Besuch aus Washington

Ecuador, Kolumbien und Venezuela - drei Staaten, eine Wirtschaftskrise

Wenn nichts mehr geht, geht's ans Geld: In den letzten Junitagen griff die kolumbianische Nationalbank zu einem wenig populären Mittel - der Abwertung des Peso um neun Prozent. Parallel dazu wurde die Wechselkursmarge, in der sich der Peso bewegen darf, um ein Drittel auf 20 Prozent erweitert, so daß der Peso nun noch schwächer werden kann.

Seit knapp einem Jahr befindet sich der Peso im Abwärtstrend und hat seit dem ersten Januar mehr als ein Zehntel seines Wertes eingebüßt. Finanzexperten schätzen jedoch, daß die kolumbianische Währung immer noch überbewertet ist, was bei den Nachbarn, Ecuador und Venezuela, mit Unbehagen registriert wird. Zum einen werden die kolumbianischen Exporte in die Nachbarstaaten durch die Abwertung billiger, womit die dortigen Produzenten zu kämpfen haben, zum anderen gerät deren jeweilige Währung nun ebenfalls unter Druck.

Dies gilt vor allem für Venezuela. Auch die dortige Währung, der Boliv‡r, ist wohl um rund 20 Prozent überbewertet und wird mit der Abwertung in Kolumbien, dem zweitwichtigsten Handelspartner Venezuelas, nicht unbedingt stärker werden. In den öffentlichen Kassen fehlen umgerechnet rund 15 Milliarden Mark, die Inflationsquote liegt zur Zeit bei 26 Prozent und rund acht von zehn Menschen in Venezuela leben nach Angaben der Weltbank in Armut.

Doch ein umfassendes Sanierungsprogramm hat Präsident Hugo Ch‡vez bisher nicht vorlegen können. Immerhin traut er sich, einige der zentralen Ursachen für die dritte handfeste Wirtschaftskrise innerhalb von fünf Jahren zu benennen: Korruption und Mißmanagement prangerte der seit 140 Tagen amtierende Präsident öffentlich an. Die Restrukturierung der Wirtschaft - und damit vor allem deren Diversifizierung - sei verschlafen worden, so daß der Verfall der Erdölpreise um 25 Prozent pro Barrel (159 Liter) im Laufe des letzten Jahres das Land hart getroffen habe.

Der Verfall des Weltmarktpreises für Erdöl zehrt auch an Ecuador und Kolumbien. Santiago Montenegro, Dekan der ökonomischen Fakultät der Universität der Anden in Bogot‡, sieht die Ökonomien der beiden Staaten als besonders gefährdet an: Besonders in Ecuador habe die hohe Inflation (über 70 Prozent) und der zwischenzeitliche Bankencrash im März zu einer ausgewachsenen politischen und wirtschaftlichen Krise geführt.

Die Sparmaßnahmen der Regierung, die das Fiskaldefizit von 6,3 Prozent deutlich senken soll, werden auch von Unternehmern als unzureichende Geste gegenüber dem IWF abgetan. Präsident Jamil Mahuad überlegt derzeit sogar, die Landeswährung, den Sucre, an den US-Dollar zu binden. Parallel dazu hofft man in Quito, Auslandsinvestitionen ins Land zu holen. Unterstützung findet der Kurs Mahuads jedoch nur bei wenigen: Neun von zehn Prozent Ecuadorianern trauen nach Umfragen der vergangenen Wochen dem Präsidenten nicht zu, das Land aus der härtesten ökonomischen Krise seit 70 Jahren zu führen.

Ein ähnlicher Krisenverlauf wäre, so Montenegro, auch in Kolumbien und Venezuela denkbar. Denn genau wie in Ecuador gebe es auch in diesen Ländern ein Überangebot an Finanzinstituten. In Kolumbien sind es über 100 Institute, die das Geld der rund 36 Millionen Einwohner verwalten wollen. Faule Kredite wurden in der Vergangenheit angehäuft, und viele der staatlichen, aber auch einige private Institute stehen vor dem Kollaps. Rund 4,5 Milliarden US-Dollar müßten aufgebracht werden, um den Finanzsektor des Landes zu sanieren, rechnete jüngst der Direktor des kolumbianischen Wirtschaftsforschungsinstituts Fedesarrollo, Juan José Echevarria, vor. Damit steht Kolumbien vor ähnlichen Problemen wie Ecuador, das sich die Sanierung des Bankensektors bisher über eine Milliarde US-Dollar hat kosten lassen, jedoch für weitere Rettungsaktionen kein Geld mehr hat.

