Von der Mereb-Front nach Mogadischu

Der Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea weitet sich aus - nach Somalia

Die Vereinten Nationen appellieren - und keinen interessiert es. Aus ihrem Hauptquartier in New York forderte die UN vergangenen Mittwoch Äthipien und Eritrea auf, ihre Kämpfe doch bitte einzustellen und sich statt dessen an den Friedensplan der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) zu halten.

Beide Länder setzten aber am Wochenende ihre Angriffe fort. Die Meldungen aus der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba und ihrem eritreischen Gegenpart Asmara über Angriffe, Gefechte, Tote und Verletzte am umkämpfen Fluß Mereb berichteten jeweils von hohen Verlusten der anderen Seite. Wenn auch nur die Hälfte von dem wahr ist, was beide Länder behaupten, haben innerhalb weniger Tage über 20 000 Soldaten - auf eritreischer Seite auch Soldatinnen - ihr Leben an dem belanglosen Rinnsal ausgehaucht.

Was jetzt als Mereb-Front bezeichnet wird, hieß vorher Badme-Front und war bereits im Februar von Äthiopien fast vollständig erobert worden: Eritrea hatte den Vermittlungsvorschlag der OAU akzeptiert und sich aus dem 400 Quadratkilometer umfassenden Stück Halbwüste weitgehend zurückgezogen. Damit wäre Platz für die in dem Abkommen vorgesehene Friedenstruppe - warum wird dort also immer noch gekämpft?

Um zu "verhindern, daß so etwas nicht mehr vorkommt", heißt es auf eritreischer Seite, um "die Größe der eritreischen Armee deutlich zu begrenzen", ist aus Addis Abeba zu hören. Während Äthiopien daran arbeitet, die eritreische Souveränität einzuschränken oder den nördlichen Nachbarn vielleicht sogar zum Vasallenstaat zu machen, scheint das kleine Eritrea zu glauben, daß ihm militärisch und politisch die gleiche Stellung wie dem zweitbevölkerungsreichsten Land in Ost- und Zentralafrika zukommt.

Im Gegensatz zu Eritrea präsentiert sich Äthiopien innenpolitisch alles andere als geeint. Die Armee schicke besonders gerne amharische und oromische Rekruten nach vorne, um Minen detonieren zu lassen, bevor die restlichen Truppen kommen, heißt es wiederholt. Ob wahr oder ob nicht - die Oromos, die größte äthiopische Bevölkerungsgruppe, begeistert der Krieg auf jeden Fall nicht besonders. Die Rebellenbewegung Befreiungsfront Oromos (OLF), die große Teile der im Süden des Landes lebenden Oromos vertritt, hatte schon zu Beginn der Kämpfe gefordert, nicht an der äthiopischen Kriegsanstrengung teilzunehmen.

Der Krieg hat jedoch Auswirkungen auf die gesamte Region am Horn von Afrika. Im Sudan ist die größte Rebellenbewegung SPLA durch die Kämpfe zwischen Eritrea und Äthiopien stark geschwächt, da der Nachschub aus oder über Eritrea mittlerweile ausbleibt. Die sudanesische Regierung profitiert hingegen davon, was ein Ende des Bürgerkrieges im Sudan nicht unbedingt wahrscheinlicher macht und sich auch auf den äthiopisch-eritreischen Krieg negativ auswirkt - schließlich erhebt der Sudan den Anspruch auf eine dominante Stellung in der Region.

Zu allem Überfluß ist nun auch noch Somalia, weltweit der einzige Staat ohne Regierung, der ganz offiziell von Clans verwaltet wird, zwischen die äthiopische und eritreische Front geraten. Anfang Juni eroberte die Rahanwein Resistance Army (RRA) die viertgrößte Stadt Somalias, Baidoa. Unterstützt von der äthiopischen Luftwaffe und Artillerie hätten rund 3 000 äthiopische und RRA-Soldaten die Milizen des zur Zeit mächtigsten somalischen Warlords Hussein Aidid aus der Stadt vertrieben, gab der Uno-Informationsdienst Irin jüngst bekannt.

