Frauenpension mit Graubrot

Interview mit der Schauspielerin Katy Karrenbauer über ihre Rolle als Knast-Lesbe in der RTL-Serie "Hinter Gittern"

In Soaps und Sitcoms gibt es momentan so eine Art Lesben-Boom. Dennoch ist Walter eine Ausnahme-Figur. Lesbische Figuren tauchen entweder als Nebenfiguren auf oder werden nach einer gewissen Zeit aus der Serie herausgeschrieben. Oder sie sind eigentlich heterosexuell und durchleben nur eine lesbische Phase. Daß sich Walter in einen Mann verliebt, scheint aber ausgeschlossen.

Ich glaube, daß eine Figur wie Walter niemals bisexuell oder gar heterosexuell sein darf, das wäre ein Schlag ins Gesicht, und alles, was ich mit der Figur aufzubauen versucht habe, wäre zunichte.

Die US-amerikanische Schauspielerin Ellen de Generes mußte darum kämpfen, ihre Serien-Freundin auch nur küssen zu dürfen. Die lesbische Beziehung sollte möglichst asexuell sein, so daß dem Zuschauer immer noch das Interpretationsmodell der "Frauenfreundschaft" blieb. Das Drehbuch von "Hinter Gittern" ist da expliziter. Walter und Vivien waren eindeutig ein Liebespaar.

Es geht darum, keinesfalls Homosexuelle mit der Rolle zu denunzieren, deswegen muß ich auch wirklich küssen und den Frauenkörper anfassen. Es darf auch niemals so wirken, als ob ich Angst davor hätte. Das war für mich die größte Herausforderung dieser Rolle, weil ich eben nicht lesbisch bin. Genauso gehe ich mit der Rolle um, ich versuche mit der Figur, Barrieren aufzuheben. Es gibt viele Lesben, die sagen: Finde ich nicht in Ordnung, was du da machst. Aber genau so viele, auch aus meinem Bekanntenkreis, die sagen: Wir fühlen uns ganz gut vertreten.

Wie äußert sich die Kritik von Lesben?

Kritisiert wird zum Beispiel der sexuelle Aspekt, daß Walter mit allen vögele, warum es denn keine stabile Beziehung geben könne. Diese Affären haben natürlich auch mit Handlungsbögen zu tun, weil sich eine Figur auch irgendwann totläuft, wenn nur die eine Liebesgeschichte erzählt wird. Die Serie ist kein Reality-TV, sondern versucht, kleine Dramen zu erzählen, und die bleiben nur dann spannend, wenn mit den Figuren etwas passiert.

In der Mitgefangenen Vivi hatte Walter die ideale Partnerin gefunden, aber die Figur ist inzwischen rausgeschrieben.

Es ist einfach schön, daß die Figur ihre große Liebe gefunden hatte. Das ist natürlich auch ein Aspekt, den viele Lesben kritisieren: Warum geht Vivi dann mit einem Mann zusammen? Die Darstellerin wollte die Serie verlassen, und die Autoren wollten, daß die Figur "draußen" etwas Positives erlebt. Da Vivi immer Kinder gewünscht hatte, war es natürlich das Eleganteste, sie an diesen Punkt zu führen und zu sagen, es gibt da diesen Mann und die Kinder. Das war ganz klug gelöst, aber schade für die Figur der Walter.

Sind das nur dramaturgische Notwendigkeiten oder auch Kompromisse mit dem Publikum, weil man fürchtet, daß es sich abwendet, wenn das lesbische Thema dominiert?

Man darf nicht vergessen, daß die Serie eine Knastgeschichte erzählt. Es geht natürlich um dieses Leben im Gefängnis. Es gibt viele Frauen, die sich in der Situation des Eingesperrtseins zusammentun, einfach weil sie Nähe wollen und der Meinung sind, das allein nicht durchstehen zu können: Deshalb entstehen auch immer diese bisexuellen Latenzen. Wir wissen, daß dieses Motiv, sich nach Liebe zu sehnen, im Knast nicht unüblich ist. Und diese Geschichte wird jetzt einfach erzählt.

