Für Vogeljäger und Stierkämpfer

Die bürgerliche Rechte Frankreichs bleibt auch zu den EU-Wahlen zerstritten

Als die Champagner-Korken knallten, waren sie nicht nur angeheitert, sondern auch einigermaßen zuversichtlich: die Anhänger der französischen bürgerlichen Rechten. Kurz vor den Europawahlen macht sich nun jedoch Katerstimmung breit. Zum Jahreswechsel hieß es noch: "Die düsteren Wolken sind auf einmal verzogen, und der blaue Himmel reißt auf." Grund für die Hoffnung war die Spaltung des neofaschistischen Front National (FN), woraus man politisches Kapital zu schlagen suchte.

Heute jedoch ist die bürgerliche Rechte zersplitterter denn je: In drei politischen Blöcken tritt sie zur Europaparlamentswahl am 13. Juni an. Zum ersten ist da die Liste der christdemokratischen-liberalen UDF. Diese beschloß im Januar dieses Jahres ihre eigenständige Kandidatur, weil der gaullistische RPR und die ultraliberale Démocratie libérale (DL) im Lyoner Regionalparlament mit jenen konservativen Regionalpolitikern zusammenarbeiteten, die in der dortigen Region mit den Neofaschisten verbündet waren.

Die UDF stimmte in Lyon gemeinsam mit den Linken gegen dieses von Charles Millon geführte Bündnis. Seitdem versucht die UDF, mit einem europabegeisterten und ansonsten ausgesprochen unpolitischen Wahlkampf auf sich aufmerksam zu machen. Ihr TV-Wahlspot: "Die UDF wird in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) sitzen, die neben jener der Sozialisten die zweite große Fraktion des EU-Parlamentes bildet. Damit Frankreichs Interessen dort gut vertreten sind, ist es wichtig, daß wir so zahlreich wie möglich sind."

Die zweite Formation nennt sich selbst "souveränistisch" und wird von dem national-autoritären und populistischen Ex-Innenminister Charles Pasqua angeführt. Die Bezeichnung "Souveränisten" umfaßt die auf den klassischen bürgerlichen Nationalstaat als zentralen Politikrahmen fixierten, national-konservativen EU-Gegner. Pasqua, Dissident des gaullistischen RPR, ist seit April mit dem stockreaktionären Grafen Philippe de Villiers und seiner rechtskatholischen Bewegung für Frankreich (MPF) verbündet.

Pasquas und de Villiers' Liste mobilisiert auf eher folkloristische Art und Weise für die Unabhängigkeit Frankreichs: Französisches Brauchtum - zum Beispiel die Praktik des Stierkampfs im Süden des Landes und die traditionelle Jagd auf Singvögel - sei von EU-Vorschriften bedroht.

Pasqua hatte anfangs versucht, sich in typisch gaullistischer Manier als überparteilicher Einiger "jenseits von Links und Rechts" zu profilieren. Er erhob die Verteidigung der Nation zum Hauptziel, das Parteigrenzen hinfällig werden ließe. Dabei definierte er Nation nicht - wie die Rechtsaußen - als ethnisch reine Blutsgemeinschaft, sondern als politischen Rahmen, der über ideelle Zugehörigkeit und nicht über Abstammung zusammenhalte.

Als nach der Fußball-WM vom Juli 1998 die jungen Immigranten als Torschützen gefeiert wurden, hatte Pasqua versucht, auf der Welle der Begeisterung zu surfen, und gefordert, ein starkes und einiges Frankreich müsse die Kraft haben, die illegalen Immigranten zu legalisieren. Dennoch sind Pasquas Kandidaten ausnahmslos weit rechts angesiedelt. Einer der prominentesten ist Jean-Charles Marchiani, der von 1995 bis 1997 als Präfekt, also Vertreter des Zentralstaats, im südfranzösischen Toulon diente. Dort hatte er den FN-Bürgermeister im Kampf gegen das "entartete" Kulturzentrum Ch‰teauvallon den Rücken gestärkt.

Die dritte, von ihrem mutmaßlichen Wähleranhang her stärkste Liste der Rechten, versucht, zwischen UDF und "Souveränisten" die Mitte zu halten. "Frankreich" und "Europa" seien, so das Bündnis aus RPR und DL, kein Gegensatz; man sei für "Europa, das wir wollen, und Frankreich, das wir lieben".

Die Aufsplitterung der bürgerlichen Rechten in drei getrennte Listen illustriert die anhaltenden strategischen Schwierigkeiten ihres Lagers. Zwei große Probleme bleiben nach wie vor ungelöst. Zunächst hat die bürgerliche Rechte innenpolitisch wenig glaubhafte Regierungsalternativen anzubieten. Die kurze Regierungsphase der bürgerlichen Kabinette Balladur (ab 1993) und Chirac/Juppé (1995 bis 1997) endete in einem Fiasko, da beide Rechtsregierungen nach kurzer Zeit mit starken sozialen Protesten und Streiks konfrontiert waren.

Die Sozialdemokratie unter Lionel Jospin hat eine deutlich höhere Fähigkeit bewiesen, die angeblich notwendigen neoliberalen Reformen umzusetzen. Sie schafft durch ihre Nähe zu den Gewerkschaften und das Bemühen um "sozialen Dialog" eine weit größere Integrationsfähigkeit als die Rechte mit ihrem Versuch eines sozialen Frontalangriffs.

Zum zweiten bleibt das strategische Problem bestehen, wie mit den Neofaschisten umzugehen sei. Der französische Neofaschismus tritt in Form von zwei getrennten politischen Formationen, dem Front National (FN) unter Jean-Marie Le Pen sowie dem Mouvement National (MN) unter Bruno Mégret, zur Europaparlamentswahl an. Zusammen werden ihnen neun bis zwölf Prozent der Stimmen prognostiziert, vier Fünftel davon für den FN.