Zukunft der Bundeswehr

Weicheier in Zivil

Oberst Bernhard Gertz ist sauer. Als Vorsitzender des Deutschen Bundeswehr-Verbandes - immerhin eine Art Soldatengewerkschaft - sah er sich wohl als natürliches Mitglied jener Kommission zur Zukunft der Streitkräfte, die Verteidigungsminister Rudolf Scharping Anfang des Monats auf einen 18monatigen Beratungs- und Anhörungsmarathon schickte. Ohne Gertz. Der monierte noch am selben Tag, daß in der 21köpfigen Kommission "Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr" keine aktiven Soldaten vertreten seien - ein "höchst unglückliches Vorgehen".

Und so will der Soldatenverband in den nächsten Wochen mit einem "Beirat Wehrstruktur" eine Art Schattenkommission gründen. Wie Scharpings Truppe ein Gremium unabhängiger - und diesmal sicher uniformierter - Experten, die den in der Kommission des Ministeriums repräsentierten Sachverstand "ergänzen und erweitern" sollen. In einer schwachen Minute sprach Gertz gar davon, daß man die Kommission "vor sich hertreiben" wolle - die alte Verachtung der Militärs gegenüber Weicheiern in Zivil.

Dabei ist Umstürzlerisches von dieser Kommission nun wirklich nicht zu erwarten. Dafür garantiert schon der Vorsitzende Richard von Weizsäcker. Mit im Boot sitzen unter anderem Lothar de Maizière, Ignatz Bubis, Theo Sommer, die Bündnisgrüne Waltraud Schoppe, Vertreter von evangelischer und katholischer Kirche, Vorstandsmitglieder von Daimler Chrysler und der Holtzbrinck-Verlagsgruppe. Immerhin ist unter den drei Generalen außer Dienst auch ein Manfred Eisele zu finden. Der Generalmajor a.D. plante bis vor kurzem bei der Uno die Militäreinsätze der Weltorganisation.

Was ist von einer derartigen Runde zu erwarten? Grüne und SPD hatten die Gründung der Kommission im Koalitionsvertrag vereinbart, um Differenzen über Wehrpflicht oder Auslandseinsätze nicht sofort kollidieren zu lassen. Immerhin spricht sich Angelika Beer, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, für eine deutliche Verkleinerung der heute 340 000 Mann starken Bundeswehr und einen Verzicht auf die Wehrpflicht aus. Scharping dagegen besteht trotz einer Arbeit der Kommission "ohne Denkverbote" auf Wehrpflichtige, vor allem, um die Einsatzfähigkeit des Heeres zu sichern.

Der alte Weizsäcker will schlicht eine "gute Bundeswehr"; für eine "Bundeswehr im 21. Jahrhundert" bedeute dies weiterhin die Einbindung in die Nato, bei stärkerem Herausarbeiten einer europäischen Sicherheitsidentität. Am Ende soll die Zivil-Kommission aber einen radikalen Umbau in der Truppe legitimieren - bis hin zu einer Berufsarmee. Schließlich hat Scharping bereits eine knapp 180 Seiten starke Bestandsaufnahme vorgelegt, die der Kommission die Richtung diktieren wird. Sein Fazit: Die Bundeswehr sei trotz laufender Auslandseinsätze von Organisation und Struktur noch immer auf Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet. Vor allem Umfang und Zusammensetzung der heute 50 000 Mann starken Krisenreaktionskräfte seien zu begrenzt.

Unzufrieden ist der Minister auch mit der fehlenden finanziellen Vorsorge im Verteidigungshaushalt: "Um mit der Sicherheitsvorsorge unserer Partner Schritt halten zu können, müßte der deutsche Verteidigungshaushalt um rund fünf Milliarden Mark erhöht werden." Derzeit noch undenkbar, präsentierte der SPD-Finanzexperte Volker Kröning bereits ein Zukunftsmodell, bei dem die nötigen Rüstungsmilliarden durch die Reduzierung der Truppe auf 270 000 Mann locker gemacht werden könnten. Solche Modelle, für die sich auch die FDP stark macht, ließen die Wehrpflicht wackeln. Auf die bestehen die Militärs allerdings - weil sie auf Reservisten nicht verzichten wollen. Generalinspekteur Peter von Kirchbach insistiert auf der Mobilmachungsfähigkeit und dem Aufbau zu einer Millionenarmee - als "Rückversicherung für die Wechselfälle der Geschichte". Schließlich haben wir Deutschen so unsere Erfahrungen mit Angriffskriegen.

Fazit: Die Zwänge und Modelle, die den nützlichen Idioten der "unabhängigen Kommission ohne Denkverbote" eingeflüstert werden, laufen auf eine neue Bundeswehr hinaus, die 250 000 Mann stark sein könnte. Diese Armee würde wie in alten Zeiten 30 Prozent ihres Haushalts für neue Waffen ausgeben, beispielsweise für neue Transportflugzeuge. Für Auslandseinsätze würden die Krisenreaktionskräfte kräftig aufgestockt - nach FDP-Vorstellungen auf bis zu 150 000 Mann in ständig einsatzbereiten Verbänden. Die Grünen würden wahrscheinlich selbst das noch als Erfolg verkaufen - wenn denn nur die Wehrpflicht fällt.