Umbau im Braunen Haus

In Eschweiler-Dürwiß residiert seit Juni eine Abspaltung der NPD/JN: das Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft

Das Haus ist bekannt, nur bei den Bewohnern, Nutzern und und dem Namen muß man immer wieder umdenken. Seit Juni wird das Haus, das in dem rheinischen Dorf Eschweiler-Dürwiß steht, als Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft genutzt. Zuvor diente es verschiedenen Organisationen der extremen Rechten als Tagungs- und Sammlungsort. Immer aber hieß es bei den meisten Bewohnern des Dorfes einfach das "braune Haus".

Den Anfang hatte im Oktober 1996 Manfred Rouhs, Herausgeber der Zeitschrift Europa vorn (heute: Signal), gemacht: mit einem Eröffnungskonzert für seine neue Verlagsniederlassung in Eschweiler. So großspurig wie sein Einstand, so lächerlich wirkte ein Jahr später sein Abgang. Zum 31. Dezember 1997 zog er mit seinem Verlag nach Köln und breitete in einer Notausgabe einen Kleinkrieg mit seinem Vermieter Paul Nießen, dem "an einem geheimen Ort im Ausland" lebenden Ex-Schatzmeister der Aachener NPD, aus.

Dieser habe mit der "Entführung" der Computer sowie eines Lexikons die Verlagsarbeit lahmgelegt, um ausstehendes Geld zu erhalten. Unter einem Vorwand "nach Aachen gelockt", soll Nießen daraufhin von Rouhs' Kameraden aus Kreisen der Jungen Nationaldemokraten (JN) unter Androhung körperlicher Gewalt zur Rückgabe der Gegenstände gezwungen worden sein.

Nach knapp einjähriger Unterbrechung fand Nießen in der Kölner Naziszene neue Mieter für sein "braunes Haus" mit angeschlossener Halle in der Jülicher Straße 247. Der damalige Landesvorsitzende der JN, Achim Ezer, war auf der Suche nach einem neuen Objekt. Nach einer antifaschistischen Demo konnte er das elterliche Haus in Bergisch-Gladbach bei Köln nicht mehr als JN-Zentrum nutzen.

Und so nahm Ezer im November 1998 in Eschweiler seinen offiziellen Wohnsitz - fortan wurde von dort aus der JN-Landesverband geleitet. Anwohner wußten schon bald von wöchentlichen Proben eines JN-Trommlerzuges zu berichten: "Jeden Dienstag ist dieser Krach über die ganze Straße zu hören. Und alles ist vollgeparkt mit auswärtigen Autos." Von Boxtrainings im Gebäude war die Rede und von einschüchternd auftretenden, teils mit Kampfhunden ausgestatteten Skinhead-Trupps.

Die neuen Mieter verschanzten sich hinter Fenstergittern und begannen mit dem Ausbau des maroden Gebäudes - zu einem Versammlungszentrum und "Schulungslager" für die JN, wie es Ezer in einem Spendenaufruf formulierte. Dies sei nötig, da "viele junge Leute ziellos" hinter der JN herirrten, "ohne ein vernünftiges Argument dafür zu haben". Obwohl die Umbauten in dem Gebäude eher schleppend vorangingen, wurde es bereits sporadisch in diesem Sinn genutzt, so beispielsweise im vergangenen Jahr für eine germanische "Julfeier" zu Weihnachten.

Achim Ezer nahm als Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzender maßgeblich an der Umwandlung der JN in eine neonazistische Kaderorganisation teil und trat für Bündnisse mit den "unabhängigen Kameradschaften" ein. Um diese Bündnispolitik zu vertiefen, gibt er auch seit 1997 die Zeitschrift Schwarze Fahne - gegründet als Publikation des JN-Landesverbandes NRW - heraus. Angeschlossen ist ein Versand für rechtsextreme Literatur, Musik und Gesinnungsartikel.

