»Rugova ist politisch tot«

Interview mit Sabri Kicmari, Europa-Sprecher der UCK

In den letzten Tagen hat die UCK verstärkt zur Gegenoffensive gegen die serbischen Truppen im Kosovo angesetzt. Operieren Sie nur von Albanien aus, oder gibt es auch andere Operationsbasen?

Die UCK operiert nicht nur von Albanien aus. Wir nützen auch bestimmte Territorien in Mazedonien, Montenegro und Bulgarien, um in das Kosovo vorzustoßen.

Die mazedonische Regierung hat der UCK vorgeworfen, einen Teil des Landes in ein geplantes Groß-Albanien eingliedern zu wollen.

Das stimmt nicht. Wir unternehmen in Mazedonien keine Aktionen und planen keine Spaltung Mazedoniens. Wir fordern aber von der mazedonischen Regierung, die Rechte der mazedonischen Albaner zu respektieren. Das geschieht bisher nicht, und Sie werden verstehen, daß wir das nicht ignorieren können.

Sie rekrutieren in den Flüchtlingslagern von Blace mit größtem Erfolg UCK-Kämpfer.

Es gibt eine Mobilmachung, weil dies der UCK-Generalstab entschieden hat. Natürlich rekrutieren wir auch unter den Flüchtlingen, aber es melden sich auch hier genügend Leute freiwillig. Niemand wird gezwungen.

Die Nato plant derzeit wohl den punktuellen Einsatz von Bodentruppen im Kosovo, um Korridore für die Albaner zu schaffen. Reicht Ihnen dieser Einsatz?

Es gibt im Moment zwei Möglichkeiten: Entweder die Nato geht in das Kosovo, um das Problem endgültig zu lösen, oder die Nato rüstet unsere UCK-Kämpfer auf. Ich persönlich glaube aber, daß ein Einsatz der Nato das Problem schneller lösen würde.

Sie kennen also dementsprechende Nato-Planungen?

Sie verstehen, daß ich das nicht so sagen darf. Aber seien Sie versichert: Ich hoffe und glaube, daß die Nato schon in den nächsten Tagen mit Bodentruppen im Kosovo eingreifen wird. Es gibt intensive Kontakte und eine gute Zusammenarbeit zwischen der Nato und der UCK.

Sie meinen also auch, daß die Luftangriffe nicht ausreichen, um die Greueltaten der serbischen Armee im Kosovo zu beenden.

Der Krieg ist noch nicht zu Ende. Meiner Meinung nach hat die Nato mit ihren Luftangriffen sehr viel erreicht. Die Kampfmaschinerie von Milosevic ist nachhaltig getroffen, und wir haben Berichte von massenhaften Desertionen jugoslawischer Armee-Angehöriger im Kosovo. Es stimmt einfach nicht, daß Milosevic aus diesen Luftangriffen gestärkt hervorgeht. Im Gegenteil: Ich bin davon überzeugt, daß Milosevic von Tag zu Tag schwächer wird. Auch die Opposition in Serbien rührt sich langsam und unternimmt Schritte, um den Konflikt im Kosovo zu beenden.

Der ehemalige US-amerikanische Außenminister Henry Kissinger hat Ihrer UCK kürzlich vorgeworfen, das Abkommen von Rambouillet nur unterzeichnet zu haben, um Luftangriffe der Nato zu provozieren. In Wirklichkeit wären Sie mit einer bloßen Autonomie des Kosovo nie einverstanden gewesen.

Das stimmt nicht. Aber inzwischen ist die Unabhängigkeit wirklich der einzige Weg. Wir können uns nicht mehr vorstellen, unter serbischer Herrschaft zu leben. Könnten Sie mit jemandem zusammenleben, der Ihre Familie massakriert hat? Wir haben genügend Zeichen gegeben, den Konflikt friedlich zu lösen. Die serbische Regierung hat das nicht akzeptiert.

Wie wollen Sie das der Nato erklären, die ja angeblich nur bombt, um die Autonomie im Sinne des Rambouillet-Abkommens durchzusetzen?

Ich weiß, daß inzwischen auch innerhalb der Nato ein Umdenkprozeß eingesetzt hat, und auch viele europäische Staaten wissen, daß es keinen anderen Ausweg als den der Unabhängigkeit des Kosovo gibt.

Die UCK hat eine eigene Kosovo-Regierung gebildet, aber in Bonn nennt sich Bujar Bukoshi noch immer Premierminister. Wer ist denn nun eigentlich die Regierung?

Es gibt die Regierung von Hashim Thaqi, und es gibt eine Quasi-Regierung von Bujar Bukoshi hier in Bonn. Herr Bukoshi lebt seit sieben Jahren in Bonn und trinkt Kaffee. Er weiß nicht, was im Kosovo wirklich vor sich geht. Aber die Mehrheit unserer UCK-Regierung befindet sich tatsächlich im Kosovo. Zwar nennt sich Bukoshi Premierminister und wird das noch lange tun, aber er hat keine Legitimität.

Was passiert mit Ibrahim Rugova, wenn Sie erst einmal die Unabhängigkeit geschafft haben?

Er sitzt in seinem Haus in Pristina und steht unter dem Hausarrest der serbischen Behörden. Das tut mir sehr leid für ihn. Das Problem ist, daß er einen Staat gründen wollte ohne Polizei und ohne Armee. Im Grunde war das nichts anderes als ein Spiel, aber kein wirklicher Staat. Wir haben diese Idee von Ibrahim Rugova immer kritisiert. Leider muß ich sagen: Rugova ist politisch tot.

Sabri Kicmari lebt seit acht Jahren in Bonn und betreibt für die kosovo-albanische Befreiungsarmee Lobbying bei Europas Regierungen.