»Kaum ein Unterschied zwischen den Anträgen«

Bärbel Höhn ist Umweltministerin in Düsseldorf. Auf dem Grünen-Parteitag legte sie zusammen mit anderen einen Antrag vor, der einen unbefristeten Waffenstillstand der Nato forderte

Ihre Anti-Kriegs-Rede auf dem Bielefelder Parteitag ist von den Delegierten mit großem Applaus bedacht worden, die Parteiführung jedoch hat sie mit versteinerter Miene verfolgt. Können die Bündnisgrünen Sie jetzt überhaupt noch als grüne EU-Kommissarin vorschlagen?

Zum einen: Es ist immer wichtig, Prioritäten zu setzen. Wo, wenn nicht bei der Frage Krieg, muß man sein Gewissen fragen und nicht taktieren? Von daher habe ich das sehr bewußt gemacht und bin auch erleichtert, daß ich das getan habe. Zum anderen: Antje Radcke hat sich vor Bielefeld zu mir und dem Posten der EU-Kommissarin geäußert. Meine Lebensplanung ist, daß ich hier in Nordrhein-Westfalen (NRW) zu den Landtagswahlen antrete und versuche, dabei mitzuhelfen, ein möglichst gutes Wahlergebnis zu erzielen. An dieser Planung hat sich nichts geändert. Andere Fragen werden erst entschieden, wenn sie sich stellen.

Der grüne Staatsminister Ludger Volmer hat Sie in Bielefeld scharf attackiert und Ihnen mangelnde Loyalität gegenüber der rot-grünen Bundesregierung vorgeworfen. Wenn die NRW-Grünen in der Auseinandersetzung um Garzweiler II ebenso unsolidarisch gehandelt hätten wie Sie jetzt, so Volmer, dann wären Sie heute nicht mehr Umweltministerin.Trifft Sie diese Kritik?

Ich glaube, das war bei Ludger Volmer ein Stück Hilflosigkeit. Wie er mich attackiert hat, war nicht gerechtfertigt. Das weiß er auch. Erstmal kann man Garzweiler II grundsätzlich nicht mit Krieg vergleichen. Aber wenn man das von den Strukturen her vergleichen will, ist es so, daß sich in der gesamten Garzweiler II-Auseinandersetzung die Position der Partei um keinen Millimeter verändert hat. Die hieß und heißt immer noch: Nein zu Garzweiler II - und wir wollen Garzweiler II verhindern. Durch diese Haltung der Partei fühle ich mich gestärkt und nicht geschwächt, auch wenn ich in der Zwischenzeit eine - eingeschränkte - Genehmigung für einen Teil von Garzweiler II erteilen mußte. Diese Art Arbeitsteilung haben wir in NRW mühsam lernen müssen.

Die Frage, die sich auf dem Parteitag gestellt hat, war doch: Wo wird die Bruchlinie gezogen? Wird im Sinne der Partei noch ein Antrag wie der von Christian Ströbele und Bärbel Höhn vom Außenminister akzeptiert? Dann wäre das auch keine Koalitionsfrage gewesen. Oder wird diese Bruchlinie beim Bundesvorstandsantrag gezogen? Der Unterschied zwischen beiden Anträgen war nicht so gravierend, daß durch den Wortlaut unseres Antrages die Handlungsmöglichkeit des Außenministers stärker eingeschränkt worden wäre als durch den des Bundesvorstandes. Der entscheidende Punkt ist, daß wir in der Zukunft stärker Lösungen finden müssen, in denen sich die Partei wiederfinden kann. Es gibt doch viele, die gesagt haben: Wir hätten gerne eurem Antrag zugestimmt, aber wir haben es aus Disziplin nicht gemacht. Das heißt, inhaltlich hat dieser Antrag von Christian Ströbele und mir eigentlich die Position der Partei viel genauer wiedergegeben.

Was folgt für Sie nun aus dem Beschluß von Bielefeld?

