Graue Wolken über Stuttgart

Tofru statt Sofi

Wer in Stuttgart wohnt, wird selten darum beneidet. Ist doch die schwäbische Metropole bundesweit vor allem dafür bekannt, daß dort weder Kühe fliegen noch Bären toben, dafür jedoch bereits jede Menge Hunde begraben wurden. Nicht so 1999. Denn da ist "Sofi". Und Sofis Welt liegt eindeutig in Stuttgart. Der Grund: Stuttgart hat 100 Prozent und, das Entscheidende, Stuttgart liegt auf der Zentrallinie des 100 Kilometer breiten Schattenstreifens, für den der Mond am 11. August auf der Erde sorgen sollte

Ein Geschenk des Himmels, jubelten die Stadtväter und machten sich ans Vermarkten. Wieso die Stadt tief im Kessel besonders Sofi-geeignet ist, blieb bis zum Schluß das Geheimnis der Planer. Die selbsternannte Finsternis-Hauptstadt war bestens vorbereitet: Ein Wissenschaftsmarkt und ein 24-Stunden-Rave auf schwäbischem Boden gehörten zu den originellen Sofi-Events. Auch der einheimische Klein- und Groß-Kommerz gab sich kreativ und bot vom Sonnenfinsternis-Bier bis zum Korona-Brot alle notwendigen Accessoires an. Es konnte losgehen.

Wollte es aber nicht. Zwar brach in den entscheidenden zwei Minuten und 13 Sekunden ganz plötzlich eine beeindruckende Finsternis herein, die kostbare Zeit mußte jedoch gänzlich ohne den erwarteten Heiligenschein am Firmament durchgestanden werden. "Schlechtes Wetter verdirbt die Stimmung in Stuttgart nicht", titelte die Stuttgarter Zeitung danach. Tatsächlich erlebte der "Wilde Süden", wie der Südwest-Funk das Land seiner HörerInnen einst taufte, statt hundert Prozent Sofi einen echten Tofru. Totalen Frust nämlich, der sich in einer Stimmung äußerte, die schwer nach "Ich will mein Geld zurück" roch.

Schließlich war das Naturschauspiel in Städten, die nur 80 Prozent zu bieten hatten, eindrucksvoller zu sehen. Sun-City allerdings setzte noch eins drauf: Aus dem Sofi-Programm wurde mangels finanzieller Mittel das geplante Open-Air-Festival gestrichen. Stuttgart live.

Cleveren Schwaben bleibt da wohl nur eins: den Sofi-Erfahrungsvorsprung in Sachen Vermarktung zusammen mit der erfolgreich produzierten Eclipsomania auszunutzen. Das nächste Jahrhundertereignis gibt's schon 2001. Über Angola, mit mehr Sonnengarantie also. Günstige Pauschalreisen sollten schon bald angeboten werden. Eine Tourismus-Welle in das afrikanische Krisengebiet auszulösen, dürfte eine Herausforderung für Werbeagenturen sein. In Stuttgart blickt man im Après-Sofi schon wieder nach vorne. Die Rücknahmeaktion der coolen Sofi-Brillen, die dann nach Afrika geschickt werden sollen, läuft bereits. Immerhin sind die meisten fast wie neu.