Studie: Medien und Gender

Für Ihn

Seit jeher verfolgt die deutsche Medienforschung der Ruf eines sowohl der Realität als auch anderen wissenschaftlichen Disziplinen nachhinkenden Sekundärfaches. Tatsächlich spricht vieles für die These, daß zugunsten der kurzfristig verwertbaren Auftragsforschung von ihr die empirische und theoretische Grundlagenarbeit vernachlässigt wird.

Um so höher ist deswegen - trotz einiger Schwächen - die Leistung von Elisabeth Klaus zu bewerten, die mit ihrer nun veröffentlichten Habilitationsschrift "Kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung" das bisher umfassendste Kompendium dieser noch jungen, aber in den letzten Jahren an Bedeutung gewinnenden Disziplin vorgelegt hat.

Ausführlich zeichnet Klaus die noch relativ kurze Geschichte des Faches nach: Ausgehend vom Gleichheitsansatz der siebziger Jahre, über den Differenzansatz der achtziger Jahre, gelangt sie zum Geschlechteransatz der neunziger Jahre, der Geschlecht als historisch wandelbare, sozial und kulturell bedingte Konstruktion versteht, die symbolisch und wirkungsmächtig einen Rahmen für gesellschaftlich angemessenes männliches und weibliches Verhalten nahelegt, ohne es jedoch vollständig zu determinieren.

Von hier aus gelangt sie zu nicht unbedingt überraschenden Ergebnissen. Fast hatte man geahnt, daß das Geschlecht immer noch als Klassifikationssystem, Strukturkategorie und Ideologie das journalistische System prägt und Medienrealität nach wie vor weitgehend aus der Sicht von Männern für Männer hergestellt wird. In der EU etwa sind im audiovisuellen Sektor nur sechs Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Das Ergebnis: Im Fernsehen und in der Presse ist von Frauen fünfmal weniger die Rede als von Männern. Wenn Frauen auftauchen, dann in nicht gerade aussichtsreicher Position. Fast keine von ihnen hat einen Beruf, was Männern nur in einem von zehn Fällen widerfährt. Auch haben Männer fast ausnahmslos Namen, während jede dritte Frau namenlos durch die Medien geht.

Wenn von Frauen die Rede ist, dann häufig als Opfer. Anders gesagt: Die Medien reflektieren nicht die Realität, sondern geben sie verzerrt wieder. Tatsächlich scheinen sich die gesellschaftlichen Leitbilder jeweils erst mit einer Verzögerung von zehn Jahren in den Massenmedien durchzusetzen. Brauchbare Identifikationsmuster liefern sie folglich kaum.

Dennoch ist Klaus optimistisch, denn Medienrezeption sei auch sinnproduzierendes Handeln und könne durchaus positive Effekte haben. Zwar entspreche die Trivialisierung von Frauen in den Medien ihrer weitgehenden Nichtbeachtung in der Forschung, doch gebe es ja mittlerweile Publikationen von Frauen für Frauen, die positive Leitbilder böten. Bleibt allerdings die Frage, warum Männer sich offensichtlich ohne Sonderseiten ganz gut bedient fühlen.

Frauen arbeiten zwar verhältnismäßig häufiger in sogenannten Nischenbetrieben als in etablierten Unternehmen, doch in der Mehrheit sind sie so gut wie nirgendwo.

Ablesbar wird in dieser Studie allerdings auch, daß die Kategorie Geschlecht nicht in allen Domänen einen so hohen Erklärungswert hat, wie Klaus ihn ihr für den von ihr ausführlich behandelten Bereich der Gewaltwirkungsforschung zuspricht, sondern immer eingebunden bleibt in gesellschaftliche Strukturen und Faktoren.

Elisabeth Klaus: Kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung. Westdeutscher Verlag, Opladen/Wiesbaden 1998, 469 S., DM 84