Was wir jetzt versuchen müssen, ist, daß wir die vielen Gemeinsamkeiten der beiden Anträge rausfiltern, die in der Endabstimmung waren. Darauf sollten wir aufbauen und versuchen, die Kräfte wieder zusammenzuführen. Wir müssen vor allen Dingen alle Anstrengungen unternehmen, denjenigen, die enttäuscht sind und über Austritt nachdenken, eine Perspektive innerhalb der Grünen für Friedensinitiativen zu geben. Wir müssen aus der Partei heraus für den Frieden werben.

Reden Sie da nicht Ihre Niederlage schön?

Nein. Die Bundesregierung und die Nato stehen auf dem Standpunkt, daß es erst dann ein Ende der Bombardierungen geben soll, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Das sehen die Grünen anders. Die Partei hat einen Kurs beschlossen, der weder von der Bundesregierung noch von der Nato momentan geteilt wird und der sich also von beiden absetzt. Sie hat einen ersten Schritt zur Deeskalation beschlossen: die Beendigung der Luftaneskalation. Und wenn ich den ersten Vorschlag des Bundesvorstandes mit der verabschiedeten Version vergleiche, haben wir viele Akzente setzen können. Darauf müssen wir aufbauen. Die Aufgabe der Partei ist es nun, in die Gesellschaft hinein zu agieren, um für die eigene Position zu werben. Jetzt müssen wir mit Aktionen und in Veranstaltungen deutlich machen, daß wir aus der Eskalationslogik des Militärs herauskommen wollen.

Unterdessen eskaliert der Krieg in Jugoslawien weiter. Wo ist der Punkt, an dem die Grünen sagen, da machen wir nicht mehr mit? Gibt es den überhaupt noch?

Ich kann nicht sagen, wann und ob ein solcher Beschluß gefaßt wird, weil ich nicht weiß, wie weit sich die Situation noch zuspitzen wird. Ich weiß nur, je länger dieser Krieg dauert, desto mehr Menschen werden in Jugoslawien sterben. Auch die Angriffe auf Fernsehsender oder auf Brücken oder zum Beispiel die Umweltschäden, die durch den Krieg verursacht werden - die werden ja mehr und nicht weniger. Das wird in der Tat ein immer größeres Problem für die Grünen.

Wieviele Mitglieder Ihres Kreisverbandes in Oberhausen sind denn schon ausgetreten?

Das ist schwer zu sagen. Es sind schon vor Bielefeld einige ausgetreten mit der Begründung, daß sie die Kriegsbeteiligung der rot-grünen Bundesregierung nicht mittragen können. Für manche war das vielleicht aber auch das i-Tüpfelchen, das sie zum Austritt bewegt hat. Man kann davon ausgehen, daß jetzt nach der Bundesdelegiertenkonferenz noch mehr - gerade im Ruhrgebiet, nicht nur in Oberhausen - austreten werden. Ich habe mit vielen geredet und versucht, sie zu überzeugen, weiter zu machen. Es gibt auch viele, die gesagt haben, dadurch, daß ich mich sehr klar positioniert habe, gibt es für sie noch eine Option, weiterhin bei den Grünen mitzuarbeiten. Ich hoffe, daß möglichst viele in der Partei bleiben.

Aber die Europawahlen können die Grünen doch wohl abschreiben. Im Ruhrgebiet wollen etliche Kreisverbände nun den Wahlkampf boykottieren.

Nun wollen wir erstmal versuchen, daß das nicht passiert, und die Kreisverbände davon überzeugen, daß sie weiter Wahlkampf machen - zum Beispiel mit Friedensveranstaltungen und -aktionen. Denn gerade nach dem Nato-Angriff auf Korisa, bei dem kosovo-albanische Flüchtlinge getötet wurden, müssen wir doch jetzt erst recht etwas tun für den Frieden.

Können Sie denn mit gutem Gewissen sagen: Macht Wahlkampf für eine Liste, deren Spitzenkandidaten für diesen Krieg sind?

Die Spitzenkandidaten sind nicht für den Krieg. Meinungen haben etwas mit gesellschaftlichen Prozessen zu tun. Und so wie Spitzenkandidaten ihre Meinung in die eine Richtung ändern, können sie sie natürlich ebenso in die andere Richtung ändern. Auch da können und müssen wir versuchen, darauf einzuwirken.