Kein Sm¿rrebr¿d für die EU

In Dänemark kandidiert die "Volksbewegung" aus rechten und linken EU-Gegnern für das Europa-Parlament

Eine rote Fahne, und in der Mitte eines Ringes aus gelben Sternen prangen Hammer und Sichel - so jedenfalls sieht für die Fremskrittsparti (Fortschrittspartei) die Flagge der Europäischen Union aus. Um ihre Abneigung gegen die EU zu illustrieren, hat sich die dänische rechtsextreme Partei auf ihrer Webpage besonders große Mühe gegeben. Neben der entstellten Fahne steht in knappen Sätzen, warum die EU unbedingt abzulehnen ist: Die Einheitswährung Euro, Bevormundung durch Bürokraten, Verlust der Selbstbestimmung, offene Grenzen und Immigration.

Die Kandidaten der Rechten möchten am 13. Juni trotzdem auf jeden Fall von den Dänen wieder ins EU-Parlament gewählt werden, denn von der angestrebten Zusammenarbeit mit europäischen Gleichgesinnten verspricht man sich eine ganze Menge. Die Ablehnung der Europäischen Union ist in Dänemark jedoch nicht nur auf die Rechtsextremen beschränkt. In der Zeitung Socialisten etwa inserierten linke politische Gruppen und Fachverbände in ihren traditionellen 1. Mai-Anzeigen - neben guten Wünschen für den bevorstehenden Feiertag und dem üblichen sozialpolitischen Sammelsurium - vielfach auch ausdrücklich Wahlempfehlungen für die Europawahl.

Dänemarks Kommunistiske Parti beispielsweise forderte dazu auf, bei der Europawahl die Kandidaten der Folkebev3/4gelse zu wählen. Diese Volksbewegung ist eine offene Liste, die zu den nationalen Wahlen gar nicht antritt. Sie existiert bereits seit 25 Jahren und hat sich quer zu den politischen Parteien organisiert; das Spektrum reicht dabei von Rechten und Konservativen bis hin zu Vertretern linker Positionen. Die äußerst unterschiedlichen Organisationen, die sich bei innenpolitischen Themen ansonsten oft spinnefeind gegenüber stehen, sind sich allerdings in einem Punkt einig: Ihr Ziel ist es, auf die "politische Abwicklung der Europäischen Währungsunion hinzuarbeiten und gleichzeitig zu verhindern, daß immer mehr Länder Euroland einverleibt werden".

Das soll mit Hilfe von Volksabstimmungen geschehen, die man nicht nur in Dänemark, sondern langfristig in allen Mitgliedsstaaten durchführen will. Und zwar möglichst schnell, denn man hofft zumindest für das eigene Land, die zum 1. Januar 2001 geplante Einführung des Euro doch noch verhindern zu können.

Die Argumente der volksbewegten Gegner der zukünftigen europäischen Währung sind dabei nicht besonders neu. Sie befürchten Nachteile für soziale Randgruppen und Menschen in Nicht-EU-Ländern. Doch der eigentliche Punkt ist schlicht ein nationaler: Das Parlament soll weiterhin über die dänische Geld- und Finanzpolitik bestimmen. "Politisch betrachtet, ist die Europäische Währungsunion ein Projekt, das Demokratie und Selbstbestimmung in den Mitgliedsländern unterminiert", schreibt Lave K. Broch auf den Internetseiten der Volksbewegung.

So ähnlich liest sich dies auch auf bei der Fremskrittsparti, die ebenso das Recht auf Selbstbestimmung und Nichteinmischung von außen betont und darauf drängt, daß dänische Probleme nur in Dänemark gelöst werden können.

Lave K. Broch muß diese Parallele auch aufgefallen sein, denn er fährt fort: "Die wirtschaftlichen Strukturen der Länder Europas sind sehr unterschiedlich. Daher werden die ökonomischen Bedürfnisse von Skandinavien im Norden bis zum südlichen Mittelmeer unterschiedlich sein. Die EWU weiter voranzutreiben - so könnte es sich erweisen -, würde die Europäer spalten, anstatt uns zu guten Freunden über die Grenzen hinweg zu machen." Die Kampagne der Folkebev3/4gelse, "STOP EURO'en" soll daher "ein grenzüberschreitendes und all-europäisches Netzwerk" sein, offen für "alle Organisationen und Einzelpersonen, die sich den Menschenrechten verpflichtet fühlen".