... die Beziehung zwischen Walter und Susanne Teubner.

Walter hatte in den ersten Folgen sofort versucht, sie anzubaggern, und ist abgeblitzt. Susanne hatte ihre Männergeschichten, sie hat sich von einem in den nächsten verliebt, bis es nachher ihr Rechtsanwalt war.

Susanne Teubner war klar heterosexuell definiert.

Für mich als Figur war es total schwierig zu sagen: Das ist eine Heterofrau, ich habe sie angebaggert, sie hat mich abblitzen lassen. Was nun aber passiert: Walter hat keine Macht mehr auf der Station, sie kann sich zwar noch mit den Fäusten wehren, hat aber keinen Zugriff mehr. Walter sehnt sich nach Liebe, und sie braucht eine neue Aufgabe. Und dadurch kommen die beiden Frauen zusammen.

Welche Möglichkeiten haben Sie, die Rolle mitzugestalten?

Ein grundsätzliches Mitspracherecht gibt es natürlich nicht, aber wenn man über einen so langen Zeitraum zusammenarbeitet, schauen sich die Autoren sehr genau an, was ein Schauspieler anbietet, mit welcher Figur es zum Beispiel gut funktioniert. Auf diese Weise bringt man sich indirekt schon ein.

Gab es Szenen, die Sie ungern gespielt haben, wo Sie gedacht haben, das paßt nicht zu der Figur, zum Beispiel als Walter den Elektriker verführen mußte?

Das passiert ganz oft, wobei die Elektriker-Szene eher witzig angelegt war. Es ging darum zu demonstrieren: Hauptsache, es ist ein Typ, und zwar keiner von den Schließern. Deshalb war es auch so kurios, daß das ein kleiner Dicker war, weil sich daran eben gezeigt hat, daß Walter, die nun wirklich nichts mit Männern am Hut hat, lediglich schwanger werden will, und zwar für ihre Freundin. Das war toll für die Figur.

Welche Szenen waren weniger witzig?

Das sind die Situationen, in denen Walter sehr brutal agiert, wo ich merke, daß es da Hemmschwellen gibt. Walters erste grausame Szene war, daß sie einer Figur die Hände an der Bügelmaschine verbrannte. Die Maskenbildner hatten ganze Arbeit geleistet und scheußliche Blasen aufgeschminkt. Ich sah auf diese Hände und das quiekende Mädchen, und mir standen die Tränen in den Augen. Ich wollte so nicht sein, ich wollte auch als Walter nicht so sein, aber das war meine Rolle. Die Kollegin schrie und weinte und streckte mir die Hände entgegen, und ich mußte darüber lachen, das heißt, die Figur lachte darüber. Als Schauspielerin ist es toll, das spielen zu dürfen, aber vom Gefühl her war es Horror.

Walter ist streitsüchtig, launisch, herrisch, sie prügelt und kontrolliert die Mitgefangenen. Mögen Sie den Charakter?

Walter war für mich am Anfang so eine Art Rambo für Arme, und ich habe versucht, in der Rolle unheimlich cool zu sein, aber wußte noch nicht, wo es für mich und für die Figur langgeht. Inzwischen weiß ich, daß die Rolle das beste ist, was mir passieren konnte.

An welchen Filmfiguren haben Sie sich orientiert?

Es gab nicht wirklich ein Vorbild, das paßt, aber natürlich eine Orientierung an den amerikanischen Knastfilmen oder dem Action-Film. Und es geht natürlich nicht darum, ein Abklatsch von irgendwas zu sein, denn die Figur muß sich über viele Folgen entwickeln können, also muß man das alles selbst in sich finden, zum Beispiel die Gewalt, wie sieht das aus, wenn ich zuschlage: Wie würde ich zuschlagen? Ich habe versucht, das bei mir zu entdecken, was eher maskulin ist, und ich bin ja mit Sicherheit eine Frau, die man maskulin nennen würde.

Wer schaut sich die Serie an, doch vor allem Frauen?

Man hat natürlich angenommen, daß die Serie vor allem von Frauen gesehen wird, aber inzwischen ist das Geschlechterverhältnis ungefähr 60 zu 40.