Das mit geringem redaktionellen Aufwand erstellte Blatt bietet Belehrungen über historische faschistische Bewegungen in Europa, Nachdrucke von NS-Literatur, Verhaltensregeln bei Hausdurchsuchungen, Interviews mit Bands und Neonazigrößen und dergleichen mehr. Der Titel Schwarze Fahne greift ein Symbol der faschistischen Bewegungen vor 1933 auf, das von den "unabhängigen Kameradschaften" als Ersatz für die Fahnen der verbotenen Organisationen genutzt wird. Das im Layout ständig wiederkehrende "Sonnenrad" ist leicht als Ersatz für das Hakenkreuz zu entschlüsseln. Zeitschrift und Versand firmieren unter der Eschweiler Adresse.

Wider Erwarten blieb das "braune Haus" nicht lange ein JN-Zentrum. Denn im Rahmen der sich zur Zeit bundesweit abzeichnenden Spaltung haben Ezer und seine Gefolgschaft die JN verlassen. Am 5. Juni gründeten sie eine eigene Organisation mit dem großspurigen Namen Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft (BDVG). Als Sitz der bundesweiten Zentrale wird die Jülicher Straße 247 in Eschweiler angegeben.

Die Adresse wird bislang auch von der bislang einzig bekannten BDVG-Regionalgliederung, dem Gebietsverband Süd, mitbenutzt. Dabei dürfte es sich um den ebenfalls vom JN-Bundesverband abgespaltenen sächsischen Landesverband oder um ehemalige JN-Kader aus Baden-Württemberg handeln.

Das Programm der Organisation zeugt in Wortwahl und Zielsetzung von einer orthodox nationalsozialistischen Ideologie. Es geht u.a. um die "Wiederherstellung einer wahren Volksgemeinschaft", die "Festigung des Bauerntums als Kultur- und Kraftquell unseres Volkes", eine "Nationalisierung der Geldpolitik" sowie um das "Ende der lebensfeindlichen und menschenverachtenden multikulturellen Ideologie".

Als "wichtigste Aufgabe" wird "die Förderung der Elitenbildung im nationalen Lager" genannt. Zu diesem Zweck soll die Schwarze Fahne als bundesweites Organ herausgegeben werden. Im "organisationseigenen Bildungszentrum in Eschweiler" will man Mitglieder und Funktionäre ausbilden: "Schulung in Verbindung mit politischer Aktion, das ist unsere Strategie", heißt es. Weitere Schulungszentren seien "in ganz Deutschland" geplant.

Doch dafür müßte sich erst einmal das Zentrum in Dürwiß behaupten. Nachdem bereits im Januar eine Antifa-Demo, organisiert vom Aachener VVN und dem Eschweiler Arbeitskreis gegen Rechts, auf das damalige JN-Zentrum aufmerksam gemacht hatte, formiert sich nun auch Widerstand gegen das "Bildungswerk": eine Bürgerinitiative, die bereits gegen die Nutzung des "braunen Hauses" durch Rouhs vorgegangen war. Zeitweilig hatten damals bis zu 60 Anwohner die Treffen der Initiative besucht, der es gelungen war, einen Teil der Vereine, Parteien, Schulen und der Stadtverwaltung in den Protest einzubinden.

Die heutigen BI-Aktivisten arbeiten mit einem ähnlichen Konzept. Auch planen sie langfristig: So ist eine gemeinsam mit der örtlichen Volkshochschule organisierte Veranstaltungsreihe mit Referenten aus allen antifaschistischen Spektren auf die Dauer von mindestens einem Jahr angelegt.

Ein Nahziel der Initiative ist es, möglichst viele Ortsansässige auf die Straße zu bringen, wenn am 4. September eine landesweite Antifa-Demo vor das "braune Haus" ziehen wird. Hierfür sollen auch die mehr als hundert Vereine der Stadt und die Parteien gewonnen werden.