Kürzlich führte man sogar eine internationale Euro-Konferenz gegen die neue Währung durch, auf der die Grundlagen der Kampagne "Stop Euro" von den 100 Teilnehmern aus Schweden, Großbritannien, Frankreich und Dänemark verabschiedet wurden. Am 9. Mai gründete sich in Kopenhagen die dänische Arbeitsgruppe der Volksbewegung, die die internationale Koordinierung übernehmen soll. Die Kandidatenliste der Volksbewegung umfaßt 20 Personen aller Altersstufen mit überwiegend akademischen Berufen. Ihr Spitzenkandidat, der Jurist Ole Krarup, bereits Mitglied des Europäischen Parlamentes, sieht neben dem Kampf gegen die "antifolkelige" EU die Abwehr von Fremden als sein Hauptaufgabengebiet.

Im Unterschied zur Fremskrittsparti fürchtet er sich jedoch nicht vor ausländischen Menschen, sondern vor eingewanderten Bakterien: "Mangelnde Kontrolle der Volksgesundheit hat ihren Ursprung in der Forderung der EU nach Freizügigkeit für Nahrungsmittel - und Bakterien". Besonders die Salmonellen haben es ihm angetan, die sich scheinbar vermehrt die Einreise nach Dänemark erschleichen.

Auch Christian Thygesen, ein weiterer Volksbewegungs-Kandidat, betont auf seiner Homepage, daß "die EU keine Zusammenarbeit" bedeute. "Sie ist eine Fusion zwischen früher selbständigen Staaten." Viel mehr hat auch er gegen die Union nicht vorzuweisen. Deswegen betont er, daß Dänemark das einzige Land sei, dessen EU-Widerstand direkt im europäischen Parlament repräsentiert werde. "In anderen Staaten würden sich Millionen Menschen wünschen, mit ihrer Stimme ausdrücken zu können, was sie von der Entwicklung der Union wirklich halten", erklärt Thygesen. Dabei scheint er zu vergessen, daß in Europa sehr wohl Kandidaten der extremen Rechten als EU-Gegner ins Parlament gewählt wurden.

Statt dessen beschwört man bei der Volksbewegung immer wieder die Vergangenheit, nämlich die Volksabstimmung von 1992, in der sich damals eine knappe Mehrheit der Dänen gegen den Beitritt zur EU entschied. Nach einem weiteren Plebiszit wurde man dann zwar doch Mitglied, aber diese Niederlage der EU-Gegner wird einfach übergangen.

Mit Blick auf die zunehmende Argumentlosigkeit der Folkebev3/4gelsen war der Nato-Krieg gegen Jugoslawien ein Glücksfall. "Bei den Spitzentreffen der Nato wurde großer Druck auf Dänemark ausgeübt", weiß die Volksbewegung zu berichten, "damit das Land seine Vorbehalte gegen die Außen- und Militärpolitik der EU aufgibt." Und das kann - nicht nur aus pazifistischen Gründen - den EU-Gegnern nicht gefallen. Denn der Krieg auf dem Balkan werde von der Europäischen Union als Sprungbrett benutzt, neben einer Militärunion "auch eine gemeinsame Außenpolitik zu etablieren" - ein weiterer Grund, die EU aufzulösen.

Besonders erfolgreich sind die bisherigen Europa-Parlamentarier der Volksbewegung bei der Abschaffung der EU von innen heraus zwar noch nicht gewesen. Trotzdem ist man für die anstehende Europawahl sehr optimistisch. Eine Abstimmung unter den Lesern der Tageszeitung Jyllands Posten Anfang Mai dieses Jahres, nach der acht Prozent die Folkebev3/4gelsen wählen würden, wurde von Lis Jensen geradezu euphorisch kommentiert. "Wir beginnen zu glauben, daß die Volksbewegung drei Mandate erreichen kann", kommentierte sie. Drei Mandate, die die EU unzweifelhaft verändern werden.