Auge um Auge, Insel um Insel

Auf den Salomonen, dem "pazifischen Paradies", kämpfen bewaffnete Milizen gegen Übersiedler

Ishmael Pada wurde stehend beerdigt. In der traditionellen Weise der Ozeanier. Als Held - erschossen von Polizisten. Pada lebte als Holzfäller auf Guadalcanal und beteiligte sich an Übergriffen gegen Übersiedler von der Nachbarinsel Malaita.

In der vorvergangenen Woche wurde auf den Salomonen - eine über 1 600 Kilometer lange Inselkette, die knappe drei Flugstunden nordöstlich vor Australien liegt - der Ausnahmezustand ausgerufen. Polizei und Militärs patrouillieren nun auf den Straßen des Landes und sorgen für eine eher gespenstische Ruhe. Seitdem Pada am 30. Dezember bei Aktionen gegen Einwanderer von der Polizei erschossen wurde, kommt es in dem seit 1978 unabhängigen Staat zu Unruhen zwischen bewaffneten Milizen, bei denen nach offiziellen Angaben bisher sechs Malaitaner getötet wurden.

Malaita ist die bevölkerungsreichste, Guadalcanal hingegen die wichtigste der sechs Hauptinseln der Salomonen - zumindest seit die britische Kolonialverwaltung 1943 entschied, ihren Sitz nach Honiara, der heutigen Hauptstadt, zu verlegen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Einwohnerzahl des Landes auf rund eine halbe Million verdoppelt, die der Hauptstadt sogar vervierfacht. Von Malaita strömten mehrere Tausend Menschen nach Guadalcanal - und oftmals besetzten oder enteigneten sie dort brach liegendes Land. Harte körperliche Arbeit und geschicktes Handeln brachte den Malaitanern so den Ruf ein, der ökonomische Motor der Salomonen zu sein. Für die vermeintlich unterprivilegierten Einheimischen von Guadalcanal wurde die Einwanderer von der Nachbarinsel damit zum Haßobjekt. Sie verlangen "Souveränität" für ihre Insel.

Widerstand gegen fremde Einflüsse auf traditionelle Strukturen und Bräuche regte sich bereits in den dreißiger Jahren. Ab 1956 formierte sich unter Führung von Pelise Moro der militante Kampf gegen die britische Kolonialherrschaft, der schließlich zur Unabhängigkeit des Inselstaates führte. Und daß indigene Freiheitsbestrebungen nicht immer die hehren Ziele verfolgen, die ihnen westliche Sympathisanten gerne zuschreiben, bewies der gealterte Moro am Rande von Padas Begräbnis: "Unser Problem ist nicht länger die Kolonial-Regierung", schwadronierte er, "sondern die Einwanderung."

Das koloniale Erbe der Salomonen bestand im wesentlichen aus einer relativ florierenden Wirtschaft, einer parlamentarischen Demokratie. Besonders im Vergleich zum benachbarten Bougainville, das Mitte der achtziger Jahre in einen zehnjährigen blutigen Bürgerkrieg stürzte, galten die Solomon Islands als "pazifisches Paradies".

Bereits vor zehn Jahren aber zeigte sich, daß vor allem soziale Probleme Ursache für den Konflikt sind. Damals forderten Guadalcanalesen in einer Petition an den ehemaligen Premierminister Ezekiel Alebua, eine finanzielle Wiedergutmachung für den Verlust von Land an die sogenannten Einwanderer von Malaita und einen größeren sozialen Ausgleich zwischen den Guadalcanalesen und den Neuankömmlingen.

Wurde diese Petition damals von der Bürokratie verschleppt, war es im November 1997 ausgerechnet der ehemalige Premierminister Alebua, der mit einer Hetzrede die militanten Übergriffe auf Malaitaner einleitete: Einzelne bewaffnete Banden attackierten daraufhin malaitanische Farmen, plünderten Geschäfte und verprügelten Immigranten von der Nachbarinsel.

Und nach dem Tod von Pada fanden die bis dahin als Schlägergruppen weitgehend isolierten Milizen rasanten Zulauf aus allen Teilen der Bevölkerung. Die Isiantabu Freedom Fighters (IFF) übernahmen schnell die Führung der Milizen, flankiert von verschieden lokalen Paramilitärs. Zusätzlich angeheizt wurde die Situation von dem Law-and-order-Polizeichef der Salomonen, Frank Short. Zunächst wurde geheim gehalten, wie Pada gestorben war, und eine willkürliche Verhaftungswelle gegen Guadalcanalesen initiiert. Später sprach Short gegenüber der australischen Tageszeitung The Australian von einem "unvermeidbaren Krieg zum Wohle der Salomonen" - sein Gegner: die IFF, die "mit allen Mitteln zerschlagen werden muß".

Die Zentralregierung des Inselstaates trifft bei den Guadalcanalesen ohnehin auf Mißtrauen. Denn der Premierminister Bart Ulufa'alu ist Malaitaner. Dennoch zeichnete sich in der vergangenen Woche eine Verhandlungslösung zwischen der Regierung in Honiara und der IFF ab. Unter der Vermittlung des Commonwealth-Sonderbotschafters Sitiveni Rabuka, dem ehemaligen Premier der östlich von den Salomonen gelegenen Fidschi-Inseln, unterzeichneten Regierungsvertreter und Abgesandte der IFF ein vorläufiges Friedensabkommen.

Höchste Zeit, denn neben den Malaitanern haben auch einige ausländische Firmen das Land bereits verlassen. Und Touristen verirren sich kaum noch auf die Inselgruppe, die von der asiatischen Wirtschaftskrise noch relativ verschont geblieben war. Den hauptsächlich aus den USA kommenden Urlaubern, die auf den Salomonen die Überreste japanisch-amerikanischer Kämpfe im Zweiten Weltkrieg besuchten, ist es einfach zu gefährlich.