Rüben, Rüben, Rüben

Die vielen Gründe des Krieges lassen sich nicht auf einen verkürzen.

Bei allem Haß auf die wiedergewonnene Normalität: Ständig Deutschland als Hauptkriegspartei anzuführen, ist einfach zu billig. Um das festzustellen, reicht manchmal schon der Blick in die Tagespresse.

So scheiterte das geplante gemeinsame Kommuniqué zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem italienischen Ministerpräsidenten Massimo D'Alema nicht etwa, weil Deutschland Italien noch weiter in den Krieg ziehen wollte. Umgekehrt: Den Vorschlag des italienischen Regierungschefs, falls eine Einigung mit dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic auf der Grundlage des G 8-Plans nicht zu erreichen sei, müßten eben Bodentruppen ins Kosovo einfallen, lehnte Schröder ab.

Deutschland hat die Auflösung Jugoslawiens zu Beginn der neunziger Jahre forciert wie kein anderer Staat auf der Welt. Eine Abkehr von der Politik Hans-Dietrich Genschers und Klaus Kinkels hat es auch unter Rot-Grün nicht gegeben: Ging es den Vorgängern von Joseph Fischer um die Abspaltung der beiden nördlichen Republiken, so will auch der grüne Außenminister Jugoslawien auf seinen serbischen Kern reduzieren.

Der Rambouillet-Plan war nur der Vorgriff auf die Sezession der südserbischen Provinz: In spätestens drei Jahren sollte die kosovo-albanische Bevölkerung selbst über den Status der Provinz entscheiden. Was sonst als die Unabhängigkeit oder der Anschluß an Albanien wäre dabei herausgekommen?

Um soweit zu kommen, war es zunächst nötig, die "militärische Drohkulisse glaubhaft" zu entwickeln - und aufrecht zu erhalten. Daß aus der Drohung Krieg wurde, ist nicht zuletzt das Verdienst der neuen Regierung. Und doch war die Überraschung groß, als aus dem Wahlversprechen, für Kontinuität in der deutschen Außenpolitik zu stehen, so schnell Wirklichkeit wurde.

Leider sind nach der erfolgreichen Sezession Kroatiens und Sloweniens in Jugoslawien heute keine weiteren Schnäppchen zu holen. Was an ökonomischer Substanz rund um Belgrad schon vor dem 24. März nicht besonders lukrativ war und sich in etwa auf slowakischem Niveau befand, ist seitdem auf den Standard von Albanien zurückgebombt worden. Auf den Stand eines Landes also, dessen Außenhandel zusammengebrochen ist und das ohne die Unterstützung der im westlichen Ausland Arbeitenden nicht mehr zu Rande käme.

In der gleichen Kategorie befand sich das Kosovo schon vor Beginn des Nato-Krieges. Wieso Deutschland nun ausgerechnet dort einen neuen Investitionsstandort suchen sollte, kann wohl nur ein Agrarökonom oder Jan Kirsch, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rübenbauerverbände, beantworten. Wenn die BRD wirklich das Interesse hatte, wirtschaftlich in Jugoslawien so Fuß zu fassen wie beispielsweise in den D-Mark-Zonen Slowenien oder Kroatien - warum hat sie es dann nicht getan, als Milosevic der EU den "Standort Jugoslawien" in den vergangenen Jahren immer wieder angeboten hat?

Krieg jedenfalls wäre dazu nicht nötig gewesen - die Nato führt ihn trotzdem. Vielleicht um die Erbfolge Milosevics zu regeln, vielleicht um die Wirksamkeit der neuen Doktrin in der Praxis zu testen, sicherlich um ökonomisch überflüssige Menschen daran zu hindern, in die Festung Europa zu ziehen. Dieser Krieg hat viele Gründe, eine einheitliche politische Strategie hingegen ist nicht zu erkennen. Und eine von Deutschland diktierte schon gar nicht.

Auch die ökonomische Erklärung will nicht so recht greifen: Ungarn, Tschechien und Polen haben ihre Staatsbetriebe nicht auf einen Schlag abschaffen müssen, um Firmen und Kapital aus Deutschland Platz zu schaffen. Der Krieg wird von Deutschland nicht geführt, um VW in Belgrad, Pec oder Pristina zu installieren. Praktisch für den Konzern hingegen ist, daß ein halbes Jahr nach der letzten Bombe VW dort tatsächlich eine Zweigstelle eröffnen kann. Oder aber Ford. Vielleicht auch Fiat. Wahrscheinlich alle zusammen. Klar ist nur, daß es nicht Hyundai sein wird.

Und daß der einstige Bündnispartner von 1941, Italien, Deutschland schon letztes Jahr den Rang ablief, als es um die Übernahme des jugoslawischen Telefonnetzes ging, zeigt: Nicht jede Marktbereinigung muß eine deutsche sein. Arbeit, Arbeit, Arbeit wird es nicht nur für die deutsche Bauindustrie geben, britische und US-Firmen stehen auch schon bereit.

Klar ist: Deutschland wird nicht zu den Verlierern des Krieges gehören - unabhängig davon, wie er ausgeht. Doch bevor man auf den nächsten Gewaltakt unter deutscher Führung spekuliert, sollte der aktuelle erst einmal zu Ende gehen.