Der Euro schwächelt

Fuck the Buck

Was dem europäischen Bomberpiloten über Jugoslawien erspart bleibt, das geschieht mit seinem Sold, dem Euro: Er stürzt ab. In der vergangenen Woche war der Eurokurs zum US-Dollar auf deutlich unter 1,05 Dollar gesunken. Fuck the buck, fluchen bereits die Banker in Euroland, denn es dürfte nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann ein Euro nicht mal mehr vier quarter oder zwanzig nickel wert sein wird.

Seit seinem Start im Januar jedenfalls hat der Euro, dessen Väter und Mütter großspurig angekündigt hatten, damit dem Dollar als Weltreserve-Währung Konkurrenz zu machen, mehr als zwölf Prozent eingebüßt. Tendenz weiter fallend. Die Ursachen sind eindeutig: der lückenhafte Stabilitätspakt, die schwache Konjunktur, der andauernde Kosovo-Krieg.

Die Realität hat gezeigt, was der Stabilitätspakt immer war: ein Euphemismus. Und sie hat mit linken und rechten Mythen aufgeräumt. Während die Rechten frohlockten und die Linken kritisierten, der deutsche Ex-Ex-Finanzminister Theo Waigel habe mit seinem Stabilitätspakt die deutsche Hegemonie in der europäischen Finanzpolitik gesichert, zeigte bereits das Vertragswerk, daß nicht alles so heiß gegessen wie gekocht wird.

Von Anfang an war klar: Der Stabilitätspakt enthält Ausnahmeregelungen. Zum Beispiel die, daß ein Teilnehmerstaat mehr Schulden als erlaubt aufnehmen darf, wenn die Konjunktur allzu dramatisch sinkt. Davon profitiert nun Italien, dem die EU-Finanzminister in der vergangenen Woche zugestanden haben, die Neuverschuldung auf 2,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes anzuheben. Diese sollte ursprünglich zwei Prozent betragen. Eine Nachricht, die den Euro ein paar Cents kostete.

Das Problem für die Stabilo-Fetischisten ist dabei weniger die konkrete Entscheidung der Finanzminister, die damit vom Prinzip des buchhalterischen Automatismus abrückten als vielmehr die langfristige Auswirkung dieses Präzedenzfalles. Wer sollte schließlich den anderen EU-Staaten verwehren, bei einer ähnlich schwierigen wirtschaftlichen Situation eine Gleichbehandlung zu fordern, statt im Inland unpopuläre Sparmaßnahmen durchzusetzen?

Die zweite Ursache für die Euro-Schwäche gegenüber dem Dollar ist die unterschiedliche konjunkturelle Entwicklung zwischen beiden etwa gleichstarken Wirtschaftsblöcken. Während das US-Wirtschaftswachstum weiterhin robust ist, zeigt Europas Konjunktur kaum Anzeichen einer Erholung. Die währungspolitische Folge ist, daß die amerikanischen Aktienmärkte zunehmend internationales Kapital anziehen, was wiederum die Nachfrage nach Dollars steigen läßt.

Sollte die amerikanische Notenbank demnächst tatsächlich die Zinsen anheben - wofür sich die Anzeichen mehren - dürfte der Run auf den Dollar erst richtig losgehen. Schon jetzt winken in den USA den Kapitalanlegern Zinsen von über fünf Prozent; Euro-Anleihen bringen es auf kaum 4,5 Prozent.

Die dritte Ursache für den tendenziellen Fall des Euro ist der Krieg. Ein Fakt, den die Politiker und Kommentatoren der bombardierenden Euro-Staaten geflissentlich ignorieren. Lieber verweisen sie auf "strukturelle Defizite" im Innern - gemeint sind die angeblich üppigen Sozialsysteme.

Allein die Neue Zürcher Zeitung macht mit Schweizer Neutralität darauf aufmerksam, daß nicht die "wirtschaftlichen Kosten der Intervention" das Problem sind, sondern "mögliche politische Unstimmigkeiten zwischen den EU-Staaten, die eventuell auch der Währungsunion schaden könnten". Zu offensichtlich sind die Differenzen in der Frage, ob Bodentruppen nach Belgrad marschieren sollen. Ein solcher Einsatz würde wohl so etwas wie ein europäisches Vietnam bedeuten - internationale Kapitalanleger aber parken in der Regel ihr Geld nicht in permanenten Krisenregionen.

Deshalb schwächt der Krieg, je länger er dauert - von den Kosten des Wiederaufbaus, die hauptsächlich Europa zu tragen haben wird, ganz zu schweigen - weiter den Euro und damit die europäische Integration. Diese ist die Voraussetzung dafür, daß auf die Wirtschafts- und Währungsunion sukzessive die politische folgt. Ohne eine politisch-militärische Integration jedoch wird der europäische Block dem amerikanischen keine Konkurrenz machen können - auch nicht währungspolitisch. Aber: Bis es so weit ist, wird noch viel Blut und Öl die Donau hinunterfließen.