums achten muß, die von Müller ausgekungelte Summe von 13 Milliarden als zu wenig betrachtet und wenigstens Nachbesserungen anstrebt.

Da sich aber die Atomkonzerne um so mehr gegen selbst harmlose Ausstiegspläne wehren werden, je mehr sie blechen müssen, wird's vorerst nichts mit dem Konsens, den Schröder so gerne hätte. Und Olaf duscht und duscht und duscht: mit viel Spaß und - Yvonne und Meike.