Die EU zieht ein ins Kosovo

Protektorat ohne Grenzen

Warten auf den Frieden: Daß sich Gerhard Schröder des diplomatischen Erfolges seiner EU-Ratspräsidentschaft am Ende doch nicht mehr so sicher war, wie noch auf dem Kölner Gipfel verkündet, gestand er am Wochenende der Welt am Sonntag: "Man sollte aufhören, in solchen Kriterien wie Sieg und Niederlage zu denken", gab sich der Kanzler nach elf Wochen Luftkrieg von seiner zivilen Seite.

Für die wird die Europäische Union auch im Kosovo zuständig sein, wenn die Pläne erst einmal unterzeichnet sind, um die bis zuletzt verhandelt wurde: Nicht am Pentagon vorbei kommen die Europäer zwar, was die militärischen Nachkriegsstrukturen angeht. Das Projekt der EU aber wird sein, die in Rambouillet auf die internationale Tagesordnung gesetzte Autonomie des Kosovo umzusetzen - angeführt von einem eigenem Protektor, dem Leiter der sogenannten Implementierungs-Mission.

Der schon kraft seines Amtes dafür sorgen dürfte, daß Schröders neuestes Kriegsziel sich auf dem Amselfeld nicht so schnell erfüllen wird: "Was sich durchgesetzt hat, sind die Prinzipien Demokratie, Achtung der Menschenwürde, Achtung auch der unterschiedlichen Religionen, Solidarität im Zusammenleben ethnischer Minderheiten. Diese Prinzipien haben gewonnen."

Was für die Mitarbeiter des Kanzleramtes noch zutreffen mag, gilt für die Republiken südlich der Donau schon lange nicht mehr. - Wie die Erfahrungen mit dem ersten Balkan-Protektorat - der in Dayton geschaffenen internationalen Verwaltung für Bosnien - gezeigt haben. Denn sowenig es dem Hauptgeldgeber EU dort um den Aufbau einer funktionierenden demokratischen Verwaltung ging, sowenig geht es ihr in der südserbischen Provinz um die Wahrung von demokratischen Rechten für die Kosovo-Albaner. Der Totgeburt von Dayton könnte schon bald die von Rambouillet folgen: Denn auf der Agenda der Europäer für das Kosovo stehen nicht irgendwelche Autonomierechte, sondern die zügige Umsetzung internationaler Politikkonzepte.

Während sich die internationalen Institutionen in Bosnien nach Dayton noch zeitliche Grenzen setzten, was das Aufrechterhalten der - auch für das Kosovo vorgesehenen - "vorläufigen Verwaltung" betraf, hat der G 8-Plan solche Grenzen nicht mehr vorgesehen. Das Kosovo-Protektorat kennt keine Limits: So könnte Pristina Sarajewo als "Welthauptstadt des Interventionismus" (The Times) bald ablösen. Wie schnell aus der - nur auf dem Papier - begrenzten Macht einer Übergangsverwaltung ein unbegrenztes Protektorat werden kann, zeigt die Dynamik der wachsenden internationalen Einmischung auf dem Balkan.

So dürfte es auch nicht verwundern, wenn die UCK als vermeintlicher Profiteur einer Autonomie das Zweckbündnis mit der EU eines Tages wieder aufkündigt, weil ihr auf Dauer mit der "territorialen Integrität" innerhalb Jugoslawiens nicht geholfen ist. Selbst in Rambouillet war da mehr drin: Mit dem dort vereinbarten Referendum hätte sich zumindest in drei Jahren die Unabhängigkeit herbeistimmen lassen. Doch von solchen Fristen redet nun keiner mehr. Unabhängigkeit? Danach können Rugova, Bukoshi, Thaci und wie die selbsternannten Kosovo-Premiers alle schon geheißen haben, noch lange schreien. Unter Aufsicht der EU.