Wie reagieren Männer auf eine Figur wie Walter?

Ich glaube, daß bei Männern die lesbische Liebe ganz gut ankommt. Dadurch tut ihnen Walter nichts.

Aber Walter schnappt ihnen die Mädels weg.

Männer, die mir begegnen, haben einen Heidenrespekt vor Walter, sie können sie nicht einschätzen, und andererseits mustern sie mich schon und überlegen sich, ob ich ein Kraftpotential wie Walter aufbauen könnte.

Wenn in der "Lindenstraße" eine Figur ausscheidet, kommt es vor, daß Zuschauer anrufen, um sich für die "freie Wohnung" zu bewerben. Werden Sie manchmal mit Walter verwechselt?

Ich habe irgendwann angefangen, ein Käppi und eine Sonnenbrille zu tragen, wenn ich rausgehe, und ich kann mich erinnern, daß ich früher über Schauspieler gedacht habe: Abends mit einer Sonnenbrille rausgehen, wie blöd! Auch das Käppi ist sowas wie ein Schutz, obwohl es das gerade nicht ist, wenn man in einen Laden geht und dort als einzige sowas trägt, fällt man nur noch mehr auf.

Die Leute erkennen einen, und sie gehen auch spontan mit dem um, was sie in der Serie gesehen haben.

Wie sieht das aus?

Einmal saß ich mit meinem Manager im Auto, es war Sommer, wir steckten im Stau und hatten die Scheiben runtergekurbelt. Neben uns stand ein Wagen, in dem mehrere Elektriker saßen, die guckten ständig zu uns rüber. Du kannst in so einer Situation auch nicht ausweichen, und dann brüllte einer los: Ey, Walter, letzten Monat mit einem Elektriker gefickt?

Was gefällt den Zuschauern an Walter?

Es gibt viele, die diese Figur als Vorbild sehen, und man merkt bei Männern wie Frauen, daß sie das Gewalttätige an Walter besonders mögen, daß diese Frau sich gegen Männer stellt und bereit ist, mit körperlicher Gewalt ihr Recht zu verteidigen. Und das sind dann die, die einen auf der Straße an-sprechen und sagen: Super, wie du dem auf die Fresse gehauen hast. Solche Reaktionen kommen häufig vor. Es ist ein Punkt, wo ich allerdings sehr gespalten bin.

Walter hat inzwischen eine eigene Fangemeinde. War das kalkulierbar?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe befürchtet, daß die Figur für die Zuschauer zu negativ, zu hart ist und deshalb gerade bei den über 30jährigen abgelehnt wird. Die Jüngeren, dachte ich, finden sie vielleicht ganz witzig. Vor fünf, sechs Jahren wäre die Figur aber mit Sicherheit untergegangen.

Hat der Erfolg von Walter auch damit zu tun hat, daß sie mit Klischees offensiv umgeht, zum Beispiel auch keine Angst hat, maskulin zu wirken.

Warum Walter Kult ist, weiß ich nicht. Ich finde es gut, daß sie eben nicht ein plakativ schöner Mensch ist, obwohl genau das für die Serie mal angedacht war. Aber als ich zum Casting kam, war man anscheinend ganz froh, sonst wäre ich wohl heute nicht mehr hier.

Könnte das Brutalo-Image von Walter für Sie zum Problem werden, was Besetzungen angeht?

Man merkt schon, daß das, was an Angeboten kommt, sehr eindimensional ist. Aber das war früher schon so. Wenn man mich anguckt, dann weiß man, daß ich mich nicht unbedingt als liebende Mutter eigne. Wobei ich das durchaus gern mal spielen würde. Aber ich eigne mich natürlich einfach mehr für die etwas tougheren Charaktere. Schon wegen der dunklen Stimme bekomme ich viele maskulin geprägte Rollen angeboten. Tunte, Nutte, Domina, das war immer so eher meine Fraktion. Es war nicht wirklich die Bereitschaft da, dieses Gesicht mal mit etwas anderem verbinden zu wollen.