Im Gegensatz zum Vorgehen in Ecuador plädiert Echevarria jedoch für die Schließung defizitärer und für die Privatisierung der staatlichen Institute - nicht nur in Kolumbien. Doch diese wenig populäre Maßnahme wollen sich weder Präsident Jamil Mahuad in Ecuador noch Kolumbiens Präsident Andrés Pastrana leisten. Beide sind Umfragen zufolge zur Zeit nicht besonders populär und werden es wohl nicht riskieren, die Kleinsparer gegen sich aufzubringen.

Das dürfte auch für den sich linksnational und populistisch gebenden Hugo Ch‡vez in Venezuela gelten, der zwischen März und Mai deutlich an Rückhalt in der Bevölkerung verlor: Die offizielle Arbeitslosenquote ist auf 15,6 Prozent gestiegen und nicht weniger als 462 000 Arbeiter haben ihren Job in den ersten vier Monaten des Jahres verloren. Parallel dazu ist die Wirtschaft in diesem Zeitraum im Vergleich zum Vorjahr um mehr als sieben Prozent geschrumpft.

Ch‡vez kann sich damit trösten, daß die Arbeitslosenquote in Kolumbien noch schlechter ist und mit knapp 20 Prozent ein Rekordniveau erreicht hat - und weiter zu wachsen droht. Gleichzeitig muß sich Kolumbien erstmals seit Ende der zwanziger Jahren auf rote Zahlen oder bestenfalls auf ein Nullwachstum einstellen.

Das weiß auch Kolumbiens Finanzminister Juan Camilo Restrepo. Er hat dem Land nun einen IWF-konformen Wirtschaftskurs verordnet und setzt auf die Privatisierung einiger staatlicher Geldinstitute. Auch sollen die staatlichen Renten- und Pensionsfonds "reformiert" und das Bildungs- und Gesundheitssystem zum Teil privatisiert werden. Die staatliche Telefongesellschaft soll in den nächsten Monaten genauso verkauft werden wie die Elektrizitätswerke. Im Bergbau- und im Erdölsektor will man durch Joint Ventures produktiver werden. Großdemonstrationen gegen die neoliberale Regierungspolitik im April und Mai stören die Regierung unter Andrés Pastrana wenig.

Doch Privatisierungspläne gibt es nicht nur in Kolumbien. In Quito soll demnächst der staatliche Erdölkonzern Petroecuador dran glauben, während Hugo Ch‡vez, der noch im Wahlkampf gegen die Verschleuderung der nationalen Reichtümer wetterte, die maroden venezolanischen Aluminiumwerke veräußern will.

Gemeinsam ist allen drei Staaten auch, daß Einnahmen aus Privatisierungen in der Vergangenheit fast immer in den Taschen der jeweiligen Eliten verschwanden. In Kolumbien wurden Staatsbetriebe vor ihrer Veräußerung dekapitalisiert und dann unter Wert verkauft. In Ecuador hingegen zahlen rund 60 Prozent der Unternehmen des Landes keine Steuern, in Venezuela versickern die Erdöl-Dollar im vom Klientelismus geprägten Staatsapparat. Genau damit wollte Ch‡vez eigentlich aufräumen, bisher blieb es jedoch bei den Plänen.

Dies mag auch damit zu tun haben, daß der Ex-Putschist mit seinem militärisch-zackigen Ton zahlreiche potentielle Anleger zu Investionen in anderen Staaten verleitet hat. Demgegenüber wirbt Ecuadors Präsident Mahuad zwar nach Kräften bei den Investoren. Doch die bleiben bisher weitgehend aus. So setzt man in Venezuela, aber auch in Kolumbien und Ecuador, notgedrungen auf ökonomische Konzepte des IWF, der sich in allen drei Ländern in den letzten beiden Monaten auch prompt zu Besuch einfand.