Kreuzzug in Auschwitz

Das polnische Parlament hat ein Gesetz zum Schutz ehemaliger Konzentrationslager verabschiedet

"Sie haben das Todesurteil gesprochen, aber ich werde mich von hier nicht vertreiben lassen!" Mit diesen Worten kommentierte Kazimierz Switon, Initiator des Kreuzzuges auf dem Gelände des ehemaligen KZ Auschwitz, die Verabschiedung des Gesetzes über den Schutz ehemaliger Vernichtungslager in Polen.

Als Reaktion auf das Anfang April vom Sejm, dem polnischen Parlament, verabschiedete Gesetz stellte er das Kreuz Nummer 241 auf und erzielte damit gleichzeitig einen neuen Rekord. Das sieben Meter hoch in die Luft ragende Kruzifix ist das Hundertste unter den großen Kreuzen.

Das Gesetz betrifft das Gelände von acht ehemaligen Konzentrationslagern der Nazis. Demnach soll eine 100 Meter breite Schutzzone um die Gedenkstätten errichtet werden, wirtschaftliche und baurechtliche Maßnahmen sowie alle öffentlichen Versammlungen sind von den Bezirksverwaltungen zu genehmigen. In besonders begründeten Fällen ist auch eine staatliche Enteignung von privaten Immobilien vorgesehen.

Gegen das Gesetz stimmte jeder zweite Parlamentarier der konservativen Wahlaktion Solidarität (AWS), die an der Regierung beteiligt ist, sowie die Mehrheit der Polnischen Volkspartei. Auch alle Mitglieder der rechten Gruppierungen Unser Kreis, der Konföderation des Unabhängigen Polens, "Vaterland", sowie die Bewegung für den Wiederaufbau Polens votierten dafür; insgesamt stimmten 96 Abgeordnete gegen und 251 für das Gesetz.

Micha Kaminski von der rechten Christlich Nationalen Vereinigung (ZChN) meinte zu der ablehnenden Haltung seiner Partei: "Die Ehrung der Opfer des Zweiten Weltkrieges sowie des Nazi- als auch des kommunistischen Terrors sollte gerecht gehandhabt werden - was alle Nationen betrifft." Und fügte hinzu, daß das Gesetz die Opfer des Weltkriegs nach rassistischen Kriterien unterscheide, da es die kommunistischen Lager nicht beachte.

Selbst innnerhalb der Rechten stoßen solche Äußerungen auf Ablehnung. Befürchtungen, das Gesetz könne die Opfer des Völkermordes in unterschiedliche Kategorien aufteilen, träfen nicht zu, erklärt Wieszaw Walendziak, Mitglied der Konservativen Volkspartei. Auch Henryk Goryszewski und Marian Pizka (beide ZChN), von denen sonst andere Tönen zu hören sind, sprachen sich für das Gesetz aus. Die Kreuz-Aktion würde zu sehr politisiert und schade nur dem Ansehen Polens in der Welt.

Kazimierz Switon, der vor 1989 bei der polnischen Staatssicherheit beschäftigt war, glaubt nicht mehr, daß das Gesetz noch scheitern kann - etwa durch einen Einspruch des Senats oder des Präsidenten. Damit sei "das Todesurteil schon verkündet". Er aber werde weder mit Gewalt noch freiwillig das KZ-Gelände verlassen. Doch obwohl Switon eher ein Fall für die Psychiatrie ist - im Fall einer Entfernung der Kreuze oder der Räumung des Platzes hat er seine Selbstverbrennung angekündigt -, ist es unverständlich, daß sich die polnische Regierung in diesem Konflikt so schwerfällig verhält.

Die polnisch-jüdischen Verhältnisse sind ohnehin schon stark belastet. In einem Brief des polnischen Premierministers Jerzy Buzek an jüdische Organisationen Ende vergangenen Jahres wurde zwar zum wiederholten Male versprochen, daß alle Kreuze - außer dem des Papstes - entfernt werden. Dies ist jedoch bis heute nicht geschehen.

Seit Anfang April werden nun Unterschriften für ein Referendum zugunsten des Baus einer Kirche auf dem Kreuzfeld gesammelt. Bei der großen Unterstützung, die Switon vor allem vom Radio Maria und verschiedenen neofaschistischen Gruppierungen wie der Allpolnischen Jugend und der Nationalen Wiedergeburt Polens erhalten hat, wird er die notwendigen 500 000 Unterschriften vermutlich erreichen.

Hintergrund des "Krieges der Kreuze" ist ein Pachtvertrag, der von Kazimierz Switons "Verein der Opfer des Krieges" mit dem Orden der Karmeliterinnen geschlossen wurde. Als der Orden sich 1993 vom Gelände des ehemaligen KZ Auschwitz zurückzog, wurde der Staat neuer Besitzer, der Verein blieb jedoch Pächter des Grundstücks. Im August 1998 jedoch widerrief die Stadtverwaltung von Oswiecim den Pachtvertrag, da der Verein gegen einen Punkt des Vertrages verstoßen hatte, in dem ausdrücklich ein "Verbot von Aktivitäten, die der Würde des sakralen Charakters dieser Stätte zuwiderlaufen", festgelegt worden war. Außerdem dürfe das Gelände nicht zur "Austragung von Streitigkeiten mit der katholischen Kirche" mißbraucht werden.

Die Angelegenheit wurde daraufhin von dem zuständigen Gericht in Bielsko-Biaza zugusten des Vereins der Opfer des Krieges entschieden. Die polnische Regierung versuchte nun, mit einem Gesetzesantrag gegen Switon und seine Anhänger vorzugehen, die seit Juni Kreuze auf dem Gelände aufgestellt hatten.

Mittlerweile ist das Kreuzfeld zu einer Pilgerstätte katholischer Fanatiker geworden, die in der Entfernung der Kreuze einen Angriff auf die polnische Souveränität sehen und die Angreifer in einer "internationalen jüdischen Verschwörung"zu finden meinen.

Switon und seine Anhänger, die durch die antisemitische Hetze von Priestern wie Henryk Jankowski aus Gdansk oder von "Vater" Rydzyk, Chef von Radio Maria, teilweise aber auch durch Politiker der AWS aufgewertet worden sind, stellen zwar nur eine Randgruppe innerhalb der katholischen Kirche dar. Doch obwohl die Konferenz der katholischen Erzbischöfe die Aufstellung der Kreuze verurteilt hat, erhält die antisemitische Strömung in der katholischen Kirche weiter Zulauf.