Gefährliche Liebschaften

Vom Fusionsfieber auf dem Telefonmarkt profitieren vor allem die privaten Anbieter

Partnerwechsel ist derzeit angesagt in der europäischen Telekom-Industrie. Noch sind es die Platzhirsche der Szene, die großen ehemaligen Staatsmonopole wie die Deutsche Telekom, um die sich die meisten Verehrer scharen. Aber schon wenige Jahre nach der Marktöffnung im Telefonsektor gelingen der privaten Konkurrenz wie dem Ex-Röhrenbauer Mannesmann die strategisch günstigsten Verbindungen.

Unterstützung erhielt Mannesmann dabei vergangene Woche indirekt von den Aktionären der Telecom Italia: 51 Prozent der Telecom-Aktionäre gingen auf die Übernahme-Offerte von Olivetti ein. Die Fusion mit der Deutschen Telekom kommt wohl nicht mehr zustande. Die Turiner, erst seit knapp drei Jahren im Telefongeschäft, erwerben jetzt für 60 Milliarden Mark die Kontrolle über die Telecom Italia. Die Fusion mit den Deutschen kommt für das neue Management vorerst nicht in Frage. Denn zuerst soll rationalisiert werden - und damit verlieren etwa 20 000 Mitarbeiter ihre Arbeit.

Ihrer Kündigung zuvorgekommen sind die bisherigen Chefs der Telecom Italia - sie traten geschlossen zurück. Vielleicht haben sie auch nur keine Lust, sich mit den Schulden herumzuschlagen, die Olivetti mit nach Rom bringen wird.

Als Tölpel muß sich jetzt Ron Sommer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, beschimpfen lassen. Auf der Hauptversammlung in der letzten Woche beschwerten sich die Aktionäre darüber, daß Sommers Versuch, den italienischen Kollegen aus der Patsche zu helfen, ihren Aktienkurs versaut habe. Sommers "industrielle Logik der Fusion" habe niemand nachvollziehen können und jetzt stehe die Telekom ohne Partner da. Ob es wirklich nötig gewesen sei, dem langjährigen Partner France Télécom mit den Fusionsplänen derart "vor das Schienbein zu treten", wollte ein Aktionär wissen.

Weil die kurze Affäre der deutschen mit der italienischen Telekom ein Vertragsbruch sei, werde man jetzt klagen, erklärte der Partner in Paris. Er fühle sich "verraten", beklagte sich der Chef der France Télécom Michel Bon. Deshalb werden nicht nur alle laufenden Projekte mit den Deutschen gestoppt, sondern es wird auch gerichtlich Schadensersatz in Milliardenhöhe eingefordert.

Nur die gemeinsame Tochterfirma Global One, an der auch Sprint aus den USA beteiligt ist, bleibt bestehen. Das 1996 gegründete Gemeinschaftsunternehmen mit 2 500 Angestellten sollte Sprach- und Datenkommunikation weltweit "aus einer Hand anbieten" und den ganz Großen der Branche Konkurrenz machen.

Bis jetzt ist das ehrgeizige Projekt erfolglos und hat die erste Umstrukturierung schon hinter sich. Weiterarbeiten kann man bei Global One wohl erst, wenn die aktuelle deutsch-französische Krise überwunden ist. Ohne Ron Sommer: "Es ist nicht mein Job, ständig auf emotionale Beziehungen Rücksicht zu nehmen." Auch mit den Schadensersatzforderungen aus Paris will er sich nicht beschäftigen; eine Klage sei ja noch gar nicht eingereicht.

Einkaufen, nicht diskutieren - nur so könne man verhindern, daß die Deutsche Telekom zum Regionalanbieter ohne Relevanz verkümmere. Die Deutsche Telekom strebt nach höheren Weihen: "Wir sind entschlossen, einer der vier oder fünf Anbieter zu sein, die den Weltmarkt prägen" - solche Sätze von Sommer mögen die Aktionäre. Nach der Niederlage in Italien sucht die Telekom jetzt nach neuer Beute, um die notwendige Größe zu erreichen.

Und so werden fleißig Gerüchte gestreut: Das Handelsblatt berichtete, daß Unterhändler von Microsoft in Bonn über eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom verhandelten. Deren Betriebssystem Windows sichert die marktbeherrschende Stellung im Bereich der Computersoftware, jetzt geht es den Amerikanern um einen Einstieg in die Telekommunikation.

Die deutsche Telekom gilt auch als möglicher Kandidat für eine Übernahme des britischen Mobilfunk-Unternehmens One2One und der amerikanischen Sprint. Geld für weitere Zukäufe in den Geschäftsbereichen Internet, Mobilfunk und Computerdienstleistungen ist genug da: Ende Juni sollen neue Aktien ausgegeben und so die Kriegskasse der Telekom um 20 Milliarden Mark aufgestockt werden.

Während sich privatisierte Staatsunternehmen wie die italienische oder die deutsche Telekom mit panischen Aktionären herumschlagen, kann die private Konkurrenz in Ruhe ihren Geschäften nachgehen. Olivetti hat den Wandel vom Schreibmaschinenfabrikanten über den hochverschuldeten Computerhersteller bis zum Eigentümer der finanziell gesunden Telecom Italia geschafft.

Auch bei der deutschen Mannesmann AG kann man sich die Hände reiben. Anfang April schluckte der früher vor allem im Anlagenbau tätige Konzern die Festnetzgesellschaft Otelo. Arcor gehört sowieso zu Mannesmann. Und: Ein Nebenprodukt der Olivetti-Übernahme ist, daß Mannesmann jetzt auch europaweite Bedeutung im Telefonmarkt hat. Die Düsseldorfer übernehmen von Olivetti zwei Mobilfunkgesellschaften und wachsen damit zum "wichtigsten privaten Telefonanbieter in Europa". Statt sich mit schmutzigen Stahlwerken und dem Preiskampf im Stahlgeschäft herumzuschlagen, haben die Mannesmänner die Umwandlung in einen modernen Kommunikationsdienstleister geschafft.

Weitere "bedeutende Taten" seien schon in Planung, kündigte der Vorstandschef Joachim Funk an. Nachdem die Präsenz in Deutschland, Italien und Frankreich gesichert sei, gehe es jetzt um Marktanteile in Großbritannien, Spanien, Portugal und in Osteuropa. Im Gegensatz zur Telekom wickelt Mannesmann seine Einkaufstouren leise und schnell ab.