Referendum als Farce

Algier-Bonaparte

Ein Präsident läßt über sich abstimmen. An diesem Donnerstag beginnt in Algerien die Referendumskampagne, die der Volksabstimmung vom 16. September vorausgeht. Offiziell geht es dabei um die Politik des seit April amtierenden Präsidenten Abdelaziz Bouteflika gegenüber den bewaffneten islamischen Fundamentalisten, die unter dem Motto der "nationalen Aussöhnung" steht. Bereits im Vorfeld hat die Regierung die 14 000 registrierten Imame, die Vorbeter in den Moscheen angewiesen, nach Kräften die Trommel für das "Ja" beim Referendum zu rühren.

Befragt wird das Wahlvolk allerdings weniger nach seiner konkreten Haltung zu der Frage, welche Option gegenüber den Mitgliedern islamistischer Terrorgruppen verfolgt werden soll, die ihre Wiedereingliederung in Gesellschaft und - aller Wahrscheinlichkeit nach - auch Politik anstreben. Vielmehr wird ihm folgende pauschale Frage unterbreitet: "Sind Sie mit dem Vorgehen des Präsidenten der Republik betreffend den Frieden und die innere Eintracht einverstanden?"

Die zu treffende Entscheidung beinhaltet also keine Sachfrage, bei der man frei zwischen Option A und Option B wählen könnte. Vielmehr ist die Referendumsfrage direkt mit der Person des neuen Präsidenten verknüpft. So handelt Bouteflika in alter Tradition - der des früheren französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle, der die Erpressung des Wahlvolks unter dem Motto "Ich oder das Chaos" meisterhaft beherrschte. Und tatsächlich hat Bouteflika in diesem Zusammenhang öffentlich das Beispiel de Gaulle angeführt.

Die zweite Besonderheit, die ins Auge fällt : Die Grundfrage, über die am 16. September angeblich abgestimmt wird - die nach der Wiedereingliederung bewaffneter Islamisten - ist längst entschieden. Das Parlament in Algier hat am 13. Juli einstimmig das Amnestiegesetz angenommen, das die Bedingungen dieser Wiedereingliederung regelt. Das Gesetz wird bereits umgesetzt. Es bleibt daher bei einem Plebiszit "für" oder "gegen" den Staatschef.

Am positiven Ausgang des Referendums für Bouteflika kann kein ernsthafter Zweifel bestehen. In Algerien ist es nach wie vor unwahrscheinlich, daß Abstimmungen anders ausfallen, als es die Staatsmacht vorgesehen hat. Zudem findet Bouteflika tatsächlich Anklang bei Teilen der Bevölkerung. Denn als erster Präsident nach langen Jahren arroganter Militärherrscher wendet er sich an sie und versucht, in bester bonapartistischer Tradition eine direkte Verbindung zwischen ihr und dem "Mann an der Spitze" herzustellen. Ferner hat Bouteflika durch eine aktive Außenpolitik - die Kontakte zu Frankreich und Israel wurden wiederbelebt, die Grenzen zu Marokko nach langen Jahren geöffnet - den Algeriern den Eindruck vermittelt, daß der internationale "Paria"-Status des von blutigen Konflikten zerrütteten Landes vorüber sei.

Auch hierin ganz in der Logik eines bonapartistischen Regimes, sucht Bouteflika sich in zunehmendem Maße als Machthaber zu präsentieren, der "über allen politischen und sozialen Trennungslinien" steht. Während er sich auf die legalen islamistischen Parteien stützt - mit denen es im Juli wegen der Wiederbelebung der Kontakte zu Israel und der Verwendung der französischen Sprache durch Bouteflika erstmals Krach gab -, müht er sich gleichzeitig, die republikanisch-laizistischen Parteien einzubinden. So arbeitet Bouteflika eifrig daran, den sozialdemokratischen RCD (Sammlung für Kultur und Demokratie) zum Eintritt in eine nach dem 16. September neu zu bildende Regierung zu bewegen - während der RCD und die Ex-Kommunisten des MDS Bouteflikas "Versöhnungs"-Politik gegenüber den Islamisten bekämpfen. Am 19. Juli kündigte Bouteflika in der Financial Times gar an, die seit 1992 verbotene islamisch-fundamentalistische Partei FIS könne, unter ihrem eigenen oder einem anderen Namen, wiederzugelassen werden.

Wie groß der Spielraum Bouteflikas - etwa gegenüber seinen militärischen Hintermännern - tatsächlich ist und wie groß die Chancen, daß die auf diese Weise "ausgesöhnten" Gegensätze angesichts einer explosiven sozialen Lage sich auf längere Sicht hin überdecken lassen, ist derzeit noch unklar. Gegenwärtig versucht der Präsident, den organisierten Islamismus, der "enthauptet" bleiben soll - die Gründergeneration des FIS soll, Bouteflika zufolge, aus der aktiven Politik auf Dauer ausgeschlossen bleiben -, als stabilisierenden Faktor an sein Regime zu binden. Die Frage ist nur: Wer wird auf Dauer wen an sich binden?