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Aus den Provinzen in die Hauptstadt: Nach zwei Monaten kommen Milosevics Gegner dem jugoslawischen Präsidenten näher

Am Vorabend der totalen Sonnenfinsternis konnten die Bewohner der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad eine andere Version des kosmischen Ereignisses erleben. Die gewohnt aufmüpfigen Studenten der Belgrader Universitäten hatten im Zentrum der Stadt ein riesiges Teleskop aufgestellt. Sie luden Passanten dazu ein, den Untergang des Sternes "Slobitea" zu beobachten. Wer durch die Linse des Teleskops schaute, wurde denn auch eines riesigen Bildnisses von Slobodan Milosevic ansichtig, das verkehrt an einer Hausmauer hing.

Die politische Totalitätszone rückt näher an den jugoslawischen Staatschef. Während ihn die Demonstrationen in der serbischen Provinz nicht wirklich beeindruckten, muß Slobodan Milosevic am kommenden Donnerstag vor den Türen seines Regierungssitzes eine Großdemonstration der zunehmend unzufriedenen Jugoslawen beobachten. Zehntausende werden zum "Marsch auf Belgrad" erwartet, den die Allianz für Veränderungen und eine Gruppe von sieben Ökonomen veranstalten will.

Doch vom Erfolg des oppositionellen Aufbegehrens sind nicht einmal die Organisatoren selbst überzeugt: "Studenten und viele Bürger genießen noch ihre Sommerferien", meinte ein Sprecher. Keine wirkliche Unterstützung findet die Großdemonstration auch bei einer der populärsten politischen Figuren Serbiens: Vuk Draskovics Serbische Erneuerungsbewegung unterstützt die Veranstaltung nicht sehr tatkräftig.

Draskovic hat eine andere Vorstellung vom Sturz Milosevics: "Er muß gehen, aber in geordneter Weise, wie etwa Kurt Waldheim", meinte ein Sprecher Draskovics in Anspielung auf den von einer argen Erinnerungslücke geplagten ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten, der nach einer Amtsperiode nicht mehr für das höchste Amt in der Alpenrepublik kandidierte.

Von anderer Seite dagegen haben die Oppositionellen Zuspruch erhalten: Die einflußreiche serbisch-orthodoxe Kirche unterstützt ausdrücklich die Bemühungen der Opposition, Slobodan Milosevic aus dem Amt zu entfernen. Der Erzbischof des Kosovo, Artemije, meinte letzte Woche: "Wir appellieren an die Präsidenten Jugoslawiens und Serbiens, für andere Politiker Platz zu machen, die unsere Bevölkerung wieder aus der Sackgasse führen, in die wir geraten sind." Zoran Djindjic gab sich beglückt über die neuen Kampfgefährten: "Die Kirche ist die einzige Institution in Serbien, die das Vertrauen der Bevölkerung genießt", meinte der Oppositionsführer.

Aber nicht nur die Popen schlagen sich auf die Seite der Opposition. Als logische Fortsetzung der latenten Unzufriedenheit in der Armee hat auch der vor einem Jahr von Milosevic geschaßte Generalstabschef Jugoslawiens, Momcilo Perisic, eine eigene Oppositionspartei gegründet. Perisic warnte die derzeitige Armeeführung, mit Waffengewalt gegen die Bevölkerung vorzugehen. Perisics Schritt in die Opposition könnte für den Kampf um die Macht in Belgrad entscheidend sein. Obwohl längst pensioniert, genießt Perisic unter Armee-Angehörigen hohes Ansehen. Schon während des Kosovo-Krieges waren es Armee-Reservisten, die wegen ihres noch ausstehenden Soldes auf die Straße gingen.

Auch die Serben im Kosovo rücken nach und nach von Milosevic ab. Momcilo Trajkovic, Chef der Serbischen Widerstandsbewegung im Kosovo, forderte in der vergangenen Woche Milosevics Rücktritt. Er habe es mit seiner "Politik der ethnischen Säuberung" zu verantworten, daß nun die Serben aus dem Kosovo fliehen müßten.

Gleichzeitig schlug Trajkovic ein Modell vor, mit dem die Konflikte im Kosovo zumindest vorerst beendet werden könnten. "Das Kosovo sollte fünf serbische Bezirke haben", so Trajkovic. "Die Bezirke sollten rund um die Städte etabliert werden, in denen jetzt Serben leben oder aus denen sie fliehen mußten: Pristina, Gnijlane, Mitrovica, Pec und Prizren. Die Städte selbst sollten von beiden Volksgruppen verwaltet werden."

Zu einer wirklichen Bedrohung der Machtbasis Slobodan Milosevics könnte auch jener Forderungskatalog werden, den der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic jüngst ausarbeiten ließ. Montenegro fordert darin ein eigenes Verteidigungsministerium, ein eigenes Außenministerium und eine eigene - konvertierbare - Währung. Der Name "Jugoslawien" ist nach Djukanovics Vorstellungen ebenfalls völlig überholt, es soll in "Commonwealth der Staaten von Montenegro und Serbien" umbenannt werden. Gleichzeitig beeilte sich der montenegrinische Premier Filip Vujanovic festzustellen, der Forderungskatalog sei kein Schritt zu einer Unabhängigkeit von Serbien. "Ein gemeinsamer Staat ist im ureigenen Interesse Serbiens und Montenegros", so Vujanovic.

Gleichzeitig aber würde Montenegro in den gemeinsamen jugoslawischen Institutionen die gleichen Rechte wie Serbien bekommen. Dies hätte zur Folge, daß Milosevics Einfluß in den föderalen Behörden schwinden würde. Womit Milosevic immer mehr in die Defensive gedrängt wird: Von außen droht ihm die Opposition mit der Pensionierung, innerhalb des politischen Establishments versagt ihm eine Republik die Gefolgschaft.

Die augenscheinliche Isolation seines Staates versucht Milosevic durch die Einbindung finanzstarker Exil-Serben zu kompensieren. Die lud er vor wenigen Tagen in seinen Präsidentenpalast ein und empfahl ihnen, in Serbien zu investieren. Bei der Gelegenheit begann er auch eine Attacke gegen die Opposition: "Mit der Hilfe einiger korrupter Politiker will die Nato unsere Stabilität untergraben und nun das schaffen, was ihr mit 22 000 Tonnen Bomben nicht gelungen ist."

Was die Exil-Serben für die künftige ökonomische Stabilität, ist der Umbau der jugoslawischen Regierung für die politische: Der Ultranationalist Vojislav Seselj, bislang serbischer Vizepremier, nimmt den gleichen Posten nun für den jugoslawischen Gesamtstaat ein. Doch außer an den Personen wird sich nicht viel ändern: Milosevics Partei und die seiner Frau Mira Markovic wird die Mehrzahl der Minister stellen, auch Seseljs Radikale Partei darf fünf Minister entsenden.

Die größte Gefahr allerdings dürfte Milosevic aus Den Haag drohen. Das dortige Kriegsverbrechertribunal sammelt zur Zeit neues Anklagematerial gegen den jugoslawischen Staatschef: Nach Jungle World vorliegenden Informationen ist im Zusammenhang mit der Aufklärung des Massakers von Racak erstmals ein Mann festgenommen worden - obwohl noch immer nicht feststeht, wie es zu dem Blutbad, bei dem im Januar 45 Kosovo-Albaner starben, gekommen ist.