Unterhaltungsstopp I

An der Fernsehberichterstattung zum Krieg ist schon viel Kritik geübt worden, aber niemand ist bislang auf die Idee gekommen, sich darüber zu beklagen, daß das tägliche Publikumsbriefing bisweilen von den üblichen Programmabläufen unterbrochen wird. Darüber Beschwerde zu führen, daß die Kriegsberichterstattung durch Unterhaltungssendungen gestört wird, bleibt den Schriftstellern des Deutschen Pen-Zentrums unter Federführung ihres neugewählten Präsidenten Christoph Hein vorbehalten.

"Es ist dem Ansehen des Landes und jedes einzelnen Bürgers abträglich", behaupten die Schriftsteller in einem Offenen Brief, "wenn in Deutschland unmittelbar nach den fürchterlichen Nachrichten über die Kriegsgreuel und den Militäreinsatz die Sender jeden Tag die üblichen Unterhaltungssendungen ausstrahlen, als seien wir nicht in einem Krieg, als sei uns das fremde Leid, an dem wir nicht unschuldig sind, gleichgültig." Um dem deutschen Engagement in Jugoslawien Rechnung zu tragen, bittet das deutsche Pen-Zentrum, "die Programmdirektoren der öffentlich-rechtlichen und die Besitzer der privaten Sender, sämtliche Unterhaltungssendungen für die Dauer des mit deutscher Beteiligung erfolgenden Militäreinsatzes aus ihren Programmen zu nehmen."

Als ahnten sie, daß die Programmchefs von ARD bis RTL wenig Geschmack daran finden werden, sich die gruftigsten Rituale der untergegangenen Sowjetunion zu eigen zu machen und in ernsten Stunden ernste Musik abzuspielen, bitten sie "auch die deutsche Regierung, darauf hinzuwirken, daß nicht in derart zynischer und unangemessener Weise der Krieg verharmlost wird. Solange auch deutsche Soldaten an dem todbringenden Einsatz beteiligt sind, sollten in Deutschland die Unterhaltungstempel geschlossen sein."