Zeit-Beilage: "Leben"

Vonne Muffe jepufft

"Stellen Sie die Zeit mit dem neuen Leben auf die Probe", empfiehlt der Prospekt, der vor vier Wochen potentiellen Abonnenten zugesandt sowie letzte Woche aufstrebenden Young-and-Beautiful-Konkurrenz-Blättern beigelegt wurde. Okay, nichts leichter als das: Vorausschicken möchte ich allerdings, daß das Zeit-Magazin gar nicht so schlecht und auch nicht so altmodisch war, wie gerne behauptet wird, und daß es ziemlich unfair ist, das kleine Heft für den Auflagenschwund des Bleiwüsten-Supplements Zeit verantwortlich zu machen.

"Mitten ins Leben" soll die neue Beilage treffen. Immerhin: Mehr oder weniger illustre Namen konnte man für die regelmäßige Zuarbeit gewinnen: Gerhard Polt lästert, Wolfram Siebeck sinniert, Tim Staffel und Julie Burchill schicken "Schöne Grüße" aus Berlin und London. Wenn man das "Leben" durchblättert, hat man den Eindruck, es will Brigitte, Bravo und Kicker in einem sein, nur großformatiger. Um Lauryn Hills Porträt vollständig betrachten zu können, muß man seinen U-Bahn-Sitznachbarn bitten, die Woche wieder einzupacken.

Ein Konzept ist bei der Themenauswahl bislang kaum erkennbar - anscheinend will man ins "Leben" alles reinpacken, was in die Zeit nie rein durfte. Da ist zum Beispiel die Rubrik "Ich habe einen Traum". Dort wünscht sich die Schauspielerin Hannelore Hoger "einen Partner fürs Leben" und hat sonst nicht viel zu sagen, eigentlich gar nichts. Ganz anders die Autorin Miriam Gebhardt, die für ihre Erinnerungen an die verpfuschte Kindheit eine eigene Rubrik bekam.

Grund genug hat sie: "Meine vier Eltern sind Psychologen!" Psychologen aber, so scheint es, wurden auch bei der Suche nach den verschiedenen Rubrik-Namen eingesetzt: "Reden", "Fliehen", "Entscheiden". Unschlagbare Top-Rubrik ist allerdings: "Sind Sie noch am Leben?" Dort muß man Fragen beantworten. Beispiel: "Oskar Lafontaine wollte nicht Michael Naumann zum Kulturbeauftragten im Kanzleramt ernennen. Er wünschte sich einen Franzosen. Wen?

a. Jack Lang

b. Bernard-Henri Lévy

c. Régis Debray"

Falls Sie richtig antworten, können Sie "eine Seiko Air Pro Watch gewinnen", aber nur "wenn Sie wissen, welche besondere Eigenschaft Trendsetter daran lieben". Boah, cool, ey! Gleich Zeit abonnieren, ey! Dat lohnt sich voll! Der Zeit mehr Leben einzuhauchen, hätte weitaus ansehnlicher, hübscher und lesenswerter ausfallen können: Mode und Pop fehlen beispielsweise ganz, statt dessen betreibt man Lebenssinn-Therapie für verzagte Studienräte, die gerne wissen würden, was ihre Kinder nachts so treiben.

Obwohl die "Leben"-Redaktion extra nach Berlin übergesiedelt ist, weiß sie irgendwie noch nicht, wo das wirkliche sich abspielt. Und im Zweifelsfall geht man - Angebot an die umkämpfte Ost-Leserschaft - auf Keimzeit-Konzerte: "Rock me, Keimzeit!" Auch wenn der geneigte Linksradikale auf Seite 3 lohnenswerte "Small Talk Munition" (gleichnamige Rubrik) für die nächste Soli-Party nachladen kann, wie z.B.: "Deutsche neigen zu Selbstüberschätzung - im Gegensatz zu Engländern", sollte man das "Leben" nicht übereilt abonnieren.

Schließlich gibt's schon seit längerem die TV-Sendung zur Zeitung: "Life" mit Birgit Schrowange auf RTL. Und zuletzt noch eine Bitte bzw. Boykott-Androhung: Um der Ästhetik bzw. Verkaufszahlen willen, Zeit-Fotoredaktion: Nie wieder Olli Kahns Zahnpasta-Lächeln aufs Titelblatt!