Somit, heißt es bei Irin weiter, sei die Schaffung einer Pufferzone Äthiopiens entlang seiner Grenze zu Somalia abgeschlossen. Sie reiche von Luuq im Drei-Länder-Eck Kenia/Äthiopien/Somalia im Süden bis nach Belet Huen in Zentral-Somalia. Äthiopien hatte zwar schon in der Vergangenheit somalische Milizen ausgebildet und mit Waffen beliefert. 1997 besetzte es sogar somalisches Territorium besetzt, um Stellungen einer islamistischen Miliz aufzulösen. Doch dürfte die jüngste äthiopische Intervention von der strategischen Allianz zwischen Aidid, Eritrea und der OLF ausgelöst worden sein.

Erst vor zwei Wochen landete wieder ein eritreisches Schiff im somalischen Hafen Faah, wie die BBC meldete. Geladen hatte es 120 Tonnen Waffen. Das Ziel Eritreas ist es offensichtlich, durch die Unterstützung der OLF Äthiopien einen Zwei-Fronten-Krieg aufzuzwingen. Sollte die OLF durch Somalia in den Süden Äthiopiens eindringen, wäre die Regierung in Addis Abeba gezwungen, Truppen von der Front mit Eritrea abzuziehen. Die OLF verließ 1992 die nach dem Sturz Mengistus gemeinsam gebildete äthiopische Regierung und nahm den Bürgerkrieg wieder auf. Der Zentralregierung gelang es jedoch, die Infrastruktur der Organisation im Süden des Landes zu zerstören. Und auch der Versuch der vergangenen Monate, den Krieg von Basen im Norden Kenias nach Äthiopien zu tragen, war wenig erfolgreich.

Daß eritreische Soldaten seit Mai OLF-Kämpfer in der somalischen Stadt Quoryoley ausbildeten, und daß Eritrea die OLF über den Warlord Aidid mit Waffen belieferte, ist schon länger bekannt. Im Gegenzug marschiert - nach Berichten der lokalen Presse in Mogadischu - zur Zeit die von Äthiopien unterstützte RRA in Richtung Quoryoley. Von dort seien die Milizen Aidids bereits geflohen, heißt es. Auch habe die RRA die Stadt Bur Hakaba, 50 Kilometer östlich von Baidoa, eingenommen. Die nächsten Ziele sind offenbar Balidogle - ein für Aidid wichtiger Flughafen an der Straße nach Mogadischu, weil dort Düsenflugzeuge landen können - sowie die 80 Kilometer südlich von Mogadischu gelegene Hafenstadt Merka.

Neben der Ausweitung des Krieges zwischen Äthiopien und Eritrea auf Somalia, zeichnet sich außerdem ein Konflikt zwischen Äthiopien und einigen arabischen Staaten ab. Die äthiopische Regierung hatte 1997 erfolglos versucht, Friedensabkommen zwischen einigen ihr nahestehenden somalischen Warlords zu initiieren. Aidid wurde zu den Gesprächen nicht eingeladen. Ägypten übernahm daraufhin die Initiative und versammelte seinerseits einige Milizenchefs in Kairo. Im Dezember 1997 wurde dort ein Abkommen unterzeichnet, das eine gemeinsame Verwaltung für Mogadischu von Hussein Aidid und Ali Mahdi, einem anderen somalischen Warlord, vorsah. Eine gemeinsame Polizeitruppe wurde geschaffen - finanziert von Ägypten, Libyen, Jemen und Quatar.

Ägypten ist verärgert über die äthiopischen Pläne, am Blauen Nil Wasserkraftwerke zu bauen, die den Wasserstand des Nils in Ägypten beinflussen könnten - die Beziehungen zwischen beiden Staaten, die um die Hegemonie am Horn von Afrika streiten, waren deshalb in den vergangenen Monaten angespannt. Hinzu kommt, daß Eritrea in den letzten Jahren bessere Verbindungen zu den nahegelegenen arabischen Staaten hatte als Äthiopien.

Es scheint, als sei das bis heute so geblieben: Wie die Tageszeitung Quaran in Mogadischu berichtete, haben Quatar und andere arabische Staaten den Transport der letzten Waffenlieferung nach Faah finanziert. Dies würde deutlich dafür sprechen, daß einige arabische Staaten den Einfluß Äthiopiens in Somalia begrenzen wollen.