Inder-Protest beim EU-Gipfel

Revolutionstouris

Bisher von der hiesigen Solidaritätsszene völlig unbeachtet, organisieren seit Jahren in Indien LandarbeiterInnen erfolgreiche Aktionen gegen den US-amerikanische Saatgutkonzern Monsanto. Seit 1992 werden Büros von Saatgutfabriken besetzt und Felder in Brand gesetzt, auf denen der Konzern Versuche mit genetisch manipulierten Samen durchführt. An der Spitze der Proteste steht der LandarbeiterInnenverband der südindischen Provinz Karnataka, KRRS.

Ab Ende Mai sind 500 indische Bauern und Bäuerinnen im Rahmen der Internationalen Kontinentalen Karawane auf Informationstour durch verschiedene westeuropäische Länder. Das Hauptziel ist Köln, wo der EU-Gipfel und der Weltwirtschaftsgipfel stattfinden. Bei diesen Gelegenheiten wollen die indischen Bauern und Bäuerinnen in erster Linie gegen die internationale Agrarpolitik protestieren.

Auch VertreterInnen von Landlosenbewegungen verschiedener lateinamerikanischer Länder werden sich daran beteiligen. Nicht als arme, bemitleidenswerte Opfer wollen sie in Europa auftreten, sondern als politische AktivistInnen, die von ihren Kämpfen gegen die Welthandelsorganisation (WTO) berichten wollen.

Das Projekt ist auch für die hiesige Solidaritätsbewegung etwas Neues. War doch Revolutionstourismus bisher immer ein Privileg der Soli-AktivistInnen aus Westeuropa oder den USA, die über das nötige Kleingeld verfügen, in andere Länder zu jetten. Mit der traditionellen Solidaritätsbewegung allerdings will die Initiative Peoples Global Action (PGO), die die Karawane organisiert, wenig zu tun haben. Zur PGO haben sich im Februar 1998 neben der südindischen KRRS, VertreterInnen der brasilianischen Landlosenbewegung MST, der mexikanischen Zapatistas und der nigerianischen Ogonibewegung Mosop zusammengeschlossen. Hauptziel dieser Initiative ist der Kampf gegen den Freihandel, der die Existenzgrundlage der Bauern gefährdet. Bündnisse mit der gewerkschaftlichen Linken sind in ihrem Konzept nicht vorgesehen.

Für diese Orientierung mag die trikontinentale Landlosenbewegung Gründe haben. Zu hinterfragen sind sie allemal. Groß aber ist die Gefahr, daß die Bewegung von hiesigen SolidaritätsaktivistInnen zur Nachahmung empfohlen wird. Schließlich wurde vor Monaten von der Chiapas-Solidaritätsbewegung ernsthaft diskutiert, ob man nach dem Vorbild der von den Zapatistas organisierten Consulta auch in der BRD eine Volksbefragung ins Leben rufen soll.

Da ist es nur eine Frage der Zeit, wann in mancher alternativen Landkommune, in der die Karawane Rast macht, ein neoromantisches Ideologiegebräu von Mutter Erde und der heiligen Natur mit internationalistischen Weihen recycelt wird.

Eine widerspruchsfreie Identifikation mit den kämpfenden Bauern und Bäuerinnen zumindest wird es nicht so leicht geben können. Diese Erfahrung haben die hiesigen Karawanen-KoordiatorInnen schon gemacht, als sie sich mit den Vorwürfen auseinandersetzen mußten, die die bekannte indische Ökofeministin Vandana Shiva in die Welt setzte. Sie diffamierte die Karawane in einem via Internet verbreiteten Brief ohne Beweise als Handlangerin der Saatgutindustrie. Der Grund war jedoch banal: Animositäten zwischen Führungspersönlichkeiten verschiedener Organisationen in Indien.