Treffen der G 7 (+1) in Köln

Der Gipfel der Zumutung

Die Herren der Welt trafen sich, so die alltagslinke Gewißheit, in Köln. Die Herren der Welt? Die Produktivkräfte sind irreversibel außer Kontrolle geraten. Die Funktionseliten und Institutionen tun aber so, als gäbe es noch programmatische und strategische Optionen, die zu irgendwelchen neuen Ufern führen könnten.

Oberflächlich betrachtet scheinen dabei die USA als einzige verbleibende Weltmacht die Richtung vorzugeben. Das restlos bankrotte Rußland mault zwar an der Peripherie der Nato gegen die westliche Weltpolizei (ganz besonders die nationalistisch und antisemitisch degenerierten "Kommunisten"), aber es hat Mühe, überhaupt noch Truppen zu seinen Grenzen zu bewegen. Und China, die andere verlöschende Weltmacht in spe, ist um jeden Tag froh, an dem Währung, Bankensystem und Staatsbetriebe nicht zusammenbrechen.

Auch von den metropolitanen Konkurrenten der USA in der "Triade" ist nicht viel übriggeblieben. Japan würgt an seiner unbewältigten faulen Kreditmasse. Politisch-militärisch ist der Exportweltmeister sowieso ein Leichtgewicht, weniger bedeutend als Indien und Pakistan. Die EU am anderen Ende der Welt ist bei ihrer währungspolitischen Flucht bisher damit gescheitert, den Euro als konkurrierende Welthandels- und Reservewährung gegen den Dollar aufzubauen. Nach Golfkrieg und Bosnien-Einsatz hat der Kosovo-Krieg deutlicher denn je gezeigt, daß die EU ihre eigene Peripherie nicht kapitalistisch befrieden kann und keine eigenständige politisch-militärische Handlungsfähigkeit besitzt.

Allerdings ist auch die haushohe Überlegenheit der USA nur noch Fassade. Der US-Militärapparat kann zwar als absolut konkurrenzlos gelten. Aber der oberste Weltpolizist lebt längst nicht mehr auf eigene Rechnung. Die Außenbilanz der USA gleicht der eines Dritte-Welt-Landes. Das ist nur möglich, weil die global präsente Militärmaschine quasi den "Goldkern" des Dollar bildet und diesen als Weltwährung erhält, so daß sich die USA weiterhin als einziges Land in ihrer eigenen Währung verschulden können. Auf diese Weise ziehen sie die globalen Waren- und Kapitalströme an und halten durch eine ungedeckte Dollarflut, unterstützt von einen irrwitzigen Aktien-Boom, die Weltwirtschaft in Gang.

Dieses absurde Gesamtkunstwerk kann jederzeit zusammenbrechen. Und so verwundert es nicht, daß der rituelle G 8-Gipfel von Mal zu Mal wolkiger wird. Soweit von einer Gesamtstrategie überhaupt noch die Rede sein kann, läuft sie auf Schadensbegrenzung und "pragmatisches" Weiterwursteln hinaus. Die weißen Flecken auf der Weltwirtschaftskarte vermehren sich ständig; sie markieren die Zonen, wo kein marktwirtschaftliches Gras mehr wächst. Und die Befriedung der bröckelnden Peripherie wird immer teurer, wie nicht erst der jüngste Pyrrhus-Sieg der Nato und seine absehbaren Folgen beweisen. In Wahrheit sind die Herren des Gipfels allesamt zu Statisten jener transnationalen Finanzmarktbewegung geworden, die an die Stelle der Realakkumulation getreten ist; und alle politisch-militärischen Interventionen führen zu nichts als einer weiteren Eskalation der daraus entstandenen sozialökonomischen Krisen.

Verkündet werden können nur noch ständig neue Zumutungen, die doch niemals ausreichen, den nächsten Krisenschub aufzufangen. Das kritisieren auch die linken Gipfel-Gegner. Pierre Bourdieu ist zwar zuzustimmen, wenn er in Le Monde diplomatique darauf verweist, daß die ideologischen Differenzen innerhalb des politischen Systems heute praktisch bedeutungslos sind, kaum mehr als "die opportunistische Instrumentalisierung einer medienwirksam aufbereiteten Sozialsymbolik". Nur selbständige soziale Bewegungen könnten daher eine neue Perspektive der Emanzipation eröffnen.

Er bleibt aber den Beweis schuldig, wie die von ihm propagierten, wesentlich national beschränkten altsozialdemokratisch-keynesianischen "Errungenschaften" mit einem neuen transnationalen Bewegungscharakter jenseits der herrschenden Institutionen vereinbar sein sollen.

Solange eine Emanzipationsbewegung nicht den kategorialen Bruch mit dem warenproduzierenden System ins Auge fassen will, wird sich die Linke immer wieder den Kopf des Kapitals zerbrechen und rituell die Rituale der selber nur noch virtuell "herrschenden" obersten Funktionseliten begleiten.