Somaliland Shilling vs. Sosh

Wer in Somalia Geld braucht, läßt es im Ausland drucken und einfliegen

Eine Zentralregierung, die Banknoten druckt, fehlt. Also versucht in Somalia jeder, der die Möglichkeit hat, die Landeswährung Sosh (Somalische Shilling) selbst herstellen zu lassen. Eigentlich keine schlechte Idee, denn nach acht Jahren, die das Land mittlerweile in ziemlich schlechtem Zustand verbracht hat, fallen die Geldscheine des Landes schlicht auseinander.

Die nun seit mehreren Wochen andauernden Kämpfe zwischen rivalisierenden Milizen sowie eritreischen und äthiopischen Militärs in Somalia (Jungle World, Nr. 27/99) bringen nun Bewegung in die Geldproduktion. So mußte vor knapp zwei Wochen die Auslieferung neuer Banknoten - von Hussein Aidid, der über die Hauptstadt Mogadischu herrscht, bestellt - auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Eigentlich hätte die Geldlieferung von 35 Milliarden Sosh - umgerechnet fast vier Millionen US-Dollar - im Juni am Flughafen von Baidoa ankommen sollen. Doch Aidids Lieferung ist blockiert, weil die gegnerische Rahaweinische Widerstandsarmee (RRA) mit Unterstützung äthiopischer Truppen gerade dabei ist, langsam diese Ecke Südsomalias einzunehmen. Ein schwerer Rückschlag für Aidid, da Baidoa der einzige Flughafen war, den er wirklich kontrolliert hatte.

Doch nur wenige Tage später landete eine andere Lieferung somalischer Shillings, kontrolliert von einer Gruppe Geschäftsleute aus unterschiedlichen Klans, auf Balidogle, dem Flughafen Mogadischus. Zwar hat Aidid auch auf diesem Flughafen Einfluß, aber die Milizen, die den Flughafen kontrollieren, gehören zu derselben Klan-Untergruppe wie die konkurrierenden Geschäftsleute.

Nun, da ihm nur noch der Flughafen Balidogle bleibt, scheint Aidids Position auf nicht viel mehr als die eines Zwischenhändlers reduziert worden zu sein. Immerhin bleibt ihm - nach bindenden Absprachen, die mittels Waffengewalt herbeigeführt wurden - noch eine zehnprozentige Provision und damit genug Geld, um die Loyalität einiger Klanältester und Milizen zu kaufen.

Dennoch wird langsam klar, daß Aidids Rolle in Südsomalia stark überschätzt wird. Wie die jüngsten Entwicklungen zeigen, haben einige Leute begonnen, das Interesse an Klanpolitik zu verlieren, vor allem wenn es um Geld geht. Roland Marchal, Mitglied des Pariser Centre d'Etudes et de Recherches Internationales (CERI), erklärt das so: "Die Geschäftswelt spielt ihr eigenes Spiel, ohne länger blindlings den rivalisierenden Gruppen zu gehorchen."

Seit Somalia 1991 auseinanderbrach, sind in den verschiedenen Regionen des Landes auch unterschiedliche Währungen im Umlauf: Ali Mahdi, der heute gemeinsam mit Aidid Mogadischu verwaltet, ließ in dieser Zeit einfach New Shillings drucken. Der Kampf um die Kontrolle dieser Noten wurde zu einer der härtesten Schlachten in Mogadischu zu Beginn des Bürgerkrieges. Als erster Regionalherrscher folgte Mohammed Egal aus der Region Somaliland , der 1995 seine eigene Währung, den Somaliland Shilling, drucken ließ. Abdullai Yusuf von der neugegründeten Puntland-Administration, hat nun angekündigt, Egals Beispiel demnächst folgen zu wollen.

Im Süden Somalias hatte bisher nur der mittlerweile verstorbene General Mohammed Aidid - Hussein Aidids Vater - neue Banknoten eingeführt, im Jahr 1996. Doch weil General Aidid seine Rechnungen nicht in harter Währung begleichen konnte, kam es nur zu einer einzigen Lieferung.

Geliefert - für alle, die es sich leisten können - wird von der malaysischen Firma Adorna, die die Noten in Kanada anfertigen läßt. Seit einem Abkommen von 1996 mit Mohammed Aidid hat Adorna auch die Möglichkeit, Sosh, die gemeinsame Währung Somalias, zu drucken - auch wenn nicht gesichert ist, daß die Firma sich im Besitz der Original-Druckplatten befindet. Diejenigen somalischen Geschäftsleute, die über harte Währungen verfügen, haben seitdem wiederholt neue Noten bestellt. Aber sie haben sie vorsichtig in Umlauf gebracht.

"Die Geschäftsleute haben darauf geachtet, nicht zu viele Banknoten auf den Markt zu bringen. Es ist auch schon vorgekommen, daß sie Sosh zurückgekauft haben, um den Kurs auf einem erträglichen Niveau zu halten", versucht sich der Ökonom Marchal an einer Einschätzung.

Der aktuelle Kurs des Sosh liegt bei 9 000 zu einem Dollar, doch angesichts der jüngsten Entwicklungen erwartet Marchal, daß der Kurs bald bei 10 000 zu eins stehen wird. Jetzt, wo Aidid durch seine Provisionen rund 3,5 Milliarden Sosh zur Verfügung hat, habe sich die Situation geändert: "Aidid wird mit großer Wahrscheinlichkeit seine Provision dazu nutzen, den Markt mit seinen Shilling zu überfluten", sagt Marchal.

Da die Geschäftswelt nicht an Boden verlieren will, wird sie vermutlich seinem Beispiel folgen. In der freien Marktwirtschaft - hier stimmt die Bezeichnung ausnahmsweise einmal - Somalias ist somit der Weg zu Inflation oder sogar Hyperinflation geebnet. Die Konsequenz könnte eine neue Rezession und die Rückkehr zur Subsistenzwirtschaft sein.

Bei der Bevölkerung Somalias würden Armut und Elend noch weiter zunehmen. Das Land leidet ohnehin unter einer langen Phase der Trockenheit und unter den Folgen eines - erst kürzlich aufgehobenen - saudiarabischen Importverbots für somalisches Vieh, dem wichtigsten somalischen Exportgut. Gleichzeitig behindert die undurchsichtige Machtstruktur im Land die Versuche internationaler Organisationen, Hilfe zu leisten. Im Juni mußte die Uno zwei Schiffe mit Lebensmittelhilfen in Häfen außerhalb Somalias umleiten - aus Sicherheitserwägungen.

Jüngste Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO ergeben, daß mehr als 400 000 Somalis direkt vom Hungertod bedroht sind. Doch momentan bleiben nur wenige Hilfsorganisationen ständig in Somalia aktiv. Viele andere verfolgen die militärische Entwicklung im Land zwar sehr genau, schätzen aber die Möglichkeiten für eine Verbesserung der militärischen Situation als sehr gering ein.