Deutsche im Ausland

Kompakter Wohnen

Knappe zehn Jahre nach der Wende von 1989/90 ist es wohl an der Zeit, ein Resümee der vielen tollen Sachen zu ziehen, die diese Zeit für Deutschland mit sich gebracht hat. Zum Beispiel wurde die "Möglichkeit der Hilfen für die Deutschen in ihren Siedlungsgebieten in bis dahin nicht vorstellbarer Weise" erweitert, schreibt der Info-Dienst Deutsche Aussiedler.

Der Info-Dienst hat aber noch mehr zu feiern: Zum einen wurde gerade die hundertste Ausgabe publiziert, zum anderen gibt es einen neuen Verantwortlichen für das Heft: Jochen Welt (SPD), der Aussiedlerbeauftragte der rot-grünen Bundesregierung.

Deutsche Siedlungsgebiete, das sind nicht etwa nur Hessen, Sachsen oder Thüringen, sondern beispielsweise auch Kasachstan, die Ukraine, Weißrußland, Aserbaidschan, Polen oder das ehemalige Jugoslawien.

Die in diesen Staaten lebenden "rund 2 Millionen Angehörigen deutscher Minderheiten" wurden, schreibt der Info-Dienst, früher von den Sowjetrussen so sehr unterdrückt, daß sie sich nicht mehr permanent der "Wiedergewinnung bzw. Bewahrung der eigenen deutschen Identität in Sprache und Kultur" widmen konnten. Sie versuchten, sich vielmehr zu integrieren - obwohl sich die BRD darum bemühte, sie bereits vor 1989 zum Deutschtums-Bekenntnis zu überreden und zur Ausreise zu bewegen.

Doch damit ist es vorbei. Bereits der Aussiedlerbeauftragte der christdemokratisch-liberalen Bundesregierung, Horst Waffenschmidt (CDU), hatte den Kurs gewechselt und nicht mehr auf die Förderung von Ausreise und Übersiedlung gesetzt, sondern auf die Schaffung von deutschen "Inseln der Hoffnung". Sein sozialdemokratischer Nachfolger hält daran fest. Die "deutschen Minderheiten" können vor Ort "mit unserer Hilfe rechnen", lautet Welts Formel zur Destabilisierung Osteuropas.

Solche deutschen Hoffnungsinseln sind Gebiete im Ausland, in denen durch Ansiedlung von vermeintlich Deutschen eine auf Autonomie oder zumindest faktische Selbständigkeit zielende deutsche Hoheit errichtet werden soll. Das "wichtigste Ziel" der deutschen Hilfe, formuliert die rot-grüne Regierung, ist es, den Deutschen "an ihren gegenwärtigen Wohnorten - und bei einer eventuellen Umsiedlung innerhalb der genannten Staaten - zu helfen".

Ausgleich geschaffen werden soll - neben der "Wiedergewinnung oder Bewahrung der eigenen deutschen Identität in Sprache und Kultur" - auch durch die "Freiheit des religiösen Bekenntnisses", die "Pflege der Tradition" und die "Freiheit der Verbindung mit den Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland". Außerdem geht es um die Verbesserung der "wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Situation", heißt es im Info-Dienst Deutsche Aussiedler. Diese "Zukunftsperspektive" soll allen Regionen dienen, in "denen Deutsche kompakt wohnen".

Wie dieses deutsche Kompakter-Wohnen-Modell funktionstüchtig arbeiten kann, darauf haben sich das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium bereits 1990 geeinigt: in Arbeitsteilung. Diesen Ansatz hat die rot-grüne Regierung übernommen, weil er so gut funktioniert: Während das deutsche Innenministerium "Maßnahmen sozialen und gemeinschaftsfördernden Charakters" einschließlich Wirtschafts-, Landwirtschafts- und infrastruktureller Hilfen in Osteuropa finanziert und betreut, öffnet das Auswärtige Amt "neue Fenster zur kulturellen und bildungspolitischen Förderung der deutschen Minderheiten".