"Deckname Dennis"

Logik der Abschreckung

In Thomas Frickels semidokumentarischem Film "Deckname Dennis" reist der Journalist Dennis Mascarenas im Auftrag eines amerikanischen Unternehmers nach Deutschland, um das dortige gesellschaftliche Klima zu erforschen. Seinen Interview-Partnern erklärt er, er drehe einen Film für einen deutschsprachigen Sender in den USA.

Dennis Mascarenas spricht mit rechtsgerichteten Politikern wie dem Vorsitzenden der Autofahrerpartei, der sich als Opfer einer restriktiven Politik sieht und sich mit den Opfern des Nationalsozialismus vergleicht. Zuvorkommende NPD-Aktivisten erläutern dem Journalisten ihre Pläne für das kommende "Vierte Reich". Dennis fährt ins Gartenzwerg-Museum und besucht den Hersteller der "größten Kuckucksuhren der Welt". Nach ausgiebiger Recherche stellt sich heraus, daß gleich mehrere Menschen in Deutschland diesen Titel für sich in Anspruch nehmen. Dennis erforscht die deutschen Burschenschaften ebenso, wie er dem Wesen der Bratwurst auf die Spur zu kommen versucht. Die andere Seite meldet sich auch zu Wort: z.B. die Besucher einer antideutschen Demonstration. Dort erfährt er, daß in Deutschland nur noch eine Revolution helfen kann. Dennis' Stil ist der des naiven Fragers, der vorgibt, von den deutschen Verhältnissen wenig bis gar nichts zu wissen.

Frickels Film zeigt Extremisten, die gern und freiwillig Auskunft über ihre politischen und weltanschaulichen Vorstellungen geben. Die Perspektive, wie sich Gesamtdeutschland einem ausländischen Beobachter präsentiert, ist zwar sehr interessant und humorvoll, aber die Stärke des Films ist zugleich seine Schwäche: die Konzentration auf die politische Peripherie. Frickel porträtiert die Durchgeknallten aller Couleur, über die zu lachen nicht schwerfällt, auch wenn sie Dennis zu verblüffenden Erkenntnissen bringen: Die Deutschen hätten soviel Angst voreinander, daß sie sich permanent gegenseitig abschrecken müßten. Das sei wohl der Grund dafür, warum sie einzeln bekloppt seien, aber im großen Ganzen trotzdem wie eine normale Bevölkerung daherkämen.

Darüber hinaus hätte das Feld der Untersuchung erweitert werden müssen. Was, wenn nicht nur der Nazi Unfug redet, sondern auch der SPD-Mann und die Gewerkschafterin? Was, wenn nicht nur Rechte, sondern auch Linke Standortlogik formulieren und der Mainstream sich als gefährlich outet?

Das blitzt nur manchmal kurz auf, wenn zum Beispiel Wolfgang Schäuble auf dem Vertriebenen-Treffen spricht. Der Deutschlandpolitiker redet davon, daß der Prozeß der deutschen Einheit "leider erstmal" an der polnischen Grenze aufhören müsse. Diese Szene läßt etwas von der Atmosphäre ahnen, die bei solchen Zusammenkünften herrscht, eine Komponente, die in der üblichen Berichterstattung meist fehlt, da sie sich auf die wörtlichen Aussagen der Redner konzentriert.

Eine Komponente, die dem Film fehlt, ist der Standpunkt des Betrachters selbst: Wenn das Publikum, das bei den verschiedenen Äußerungen der Interviewten vor lauter Prusten und Lachen aus dem Sessel purzelt, merkt, daß es selbst angesprochen ist. Frickels Film fehlt da ein wenig die Tiefe, weil er nur das vordergründig Extreme porträtiert. Aber vielleicht - Radikalinskis, wie Deutsche sind - bin ich mir mit dieser Forderung nach Gründlichkeit jetzt selbst erlegen.

"Deckname Dennis". 28. April, 22.45, auf B1