Revisionismus an der Uni

Note: Sehr gut

Die juristische Grundlage für die Strafverfolgung von Jean Plantin war dünn. Beschuldigt der "Verbreitung jugendgefährdender Schriften", verurteilte ihn das Gericht zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und zu einer Geldstrafe. Der Historiker Plantin hatte im Juli 1998 den "Kreis für Zeitgeschichte" initiiert und eine geschichtsrevisionistische Zeitschrift mit dem Titel Akribeia herausgegeben. "Die Namen revisionistischer Autoren werden neben die anderer Autoren, Historiker, Forscher, Schriftsteller gestellt, um den Eindruck einer seriösen historischen Arbeit zu vermitteln", beschreibt das Prozeß-Gutachten die Zeitschrift.

Das Verfahren ergab , daß Plantin seine Magisterarbeit im Fach Geschichte an der Universität Lyon-II über Paul Rassinier verfaßt hatte. Für die Arbeit, die sich apologetisch mit den Schriften des Holocaust-Leugners beschäftigt, erhielt er 1990 die Note "Sehr gut". Ein Jahr später erwarb Plantin ein weiteres Diplom an der Hochschule Lyon-III , und zwar mit einer Arbeit zum Thema "Die Typhus-Epidemien in den deutschen Konzentrationslagern". Auch dies ist ein Spezialthema der Revisionisten: Die Gaskammern dienten ihnen zufolge der Vernichtung von Flöhen, um die Verbreitung von Seuchen zu verhindern.

Die in diesen Skandal verwickelten Professoren schienen anfangs nichts mit revisionistischen Positionen zu tun zu haben. Yves Lequin, der Plantin seinen zweiten Titel verlieh, ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Centre d'histoire de la Résistance et de la déportation. Er will deshalb kein Mißtrauen gehegt haben, weil die Arbeit des Studenten über Rassinier von seinem Professorenkollegen Régis Ladous ein "Sehr gut" erhalten habe.

Ladous aber ist nun ins Zwielicht geraten: 1991 hatte er zwar einen Aufruf gegen die "revisionistische Infiltration" der Lyoner Unis unterzeichnet, zwei Jahre zuvor jedoch die Betreuung einer Magisterarbeit über "Das Thema der Rasse in der nationalen Emanzipation" am Beispiel der Schulungskurse für SS-Offiziere akzeptiert.

Der Versuch, politische Spuren zu verwischen oder Naivität gegenüber revisionistischen Tendenzen an den Hochschulen? Vielleicht wird man bald mehr wissen: Der Rektor der Universität Lyon-II, Bruno Glass, hat eine Untersuchungskommission zu allen Vorfällen an der Hochschule eingesetzt. Ladous und Lequin haben es einstweilen vorgezogen, von ihren Posten zurückzutreten, Ladous freilich bisher nur in seiner Funktion als Leiter des Fachbereichs Religionsgeschichte.