Ein Deut deutscher

Versöhnen statt Spalten, Sinn stiften statt Erklären: Geschichtsforum "Getrennte Vergangenheit - Gemeinsame Geschichte?" in Berlin

Hochoffiziell ging es zu auf dem Symposium "Getrennte Vergangenheit - Gemeinsame Geschichte? Geschichtsforum 1949 - 1989 - 1999", veranstaltet vom Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam (Leitung: Jürgen Kocka), der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Centrum

für angewandte Politikforschung in München (Leitung: Werner Weidenfeld).

Gefördert vom Daimler-Benz Fonds im Stifterverband für die deutsche Wissenschaft und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur unterhielt man sich auf zahllosen Podien am vergangenen Wochenende im Preußischen Landtag und in der Humboldt-Universität darüber, wie die letzten 50 Jahre nie verbergen konnten, daß es trotz zweier Staaten eine Nation gegeben habe (Rainer Barzel, Helmut Schmidt u.a.), wie es trotz zweier Lebenswelten eine Kultur gegeben habe (Ulrich Plenzdorf, Rolf Hochhuth u.a.) und vor allem wie der Weltgeist in Form deutschen Nationalbewußtseins doch dazu geführt hat, daß die Demokratie über die Diktatur siegte (Bundestagspräsident Wolfgang Thierse).

Die Richtung der Geschichtsstiftung war von der Politik vorgegeben: Thierse selbst forderte: "In dem Maße aber, in dem die ostdeutsche Nachkriegsentwicklung auf die unbestrittenen Verbrechen der SED-Diktatur reduziert wird, öffnet sich zwischen dem medial vermittelten Geschichtsbild und der kollektiven Erinnerung der Ostdeutschen eine Kluft, die in einer Verweigerung vor der Geschichte münden kann. Differenzierung tut also not. Den Ostdeutschen, meinen Landsleuten und Schicksalsgenossen, kann nicht gerecht werden, wer nicht begreift, daß ein vieltausendfach richtiges Leben im falschen System möglich war und gelebt worden ist." Nationale Identität in ihrer demokratischen, weichgespülten Form war gefordert, und sie sollte bedient werden.

Der rein deutsche Blick aufs Weltgeschehen durfte sich Ausdruck verleihen in illustren Veranstaltungen wie "Neue soziale Bewegungen als demokratische Produktivkraft", veranstaltet von der Heinrich-Böll-Stiftung, die von den Produktionsverhältnissen nichts mehr wissen will, die stets dafür sorgen, daß soziale Bewegungen entweder keine oder eben eine modernisierende Wirkung entfalten. Auf dem Podium "Bevölkerungsbewegungen im Nachkriegsdeutschland. Von den Vertriebenen, Displaced Persons zu den DDR-Flüchtlingen" schienen in den letzten 50 Jahren nur deutsche Vertriebene, Opfer und vor allem deutsche MigrantInnen zu existieren, die anderen, nicht-deutschen kamen nicht vor.

Auch die PDS bzw. ihr Bildungsverein "Helle Panke", die Vorgängerin der in Gründung befindlichen Rosa-Luxemburg-Stiftung, durfte ihr Scherflein zur Sinnstiftung beitragen auf der Veranstaltung "Von der Staatspartei auf die Oppositionsbank, Herbstrevolution 1989 und SED", neben der Bundeswehr, deren sozialwissenschaftliches Institut die Veranstaltung "Labor der Einheit: Die Bundeswehr im vereinten Deutschland" durchführte und zeigte, daß sie nicht nur die NVA, sondern auch viele neue Nazis integrieren und durch national-symbolische Aktionen zur inneren Einheit beitragen kann.

Auf der Veranstaltung des Hamburger Instituts für Sozialforschung unter der Leitung Wolfgang Kraushaars zu "1968: Jugendrebellion im Spiegel ihrer unterschiedlichen Folgen in West- und Ostdeutschland" konnte allerdings keine Einigkeit hergestellt werden. Kraushaar wollte mit dem Generationenbegriff eine Grundlage bereitstellen, mit dem zwischen einer "Generationselite" und einer "Generationsmasse" unterschieden werden könne. Immerhin verwies er darauf, daß es sich 1968 um eine "globale Rebellion" handelte, bei der die Anstöße auch für die deutsche Protestbewegung aus den USA, aus Prag und aus Paris kamen.

Darauf verwies auch Dorothee Wierling, die daran erinnerte, daß in der DDR 1968 vor allem das Scheitern des Prager Frühlings bedeutete; die Systemopposition sei bereits in den frühen sechziger Jahren zum Erliegen gekommen. Im Westen sei 1968 das Private politisiert, im Osten dagegen das Politische zunehmend privatisiert worden.

Der andere Referent, der "Abhauer", Apo-Veteran und nationale Entfremdungsbeklager Bernd Rabehl, wollte in seinem Vortrag den "Einfluß der DDR-Flüchtlinge auf die Studentenbewegung und den SDS" darstellen, zeigte aber wohl wider Willen, daß der lediglich in seinem Denken existiert. Er führte selbst aus, daß fast das gesamte Theorie-Repertoire der Situationisten, der subversiven Aktion, der Kritischen Theorie und der Sozialpsychologie "westliches Denken" war.

Die "Abhauer", also Dutschke und er selbst, wollten diese Ideen mit dem kritischen Marxismus verbinden und praxistauglich machen. Unterbrochen von Zwischenrufen wie "Ausgewiesener Rechtsextremist", "Nur Müll, nur Scheiße, alles gelogen", stellte er schließlich seinen eigenen theoretischen Beitrag dar: Die "nationale Frage", die für ihn und Dutschke ein Mittel gewesen sei, aus der Isolation herauszukommen. Zu einer Klärung, was er mit der "nationalen Frage" meine, kam es nicht mehr, statt dessen zu wechselseitigen Beleidigungen.

Rabehl ist sicherlich kein Faschist wie Mahler, mit seinem Kokettieren mit nationalrevolutionären Positionen, seinem Gefühlsrassismus und seiner Verschwörungstheorie, daß eine Unterwanderung des deutschen Volkes stattfinde, befindet er sich in der Zeitgenossenschaft mit verwirrten Möchtegern-Radikalinskis, die in der Bereits-abgedruckte-Texte-Sammlung kalaschnikow mit männlicher Geste fordern, daß es Zeit werde, "die Reeducation-Linke abzuräumen. Ein gesunder Antiamerikanismus hat noch niemandem geschadet. Eine authentische Linke steht an."

Vielleicht bietet sich hier ein neuer Veröffentlichungsort an, Rabehl: Das ist tatsächlich die Alternative zur Jungen Freiheit.