Kongreß der Alternativen

Im Netz verhakt

"Wenn wir alle weiter so brav bleiben, wie wir in den letzten Jahren geworden sind", so die feministische Expertin für Arbeitsmarktpolitk Ingrid Kurz-Scherf, "sind die Chancen, daß die rot-grüne Bundesregierung etwas für die Alternativbewegung positiv verändert, gleich Null." Nicht nur sie forderte auf dem Kongreß der Alternativen zum Dritten Sektor eine schärfere Gangart gegenüber Rot-Grün. Schließlich will man politisch intervenieren.

Knapp 200 Menschen waren letztes Wochenende der Einladung von Netzwerk Selbsthilfe und Contraste, der Zeitschrift der selbstverwalteten Betriebe, in die Berliner Humboldt-Universität gefolgt. Gleich drei Ziele standen nach den Worten Dino Laufers vom Netzwerk-Vorstand auf dem Programm: Die alten Utopien der Alternativbewegung sollen wieder deutlich gemacht und ein Forderungskatalog an die Bundesregierung formuliert werden. Diesen wollen die Alternativen dann Bündnis '90/Die Grünen und SPD auf einer Podiumsdiskussion darlegen. Man hatte sich ja vorgenommen zu intervenieren.

Herausgekommen ist ein "Berliner Frühlingspapier". Dort stellen sie sich in die Tradition der genossenschaftlichen Ansätze der Arbeiterbewegung, der Selbstverwaltungsidee von Frauen- und Alternativbewegung. Die Ziele: "Das Recht auf Existenz im Sinne einer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ohne Arbeitszwang", die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten und zwischen Nord und Süd sowie eine gleiche Bewertung von Arbeit zwischen den Geschlechtern. Freilich werden die Alternativen auch konkreter: Für Betriebe oder etwa selbstverwaltetes Wohnen sollen die Rot-Grünen Grund, Boden und die entsprechenden Gebäude zur Verfügung stellen. Fördermittel sollen aus Bonn unbürokratisch bewilligt und zudem soll Risikokapital für kollektive Existenzgründungen herausgerückt werden.

Mitten in den kapitalistischen Verhältnissen formuliert, geraten viele dieser Vorstellungen in den Widerspruch zwischen Selbstorganisation gegen diese Verhältnisse und der Affirmation eines Jungunternehmertums, dem sich die grüne Partei längst verschrieben hat. Dieser Spagat bestimmte auch in Berlin die Diskussion. Hier eine Nischenpolitik "jenseits von Markt und Staat", aus der nur eine geschicktere Armutspolitik resultieren wird. Dort die Forderung nach Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums, die, wie Norbert Trenkle von der Zeitschrift Krisis abstrakt beschwor, nur gegen Markt und Staat durchzusetzen sie. Die Konsequenz des Wertkritikers liegt auf der Hand: Anstatt sich für die Sanierung brachliegender Industriegelän-de etwa an der polnischen Grenze zu bewerben, gilt es - will man denn intervenieren - die neu erbauten und leerstehenden "Treptowers" am Berliner Spreeufer zu besetzen.